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Ziviler Strafvollzug für die Wehrmacht. Militärgerichtlich Verurteilte in ...

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- 41 -<br />

Über <strong>die</strong>se und weitere Bestimmungen des Militärstrafrechts sollten alle Soldaten durch ihre Vorgesetzten<br />

<strong>in</strong> etwa achtwöchigen Abständen immer wieder belehrt werden; <strong>die</strong> Unterwiesenen mussten<br />

<strong>die</strong>s angeblich per Unterschrift bestätigen. 47 Zweck <strong>die</strong>ses Vorgehens war es, Soldaten und Wehrpflichtige<br />

davon abzuhalten, sich durch Begehen e<strong>in</strong>er Straftat dem Front<strong>die</strong>nst entziehen zu wollen.<br />

Zum e<strong>in</strong>en sollten also potentielle Täter abgeschreckt, zum anderen aufgrund von Zuchthausstrafen<br />

„wehrunwürdig“ gewordene Gefangene der schwersten denkbaren Bestrafung im zivilen <strong>Strafvollzug</strong><br />

– der Überführung <strong>in</strong> <strong>die</strong> ELL – unterzogen werden. Fietje AUSLÄNDER:<br />

»Um zu der E<strong>in</strong>sicht zu kommen, dass <strong>die</strong> geforderte „besonders strenge Behandlung mit harten<br />

Strafen“ zuvörderst <strong>in</strong> den Emslandlagern gegeben sei, brauchten <strong>Wehrmacht</strong>führung und <strong>Wehrmacht</strong>justiz<br />

ke<strong>in</strong>e zukünftigen „Erfahrungen“ abzuwarten. Die dort herrschenden Haftbed<strong>in</strong>gungen<br />

und Menschen verachtenden Methoden der Gefangenenbehandlung waren 1939/40 bereits<br />

seit Jahren bekannt.« 48<br />

Doch welches der sechs <strong>in</strong> Frage kommenden Lager wurde <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Wehrmacht</strong>gerichtlich <strong>Verurteilte</strong>n<br />

ausgesucht? Nicht Walchum, Brual-Rhede oder Aschendorfermoor, auch nicht Börgermoor oder<br />

Neusustrum mit ihrer immerh<strong>in</strong> mehrmonatigen KZ-Tradition, ne<strong>in</strong>, es sollte Esterwegen se<strong>in</strong>. Nur<br />

<strong>die</strong>ses Lager hatte e<strong>in</strong>e dreijährige Konzentrationslager-Vergangenheit, nur <strong>die</strong>ses Lager war das größte<br />

preußische und nach Dachau zweitgrößte deutsche KZ gewesen, nur <strong>die</strong>ses Lager hatte sich – nicht<br />

zuletzt durch se<strong>in</strong>en prom<strong>in</strong>entesten Gefangenen Carl von Ossietzky – e<strong>in</strong>en derart berüchtigten Namen<br />

gemacht. 49 Äußerst fraglich ist zudem, welcher Bruchteil der deutschen Öffentlichkeit überhaupt<br />

von der Umwandlung der „Hölle im Moor“ <strong>in</strong> e<strong>in</strong> SGL im Jahre 1937 erfahren hatte; <strong>die</strong> große Mehrheit<br />

der „geme<strong>in</strong>en Soldaten“ wusste sicherlich nichts davon. De facto war mit <strong>die</strong>ser Transformierung<br />

auch ke<strong>in</strong>e grundlegende Verbesserung der Existenzbed<strong>in</strong>gungen der Insassen des Esterweger – und<br />

der übrigen – ELL e<strong>in</strong>hergegangen; hier herrschten weiterh<strong>in</strong> KZ-ähnliche Zustände. Höchstwahrsche<strong>in</strong>lich<br />

war es <strong>die</strong> größtmögliche Abschreckungswirkung dessen, wo<strong>für</strong> Esterwegen stand, <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />

Wahl auf das SGL VII fallen ließ. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass von Militärtribunalen<br />

bestrafte Moorsoldaten <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerungsberichten gelegentlich von ihrem Lager als »Soldaten-KZ« sprechen<br />

50 oder bei späteren Anfragen bei Versorgungsbehörden bzw. dem Rechtsnachfolger der ELL –<br />

der Strafanstalt L<strong>in</strong>gen – mit der Bitte, Besche<strong>in</strong>igungen über Haftzeit und -gründe auszustellen, angaben,<br />

sie seien <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Konzentrationslager <strong>in</strong>haftiert gewesen 51 . Die Annahme vieler Soldaten, bei<br />

Straffälligkeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong> KZ verbracht zu werden, war Teil des Abschreckungskalküls der <strong>Wehrmacht</strong>; bei<br />

47 Ebd., S. 102; SEIDLER 1991, S. 28.<br />

48 AUSLÄNDER 1989, S. 176.<br />

49 Die Prävalenz Esterwegens wirkt bis <strong>in</strong> <strong>die</strong> Gegenwart; das Lager wurde, »verbunden mit dem Namen Ossietzky,<br />

nach dem Kriege <strong>für</strong> <strong>die</strong> Öffentlichkeit geradezu zum Synonym <strong>für</strong> Konzentrationslager im Emsland«<br />

(KOSTHORST 1984, S. 374) – auch <strong>die</strong> Wortwahl (Konzentrationslager, nicht SGL!) ist hier bezeichnend.<br />

50 Int. Dietrich 1991; vgl. auch Ber. Kramer 1991, DIZ-Archiv, Akte dess. – Diese formal gesehen unzutreffenden<br />

Bezeichnungen f<strong>in</strong>den sich dann häufig auch <strong>in</strong> Presseberichten von nicht mit der Materie der ELL vertrauten<br />

Journalisten wieder. So heißt es z. B. <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Meldung über den Vortrag von Hans-H<strong>in</strong>rich Woltemade<br />

vor e<strong>in</strong>er Schulklasse, <strong>die</strong>ser sei »zu 15 Jahren Konzentrationslager verurteilt« worden (BORGMANN 1996, S.<br />

18 (Herv. d. Verf.); zu Woltemade siehe auch Kap. 4.3.1.1 Anm. 91 und Kap. 5.1.2.5.1 Anm. 413).<br />

51 Z. B.: Roderich P., Wien, an Lagerverw. Pbg., 31.01.1955, StA OS, Rep. 947 L<strong>in</strong> I Nr. 254 Bearb.-Nr. 335;<br />

WASt an Vd. d. Strafanstalten Emsland, L<strong>in</strong>gen (bzgl. Gustav Hapke), 28.02.1966, StA OS, ebd. Nr. 237 Bearb.-Nr.<br />

625 (zu Hapke siehe auch Kap. 4.3.3); LVA Baden, Außenst. Heidelberg, an Lagerverw. Emsland,<br />

Pbg. (bzgl. Hermann R.), 17.02.1950, StA OS, ebd. Nr. 259 Bearb.-Nr. 283 (zu R. siehe auch Kap. 5.1.2.4.2).

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