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Ziviler Strafvollzug für die Wehrmacht. Militärgerichtlich Verurteilte in ...

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- 125 -<br />

auf „unmilitärisches Benehmen“, zwei gegenüber Vorgesetzten, zurückzuführen waren, bezeichnete es<br />

das ‚Führungszeugnis‘ des Kommandanten Hapkes als »offenbar unzutreffend«.<br />

Es sche<strong>in</strong>t den Richtern – möglicherweise aus Gründen der Truppendiszipl<strong>in</strong> – sehr wichtig gewesen<br />

zu se<strong>in</strong>, beide Angeklagten zur gleichen Strafdauer zu verurteilen. Die da<strong>für</strong> angewandte Gewichtung<br />

ersche<strong>in</strong>t allerd<strong>in</strong>gs stark an den Haaren herbeigezogen: So wurde im Gerichtsverfahren deutlich,<br />

dass St. nicht nur »aktiver geworden« ist als Hapke, sodern se<strong>in</strong>e deutlich größere Körperkraft gegenüber<br />

dem körperlich schwachen Bootsmaat sogar »besonders roh« e<strong>in</strong>setzte. Dies wurde nach Ansicht<br />

des Gerichts jedoch dadurch aufgewogen, dass St. »gegenüber Hapke der bessere Soldat« gewesen sei.<br />

Auf e<strong>in</strong>e höhere Strafe als <strong>die</strong> ausgesprochenen drei Jahre Zuchthaus sei verzichtet worden, da sich<br />

beide »im E<strong>in</strong>satz bewährt« hätten. 321<br />

Das Urteil wurde fünfe<strong>in</strong>halb Wochen später <strong>in</strong> vollem Umfang bestätigt; 322 Hapke und St. wurden<br />

zusammen von Pillau zunächst <strong>in</strong> <strong>die</strong> Haftanstalt Allenste<strong>in</strong>, dann <strong>in</strong>s Zuchthaus Wartenburg – alles <strong>in</strong><br />

Ostpreußen gelegen – verlegt; 323 von dort gelangten beide <strong>in</strong> <strong>die</strong> ELL. Gustav Hapke traf am 12.03.<br />

1944 im SGL I Börgermoor e<strong>in</strong>, Willi St. e<strong>in</strong>en Tag zuvor im SGL IV Walchum; 324 er überstand <strong>die</strong><br />

Lagerhaft nicht lange. Schon am 21.04.1944, sechs Wochen nach se<strong>in</strong>er Ankunft <strong>in</strong> Walchum, verstarb<br />

er im Revier des Lagers; als Todesursache wurde »Herz- u[nd]. Kreislaufschwäche <strong>in</strong>folge Magen-<br />

und Darmkatarrh« angegeben. 325<br />

Gustav Hapke hatte mehr Glück; er gibt an, er habe zunächst beim „Kuhlkommando“ mitarbeiten<br />

müssen, ehe er über landwirtschaftliche Tätigkeiten zum »Beerdigungskommando« gelangte – e<strong>in</strong>er<br />

der begehrten „komman<strong>die</strong>rten“ Posten, den er <strong>in</strong>nehatte, bis <strong>die</strong> verbliebenen Lager<strong>in</strong>sassen nach<br />

Aschendorfermoor verlegt wurden. 326 Von „Hauptmann Herold“ wurde er begnadigt und mit anderen<br />

zum „Sturmbataillon Emsland“ <strong>in</strong> Marsch gesetzt. 327 Die Gruppe, der Hapke zugeteilt wurde, kam<br />

noch an der niederländischen Grenze zum E<strong>in</strong>satz, schoss jedoch – wie unter den „Begnadigten“ abgesprochen<br />

– nicht auf <strong>die</strong> anrückenden polnischen E<strong>in</strong>heiten. Hapke kam <strong>in</strong> Gefangenschaft und wurde<br />

321 Urteil gegen Hapke und St., 14.10.1943 (wie Anm. 314).<br />

322 Verfügung d. Gerichtsherrn, Konteradmiral W<strong>in</strong>ther, 20.11.1943, StA OS, Rep. 947 L<strong>in</strong> II Nr. 2455.<br />

323 Aufnahmebogen d. HA Allenste<strong>in</strong> zu Gustav Hapke, 05.01.1944, StA OS, ebd.; Aufnahmebogen ders. HA zu<br />

Willi St., 05.01.1944, StA OS, ebd. Nr. 6912; Aufnahmebogen d. Zh. Wartenburg zu Hapke, 07.01.1944, StA<br />

OS, ebd. Nr. 2455; Aufnahmebogen dess. Zh. zu St., 07.01.1944, StA OS, ebd. Nr. 6912.<br />

324 Aufnahmebogen d. SGL I zu Hapke, 12.03.1944 (wie Anm. 307); Aufnahmebogen d. SGL IV zu Willi St.<br />

(Gef.-Nr. 1620/43), 11.03.1944, StA OS, ebd.<br />

325 Handschriftl. AV o. D. auf Aufnahmebogen d. SGL IV zu Willi St., 11.03.1944 (ebd.). – Ob <strong>die</strong>se Angabe,<br />

<strong>die</strong> sich auch <strong>in</strong> den zahlreichen <strong>in</strong> der Akte archivierten Todesbesche<strong>in</strong>igungen (StA OS, ebd.) f<strong>in</strong>det, den<br />

Tatsachen entsprach, lässt sich heute nicht mehr feststellen. Grundsätzlich ist bei den offiziell genannten Todesursachen<br />

– besonders, wenn Magen- und Darmerkrankungen angegeben werden – Vorsicht geboten, da<br />

hier des Öfteren geschönt wurde, etwa um den E<strong>in</strong>tritt des Todes als Folge von Misshandlungen zu vertuschen<br />

(Vgl. z. B. WÜLLNER 1997, S. 656 - 658). – Wenn man berücksichtigt, dass a) Willi St. <strong>in</strong> der Kriegsgerichtsverhandlung<br />

als großer, starker junger Mann geschildert wurde und b) gerade <strong>die</strong> kräftigen Gefangenen,<br />

<strong>die</strong> harte körperliche Arbeit gewohnt waren, <strong>die</strong> besten Chancen hatten, <strong>die</strong> ELL-Haft durchzustehen<br />

(vgl. auch Kap. 5.1), so mögen Zweifel an der offiziellen Todesursache berechtigt se<strong>in</strong>.<br />

326 Ber. Hapke o. D. – Zur Tätigkeit des „Kuhlens“ siehe Kap. 5.1.2.1.1, zu den Komman<strong>die</strong>rten Kap. 5.1.2.6.1.<br />

327 Ber. Hapke o. D.; vgl. auch WASt an Vd. d. Strafanstalten L<strong>in</strong>gen, 28.02.1966, StA OS, Rep. 947 L<strong>in</strong> I Nr.<br />

237 Bearb.-Nr. 625; FAHLE – Verweigern 1990, S. 199 u. 202. – Zu Herold siehe Kap. 2.3.

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