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Ziviler Strafvollzug für die Wehrmacht. Militärgerichtlich Verurteilte in ...

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- 188 -<br />

4.4.4 ‚Rückkehrer‘ aus Torgau und von den Bewährungsbataillonen<br />

War e<strong>in</strong> Insasse der emsländischen SGL <strong>in</strong>s <strong>Wehrmacht</strong>gefängnis Torgau-Fort Z<strong>in</strong>na zur „Überprüfung<br />

se<strong>in</strong>er Eignung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Bewährungstruppe“ überstellt worden, 112 so bedeutete <strong>die</strong>s noch lange<br />

nicht, dass er den ELL damit endgültig entkommen war. Während der <strong>in</strong> Torgau vorgenommenen<br />

Ausbildung der ehemaligen Moorsoldaten wurden strenge Maßstäbe angelegt, um zu entscheiden, ob<br />

der E<strong>in</strong>zelne zur Bewährungstruppe versetzt werden konnte oder nicht. Bei abschlägiger Beurteilung<br />

wurde der Häftl<strong>in</strong>g <strong>in</strong>s Emsland zurückgeschickt. Hans-Peter KLAUSCH gewann bei der Durchsicht<br />

von Bewertungsberichten ehemaliger ELL-Insassen<br />

»den E<strong>in</strong>druck, dass e<strong>in</strong>e gewisse geistige Beschränktheit oder auch nach wie vor beobachtete<br />

„charakterliche Mängel“ durch Muskelkraft und „Draufgängertum“ <strong>in</strong> mancherlei Weise kompensiert<br />

werden konnten, während das <strong>in</strong> umgekehrter H<strong>in</strong>sicht kaum möglich war. Oftmals führten<br />

alle<strong>in</strong> körperliche Ungewandtheit oder e<strong>in</strong>e schwächliche physische Konstitution zu e<strong>in</strong>er<br />

„vernichtenden“ Beurteilung und damit zur Rückführung <strong>in</strong>s Moor.« 113<br />

Um zu verh<strong>in</strong>dern, dass <strong>die</strong> „körperliche Unfähigkeit“ von Häftl<strong>in</strong>gen trotz <strong>die</strong>sen zugeschriebenen<br />

„Bewährungswillens“ allzu häufig Rückführungen aus Torgau nach sich zog, wies der Kommandeur<br />

der ELL <strong>die</strong> Lagervorsteher im April 1944 an,<br />

»im Interesse der <strong>Wehrmacht</strong> <strong>in</strong> Zukunft versuchsweise <strong>die</strong> Gefangenen, bei denen körperliche<br />

Schwäche vorliegt, von dem Tage des Bekanntwerdens der Überweisung nach Torgau bzw. zur<br />

Sonderformation nach Möglichkeit nur mit leichten Arbeiten im Lager zu beschäftigen und sie<br />

bei der Nachgabe [Essens-„Nachschlag“] zu berücksichtigen, um sie auch körperlich <strong>für</strong> den militärischen<br />

Dienst zu festigen«. 114<br />

„Vernichtend“ war <strong>für</strong> <strong>die</strong> Betroffenen sicherlich <strong>die</strong> Perspektive, aus Torgau wieder <strong>in</strong> <strong>die</strong> „Hölle<br />

im Moor“ – so der Spitzname von Esterwegen – oder e<strong>in</strong>es der anderen Lager zurückzumüssen.<br />

KLAUSCH zufolge wurden 1941 etwa 23 % der Prüfl<strong>in</strong>ge wieder <strong>in</strong> <strong>die</strong> ELL zurückgeschickt; 1942<br />

waren es nur noch knapp neun Prozent. 115 Ob bei Rückkehr <strong>in</strong>s Emsland damit e<strong>in</strong>e Bestrafung wie z.<br />

B. <strong>die</strong> Aufnahme <strong>in</strong> <strong>die</strong> Strafkompanie verbunden wurde, ist nicht bekannt.<br />

E<strong>in</strong> Beispiel <strong>für</strong> e<strong>in</strong>en <strong>in</strong> Torgau abschlägig beschiedenen Moorsoldaten ist Josef W., geboren am<br />

10.04.1897 <strong>in</strong> München. Der gelernte Bauschlosser wurde noch vor Kriegsbeg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>gezogen und<br />

kam zu e<strong>in</strong>er Pionier-E<strong>in</strong>heit. Von se<strong>in</strong>em Kameraden R. wurde er am 01.09.1939 denunziert; R. gab<br />

Folgendes zu Protokoll:<br />

»Ohne besondere Veranlassung machte <strong>die</strong>ser über unseren Führer folgende Äußerungen: Der<br />

Führer sei der größte Faulenzer; er hätte überhaupt noch nichts gearbeitet. Der Lump und Bazi,<br />

und weil <strong>die</strong> Politiker Lumpen se<strong>in</strong> müssen, ist er auch e<strong>in</strong>er geworden. Der Malerwaschl, auf der<br />

Autobahn hat er sich nicht sehen lassen, ich hätte es ihm <strong>in</strong>s Gesicht gesagt, ich b<strong>in</strong> Kommunist<br />

und bleibe auch e<strong>in</strong> solcher. Ich will ke<strong>in</strong>en Krieg, denn <strong>die</strong> Lumpen, <strong>die</strong> ihn anfangen, <strong>die</strong> ho<br />

112<br />

Näheres dazu siehe Kap. 4.2.3.<br />

113<br />

KLAUSCH – Bewährungstruppe 1995, S. 111.<br />

114<br />

KdSGL an Vh. SGL I - V u. VII, 21.04.1944, StA OS, Rep. 947 L<strong>in</strong> I Nr. 800; vgl. auch KLAUSCH, ebd., S.<br />

116.<br />

115<br />

KLAUSCH, ebd., S. 115f. – KLAUSCH nimmt an, dass <strong>die</strong> 1942 deutlich gesunkene Quote der <strong>in</strong>s Emsland Zurückgeschickten<br />

mit dem »gewaltige[n] Aderlass der Deutschen <strong>Wehrmacht</strong> im W<strong>in</strong>terhalbjahr 1941/42« zusammenhängt;<br />

e<strong>in</strong> niedrigeres Anlegen der ‚Bewertungslatte‘ sei somit zwangsläufig notwendig gewesen. Für<br />

<strong>die</strong> zwei folgenden Jahre vermutet er, dass der »Anteil der abgelehnten „Bewährungsschützen <strong>in</strong> spe“ eher<br />

noch weiter gesunken« se<strong>in</strong> dürfte (Ebd.).

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