18.11.2012 Aufrufe

Ziviler Strafvollzug für die Wehrmacht. Militärgerichtlich Verurteilte in ...

Ziviler Strafvollzug für die Wehrmacht. Militärgerichtlich Verurteilte in ...

Ziviler Strafvollzug für die Wehrmacht. Militärgerichtlich Verurteilte in ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

- 118 -<br />

terreichs an das Deutsche Reich 1938 wurde e<strong>in</strong> „Gesetz zur Wiedere<strong>in</strong>führung des Berufsbeamtentums“<br />

erlassen, aufgrund dessen Komleitner – offenbar als ‚politisch unerwünscht‘, da er früher der<br />

Vaterländischen Front angehört hatte – aus dem Polizei<strong>die</strong>nst entlassen wurde. Er wurde nun als selbständiger<br />

Vertreter im Buchhandel tätig. Schon <strong>in</strong> den ersten Kriegstagen meldete er sich freiwillig zur<br />

<strong>Wehrmacht</strong> und wurde im Januar 1940 e<strong>in</strong>gezogen. 282 1941/42 gehörte er der Frontleitstelle 87 <strong>in</strong> Bukarest<br />

an. Dort soll er »nach und nach etwa 14 Uhren verschiedener Art aufgekauft [haben] mit der<br />

Absicht, <strong>die</strong>se später mit Gew<strong>in</strong>n wieder veräußern zu können«. Als er nach Dnjepropetrowsk versetzt<br />

wurde, verkaufte er <strong>die</strong> Uhren um <strong>die</strong> Jahreswende 1942/43 mit erheblichen Gew<strong>in</strong>nspannen an sowjetische<br />

Zivilisten – e<strong>in</strong>en Wecker und e<strong>in</strong>e Armbanduhr, <strong>die</strong> er <strong>für</strong> 60 bis 65 RM kaufte, will er <strong>für</strong> 500<br />

RM wieder verkauft haben. Er machte sich also nach Me<strong>in</strong>ung des Gerichts »<strong>die</strong> überaus starken Mangelersche<strong>in</strong>ungen<br />

der Uhrenwirtschaftslage <strong>in</strong> Russland und <strong>die</strong> daraus entspr<strong>in</strong>gende Notlage der e<strong>in</strong>zelnen<br />

Käufer zu Nutze«; 283 <strong>die</strong> immensen Preisdifferenzen führten zu der Verurteilung wegen Sachwuchers.<br />

Den Tatbestand des fortgesetzten Ungehorsams begründeten <strong>die</strong> Richter folgendermaßen:<br />

»Da über<strong>die</strong>s jeder Kauf und Verkauf von Gegenständen seitens der Soldaten an <strong>die</strong> Zivilpersonen<br />

verboten ist, der Angeklagte <strong>die</strong>s[es] Verbot auch gekannt hat, hat <strong>die</strong>ser e<strong>in</strong>en Befehl <strong>in</strong><br />

Dienstsachen fortgesetzt nicht befolgt und alle<strong>in</strong> durch <strong>die</strong> Tatsache der <strong>in</strong> dem Verhalten des<br />

Angeklagten liegenden erheblichen Gefährdung der Manneszucht und der Schädigung des Ansehens<br />

der <strong>Wehrmacht</strong> e<strong>in</strong>e Gefahr <strong>für</strong> <strong>die</strong> Schlagfertigkeit der Truppe herbeigeführt. Vergehen<br />

strafbar nach § 92 MStGB.« Straferschwerend berücksichtigte das Gericht, »dass der Angeklagte<br />

se<strong>in</strong>e günstige Dienststellung <strong>in</strong> der Frontleitstelle zu e<strong>in</strong>er Kette von Schiebergeschäften ausgenutzt<br />

und <strong>in</strong> skrupelloser Weise aus eigensüchtigen Beweggründen <strong>die</strong> vom Standpunkt e<strong>in</strong>er gesunden<br />

Wirtschaftslage unerwünschten Verhältnisse des schwarzen Gewerbes begünstigt hat«.<br />

Zugute hielt ihm das Gericht lediglich, dass er gerichtlich bisher nicht vorbestraft und im Dienst se<strong>in</strong>en<br />

Verpflichtungen stets nachgekommen sei. Das Strafmaß lautete e<strong>in</strong> Jahr Gefängnis, 1.000 RM<br />

Geldstrafe sowie – offenkundig aufgrund des „ehrlosen Charakters“ se<strong>in</strong>er Taten – zwei Jahre Verlust<br />

der bürgerlichen Ehrenrechte. 284 Komleitner fiel somit unter § 1 Abs. 1 Satz 1 der „Verordnung über<br />

<strong>die</strong> Vollstreckung von Freiheitsstrafen wegen e<strong>in</strong>er während des Krieges begangenen Tat“ vom 11.06.<br />

1940, wonach nicht nur mit Zuchthaus-, sondern auch mit Gefängnisstrafen plus Ehrverlust (bzw.<br />

Wehrunwürdigkeit) belegte Gefangene ihre Strafen erst nach Kriegsende verbüßen sollten. Weiter waren<br />

kraft <strong>die</strong>ses Urteils <strong>die</strong> ELL <strong>für</strong> ihn <strong>die</strong> zuständige <strong>Strafvollzug</strong>sanstalt. 285<br />

Am 25.07.1943 traf Komleitner im SGL II Aschendorfermoor e<strong>in</strong>. Dort fiel er laut se<strong>in</strong>er Personalakte<br />

schon wenige Tage später bei e<strong>in</strong>em »Gesundheitsappell« wegen »Unsauberkeit« auf; im Rahmen<br />

e<strong>in</strong>es »Hausstrafverfahren[s]« wurden ihm fünf Tage e<strong>in</strong>facher Arrest auferlegt. 286 Am 7. September<br />

1943 wurde er aus unbekannten Gründen <strong>in</strong>s SGL I Börgermoor verlegt; von dort wurde er – nach<br />

mehrmaliger Term<strong>in</strong>verschiebung, weil <strong>die</strong> Bahnstrecke gesperrt war bzw. der Gefangenenwagen<br />

282<br />

Lebenslauf v. Erw<strong>in</strong> Komleitner, geschrieben im SGL II, 25.07.1943, StA OS, Rep. 947 L<strong>in</strong> II Nr. 3647; Urteil<br />

d. Ger. Höherer Kommandeur d. Nachschubtruppen 3, Dnjepropetrowsk (St. L. I Nr. 130/43) gegen Erw<strong>in</strong><br />

Komleitner, 25.05.1943, StA OS, ebd.<br />

283<br />

Urteil gegen Komleitner, 25.03.1943 (Ebd.).<br />

284<br />

Ebd.<br />

285<br />

Siehe auch Kap. 2.2 und 3.3.<br />

286<br />

Aufnahmebogen d. SGL II zu Erw<strong>in</strong> Komleitner (Gef.-Nr. 580/43), 25.07.1943, StA OS, Rep. 947 L<strong>in</strong> II Nr.<br />

3647; Hausstrafverfahren d. SGL II gegen Erw<strong>in</strong> Komleitner, 07.08.1943, StA OS, ebd.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!