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Ziviler Strafvollzug für die Wehrmacht. Militärgerichtlich Verurteilte in ...

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5.1.2.4 Die größten Außenkommandos<br />

5.1.2.4.1 „Lager Nord“<br />

Auf e<strong>in</strong>en Führerbefehl vom Mai 1942 soll <strong>die</strong> Bildung der „Strafgefangenenlager Nord“ zurückgehen.<br />

316 Um <strong>die</strong> Organisation Todt (OT) und ihre „E<strong>in</strong>satzgruppe Wik<strong>in</strong>g“ <strong>in</strong> Norwegen zu unterstützen,<br />

wurden etwa 2.000 ELL-Gefangene – <strong>in</strong> der großen Mehrzahl <strong>Militärgerichtlich</strong> <strong>Verurteilte</strong> – <strong>in</strong><br />

den SGL II, III und VII (wahrsche<strong>in</strong>lich auch im SGL IV) ausgesucht und mit zwei Transporten im<br />

August und September 1942 nach Nordnorwegen geschickt. 317 Horst SCHLUCKNER berichtet, wie er<br />

von <strong>die</strong>sem E<strong>in</strong>satz erfuhr:<br />

»An e<strong>in</strong>em der ersten Augustabende 1942 stehen <strong>die</strong> Kameraden von der Frühschicht im Karree<br />

angetreten, als wir uns durchs Tor schleppen. Knüppelschläge treiben uns dazu. Wir klammern<br />

uns ane<strong>in</strong>ander, um nicht zusammenzubrechen. Schwarz schwimmt es vor den Augen. Da schneidet<br />

e<strong>in</strong>e kalte, glasklare Stimme an me<strong>in</strong> Ohr. Nicht zu überhören:<br />

„… Sie können <strong>in</strong> Norwegen unter besseren Bed<strong>in</strong>gungen arbeiten als hier. Die Verpflegung ist<br />

Frontverpflegung. Gearbeit[et] wird entsprechend den Bedürfnissen der militärischen Dienststellen.<br />

Essen Sie jetzt Ihr Abendbrot, überlegen Sie sich <strong>die</strong> Sache, und kommen Sie dann zu mir<br />

nach der Verwaltungsbaracke.“« 318<br />

In Güterwaggons wurden <strong>die</strong> Häftl<strong>in</strong>ge von Papenburg nach Stett<strong>in</strong> gebracht. Auf beiden Transporten<br />

wird von unvorstellbaren Zuständen berichtet – sowohl auf dem Frachter „Wollsum“, der am 13.<br />

315 KAPPELHOFF 1986, S. 443. – Zur Gemüseverarbeitung im Lager siehe Kap. 5.1.2.6.3.<br />

316 SUHR – Emslandlager 1985, S. 170.<br />

317 Angeblich bestand der erste Transport im August 1942 aus 600 Gef. d. SGL VII, 200 aus SGL II und 300 aus<br />

SGL III, <strong>in</strong>sgesamt also 1.100 Gef., während der zweite Transport im September 1942 sich aus 500 Esterweger<br />

Häftl<strong>in</strong>gen und erneut 200 Aschendorfermoorer und 300 Brual-Rheder Gef. zusammengesetzt habe (Ber.<br />

Wilhelm Sonnack, Erich Löb, Friedrich Schulz, Werner Schumann, Adolf Weißenböck und Erich Striepl<strong>in</strong>g<br />

o. J., auszugsweise abgedruckt bei HOFFMANN 1988, S. 178 - 185, hier S. 178 u. 182f. [Namen d. Autoren d.<br />

Ber. dort nicht angegeben; Rekonstruktion durch KLAUSCH (Bewährungstruppe 1995, S. 472 Anm. 80) bzw.<br />

PERK (1979, S. 104)]).<br />

Die ELL-Akten bestätigen <strong>die</strong>se Zahlen – zum<strong>in</strong>dest was SGL VII angeht – nicht: In der Akte Rep. 947 L<strong>in</strong><br />

I Nr. 718 des StA OS liegen Listen vor, <strong>in</strong> denen <strong>die</strong> Namen der jeweils 400 (und nicht 500 oder 600) aus Esterwegen<br />

zu den Kdos. „Wik<strong>in</strong>g I“ und „Wik<strong>in</strong>g II“ entsandten Gef. stehen. – KOSTHORST/WALTER (KW<br />

1985, S. 153) zufolge waren auch Häftl<strong>in</strong>ge des SGL IV Walchum am Kdo. Nord beteiligt; auch SUHR (Emslandlager<br />

1985, S. 171f.) spricht von »vom Wik<strong>in</strong>g-E<strong>in</strong>satz zurückgemeldeten, nicht mehr e<strong>in</strong>satzfähigen<br />

Strafgefangenen des Lagers IV«.<br />

In der „Bestandsaufnahme der britischen Militärbehörden…“ von 1946 (wie Anm. 296, S. 1973) heißt es,<br />

auch Insassen des SGL I seien nach Norwegen geschickt worden; hierbei handelt es sich jedoch wahrsche<strong>in</strong>lich<br />

um e<strong>in</strong>en Irrtum, da nirgendwo sonst <strong>die</strong> Rede von e<strong>in</strong>er Beteiligung Börgermoorer Gef. ist.<br />

Da dem Vernehmen nach praktisch nur körperlich leistungsfähige Häftl<strong>in</strong>ge zum „Lager Nord“ geschickt<br />

wurden, sank zwischenzeitlich <strong>die</strong> Zahl der nach Torgau zur „Überprüfung“ ihrer Eignung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Bewährungstruppe<br />

500 verlegten Gef. deutlich (KLAUSCH, ebd., S. 94f.).<br />

318 SCHLUCKNER 1990, S. 18. – Zu Schluckner siehe auch Kap. 4.3.4. – Es ist nicht klar, ob sich <strong>die</strong> Gef. tatsächlich<br />

freiwillig zu <strong>die</strong>sem Kdo. melden konnten – wie der auch aus d. SGL VII nach Norwegen überführte<br />

Wolfgang K. schreibt (Wolfgang K., Abentheuerhütte, an Landratsamt Pbg., 22.03.1946, StA OS, ebd. Nr.<br />

261 Bearb.-Nr. 16) – oder sie nicht vielmehr zu <strong>die</strong>sem E<strong>in</strong>satz e<strong>in</strong>geteilt wurden, ohne gefragt zu werden,<br />

wie Schulze (Int. 1993, zit. n. KLAUSCH, ebd., S. 96 - 99, hier S. 96) und HOFFMANN (1988, S. 50) berichten.<br />

An <strong>die</strong> Ansprache des (Ober-)Regierungsrats Schlager, der bisher der Beauftragte des Reichsm<strong>in</strong>isters der<br />

Justiz <strong>für</strong> <strong>die</strong> Strafgefangenenlager im Emsland war und nun Vorsteher bzw. Kommandeur der SGL Nord<br />

wurde, und se<strong>in</strong>e vollmundige Beteuerung, »jeder von euch, der se<strong>in</strong>e Arbeit [<strong>in</strong> Norwegen] macht und sich<br />

nichts zu Schulden kommen lässt, ist <strong>in</strong> drei Monaten wieder Soldat, und alles ist vergessen«, er<strong>in</strong>nert sich<br />

auch Albert Göbel (Ber. o. D.). – HOFFMANN (1988, S. 51) und Gerhard Vogel (HACKE 1992) wollen erst<br />

während der Überfahrt erfahren haben, dass das Ziel des E<strong>in</strong>satzes Norwegen se<strong>in</strong> sollte.

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