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Ziviler Strafvollzug für die Wehrmacht. Militärgerichtlich Verurteilte in ...

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- 236 -<br />

In der letzten Periode des ELL-Arbeitse<strong>in</strong>satzes 287 hatte <strong>die</strong> Rüstungs<strong>in</strong>dustrie unbed<strong>in</strong>gte Priorität.<br />

E<strong>in</strong> deutliches Indiz da<strong>für</strong> ist, dass im Zusammenhang der Verlegung als „gefährlich“ bewerteter Häftl<strong>in</strong>ge<br />

aus dem Emsland 288 nur den Unternehmen der Kriegsfabrikation zugestanden wird, »alsbald Ersatz<br />

e<strong>in</strong>zuarbeiten, damit <strong>die</strong> Produktion nicht <strong>in</strong>s Stocken gerät« – ausdrücklich genannt werden hier<br />

<strong>die</strong> Firmen Höveler & Dieckhaus, Klatte (siehe unten) und Bruns. 289 Ebenso belegt <strong>die</strong> oben bereits<br />

angeführte 1944 erwägte Umwandlung der ELL <strong>in</strong> KZs im Dienste der Rüstungsproduktion <strong>die</strong>se Vorrangstellung.<br />

Es waren jedoch nicht nur e<strong>in</strong>heimische Rüstungsbetriebe, <strong>die</strong> Strafgefangene <strong>für</strong> sich arbeiten ließen;<br />

auch Unternehmen von außerhalb der Region verlegten Teile ihrer Produktion <strong>in</strong>s Emsland, um<br />

den Faktor der preisgünstigen Gefangenenarbeit zu nutzen. Die Verschiebung <strong>in</strong> der KZ-Häftl<strong>in</strong>gsbeschäftigung<br />

ab ca. 1942 h<strong>in</strong> zur Produktion <strong>in</strong> dem KZ benachbarten Zweigwerken <strong>in</strong>dustrieller Großbetriebe<br />

290 ist auch <strong>für</strong> <strong>die</strong> ELL an zwei Beispielen belegbar: Schon im Jahre 1940 beabsichtigte <strong>die</strong><br />

Masch<strong>in</strong>en- und Fahrzeugfabrik F. Stille aus Münster <strong>die</strong> Errichtung e<strong>in</strong>er Fertigungsstätte, <strong>in</strong> der<br />

»Heeresfahrzeuge« gebaut werden sollten, <strong>für</strong> 70 Gefangenenarbeitskräfte – wiederum möglichst ausgebildete<br />

Metallarbeiter – im SGL Börgermoor. Zu <strong>die</strong>sem Zweck sollten sechs Baracken des Lagers<br />

geräumt und <strong>die</strong> dort bis dah<strong>in</strong> untergebrachten Häftl<strong>in</strong>ge <strong>in</strong>s SGL III Brual-Rhede verlegt werden. 291<br />

Da <strong>die</strong>ses Projekt nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zigen Schreiben – und auch nur als <strong>in</strong>ten<strong>die</strong>rt – erwähnt wird, ist davon<br />

auszugehen, dass der Zweigbetrieb aus unbekannten Gründen nicht e<strong>in</strong>gerichtet worden ist.<br />

Nicht im Lager, sondern etwa 300 m „vor Draht“ auf dem früheren Lagersportplatz Esterwegens<br />

richtete <strong>die</strong> Fa. Theodor Klatte aus Bremen-Hucht<strong>in</strong>g ihre Fabrik e<strong>in</strong>, <strong>die</strong> im Herbst 1943 gebaut und<br />

mit Stacheldraht umgeben wurde. 292 Im Dezember nahm das Werk, das Flugzeugteile (Abgasgeräte)<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Bayerischen Motorenwerke und höchstwahrsche<strong>in</strong>lich auch Segmente der V1- und V2-Raketen<br />

produzierte, den Betrieb auf; 700 Gefangene sollten dort arbeiten. 293 Kurze Zeit später eröffnete Klatte<br />

e<strong>in</strong>e weitere Produktionsstätte beim Lager Brual-Rhede. Bereits im Januar 1944 bemängelte das Gewerbeaufsichtsamt<br />

Emden:<br />

»Es wurde mitgeteilt, dass <strong>in</strong> ihrem Betrieb im Strafgefangenenlager III Brual e<strong>in</strong>e erhebliche<br />

Zahl von Lungenerkrankungen zu verzeichnen ist. Diese Erkrankung wird ärztlicherseits hauptsächlich<br />

auf <strong>die</strong> unzureichende Be- und Entlüftung der Arbeitstelle zurückgeführt. [...] Erschwerend<br />

<strong>für</strong> e<strong>in</strong>e wirksame Entlüftung des Arbeitsraumes tritt noch h<strong>in</strong>zu, dass <strong>die</strong> zu verarbeitenden<br />

Eisenbleche mit e<strong>in</strong>er Ölschicht behaftet s<strong>in</strong>d, <strong>die</strong> beim Erhitzen der Bleche mitverbrennt und erhebliche<br />

Dämpfe entwickelt. Ich ersuche Sie daher, den von Ihnen angeblich bereits geplanten<br />

E<strong>in</strong>bau e<strong>in</strong>er Exhaustoranlage unverzüglich vorzunehmen und bis dah<strong>in</strong> da<strong>für</strong> Sorge zu tragen,<br />

287 Siehe Kap. 5.1.1.<br />

288 Es geht hierbei um den „SS-Fall“ und <strong>die</strong> damit verbundenen Maßnahmen; siehe Kap. 5.1.1 und 5.1.2.1.4.<br />

289 KdSGL an Vh. SGL I - V u. VII, 12.05.1944, zit. n. KW 1983, Dok. C IIa/1.99, S. 1410f.<br />

290 Hier sei z. B. an <strong>die</strong> Betriebe <strong>in</strong> Auschwitz-Monowitz und <strong>die</strong> unterirdische Raketenproduktion im KZ Dora-<br />

Mittelbau er<strong>in</strong>nert (PINGEL 1981, S. 160f.; P. KAISER 1975, S. 562f.).<br />

291 KdSGL an WWA Meppen, 02.08.1940, StA OS, Rep. 675 Mep Nr. 315.<br />

292 SUHR – Emslandlager 1985, S. 220; Int. Woltemade 1996. – Bereits Ende Juli 1943 stand das Vorhaben des<br />

Gef.-E<strong>in</strong>satzes <strong>für</strong> Fa. Klatte fest (KdSGL an SGL IV, 26.07.1943, StA OS, Rep. 947 L<strong>in</strong> I Nr. 809). – Ende<br />

September 1943 wurde erstmals <strong>die</strong> Benutzung e<strong>in</strong>er Feldbahnstrecke bei Esterwegen durch <strong>die</strong> Firma erwähnt<br />

(Vh. SGL VII an KdSGL, 29.09.1943, StA OS, ebd. Nr. 814). – E<strong>in</strong>e undatierte Aktennotiz (Okt./Nov.<br />

1943 (wie Anm. 258)) führt Klatte bereits mit 112 Gef. auf, <strong>die</strong> wahrsche<strong>in</strong>lich bei Aufbau und E<strong>in</strong>richtung<br />

des Betriebes helfen mussten.<br />

293 SUHR, ebd.; Woltemade, ebd.; Vh. SGL VII an KdSGL, 09.11.1943, StA OS, ebd. Nr. 814.

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