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Ziviler Strafvollzug für die Wehrmacht. Militärgerichtlich Verurteilte in ...

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- 275 -<br />

gung. 552 Dem Vorsteher des SGL I, Verwaltungsober<strong>in</strong>spektor Müller, zufolge waren <strong>für</strong> den Sortierbetrieb<br />

»600 schonungsbedürftige und jugendliche Gefangene« vorgesehen. 553<br />

»Der Sortierbetrieb, zunächst als Füllarbeit <strong>für</strong> <strong>die</strong> W<strong>in</strong>termonate gedacht, hat sich <strong>für</strong> <strong>die</strong> Beschäftigung<br />

der Gefangenen, <strong>die</strong> nur mit Innenarbeit beschäftigt werden sollen, als durchaus geeignet<br />

erwiesen. Wenn auch e<strong>in</strong>e längere Übung und Anlernung erforderlich ist, so ist er <strong>für</strong> junge<br />

Gefangene deshalb erwünscht, als er bei der Arbeit auch ihren Geist beschäftigt, sie über e<strong>in</strong>stige<br />

Herkunft und Verwendung der Altstoffe, ihre Fertigungsart usw. nachdenken lässt. Er bietet<br />

auch e<strong>in</strong>e gewisse Willensschulung. Die jungen Gefangenen, z. T. noch spielerisch veranlagt,<br />

müssen sich bezähmen lernen. Viele kle<strong>in</strong>e Gebrauchsgegenstände wie Uhren, Feuerzeuge, automatische<br />

Spielsachen usw. br<strong>in</strong>gen sie <strong>in</strong> Versuchung, sich <strong>die</strong>se Gegenstände – evtl. als Tauschobjekt<br />

– anzueignen. Sie lernen nun, standhaft zu bleiben. Die Forderung e<strong>in</strong>es bestimmten Arbeitsmaßes<br />

zw<strong>in</strong>gt zu fleißiger Arbeit. Auch auf <strong>die</strong> älteren schonungsbedürftigen Gefangenen<br />

wirkt <strong>die</strong> Arbeit erzieherisch. Die Beibehaltung des Betriebes zur Gew<strong>in</strong>nung verknappter Metalle<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Kriegswirtschaft ist von besonderer Bedeutung. E<strong>in</strong>er gewissen Staubentwicklung wird<br />

durch zweimaliges Baden <strong>in</strong> der Woche begegnet.« 554<br />

Mit der Realität <strong>in</strong> der Sortierbaracke hatten <strong>die</strong> pädagogischen Erwägungen des Lagervorstehers<br />

allerd<strong>in</strong>gs wenig geme<strong>in</strong>sam. Wolfgang Dietrich berichtet, er habe an se<strong>in</strong>em ersten Tag beim Sortieren,<br />

da ihm <strong>die</strong> anderen Häftl<strong>in</strong>ge zuvorgekommen waren, <strong>die</strong> größte Wanne bekommen, <strong>in</strong> <strong>die</strong> das zu<br />

trennende Material gefüllt wurde. Pro Tag musste <strong>die</strong> Füllung von 20 Wannen sortiert werden, egal<br />

wie groß der Behälter war; er habe nun doppelt so viel zu tun gehabt wie der Mitgefangene, dem es<br />

gelang, <strong>die</strong> kle<strong>in</strong>ste Wanne zu ergattern. Nur dem, der das Maß erreicht hatte, sei das Abendessen zugebilligt<br />

worden. 555 FRESE beschreibt e<strong>in</strong>e noch umfangreichere Bestrafung:<br />

»Wehe dem, der se<strong>in</strong> Pensum nicht schafft! [...] Schläge, ke<strong>in</strong> Essen, „Sport“, das ist das täglich<br />

Los. [...] Viele können das Arbeitspensum nicht erfüllen. Häufig liegt das auch an dem Gefangenen,<br />

der uns mit Arbeitsmaterial zu versehen hat. Er gibt absichtlich e<strong>in</strong> schlechtes Material, wor<strong>in</strong><br />

viel Staub und Schmutz enthalten ist. [...] Man hat noch Glück, wenn es nur dabei [bei Schlägen<br />

durch den Wachtmeister] bleibt. Gewöhnlich wird man noch auf der Platzmeisterei gemeldet,<br />

und dann geht es erst richtig los.« 556<br />

Da er das Arbeitsmaß mehrfach nicht habe schaffen können, sei er schließlich <strong>in</strong> <strong>die</strong> ge<strong>für</strong>chtete<br />

„Baracke 13“ verlegt worden – e<strong>in</strong>e Strafbaracke, <strong>die</strong> es nur im SGL I gab. 557 Hans Drozd berichtet, <strong>in</strong><br />

Börgermoor seien 1943 auch »E<strong>in</strong>kaufstaschen aus farbigem Bast« hergestellt worden. »Man musste<br />

50 m Bastflechten (Pensum), und da gab’s viele Schläge, weil nur wenige das Pensum erreichten.« 558<br />

552<br />

Frühbericht d. SGL I, 20.05.1944, zit. n. PERK 1979, S. 101.<br />

553<br />

Vh. SGL I an KdSGL, 03.04.1943, StA OS, Rep. 947 L<strong>in</strong> I Nr. 663. – Zu Müller vgl. auch FRESE 1989, S. 72<br />

Anm. 29.<br />

554<br />

Vh. SGL I an KdSGL, 21.04.1943, StA OS, ebd. (Herv. d. Verf.).<br />

555<br />

Int. Dietrich 1991. – FRESE (1989, S. 69f.) bestätigt das „Pensum“ von 20 Wannen Altmaterial. – Der Börgermoorer<br />

Lagervorsteher nennt als Tagesleistung pro Gef. 15 kg sortiertes Material (Vh. SGL I an KdSGL, 21.<br />

04.1943 (ebd.)).<br />

556<br />

FRESE, ebd.<br />

557<br />

Ebd., S. 73f. – Die „Erziehungsbaracke“, <strong>die</strong> vom Vorgänger Müllers, Wilhelm Rohde, zwischen 1938 und<br />

1941 e<strong>in</strong>gerichtet wurde, war »praktisch e<strong>in</strong>e Art gemilderter Arrest« (Urteil d. Landger. Berl<strong>in</strong> gegen d. Vh.<br />

SGL I, Wilhelm Rohde, 21.02.1950, zit. n. KW 1983, Dok. C III a/2.03, S. 2078 - 2165, hier S. 2144).<br />

558<br />

Hans Drozd an DIZ, Pbg., 06.05.1991, DIZ-Archiv, Akte dess. (Herv. d. Verf.).

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