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Ziviler Strafvollzug für die Wehrmacht. Militärgerichtlich Verurteilte in ...

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- 153 -<br />

wegen Notzucht zu je fünf Jahren Zuchthaus verurteilt wurde. 458 Der Tathergang wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em „Sonderbefehl“<br />

wie folgt geschildert:<br />

»Beide <strong>Verurteilte</strong> entfernten sich unerlaubt vom Rastplatz der Abteilung und begaben sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />

entfernt gelegenes Grundstück, um Eier zu kaufen. Sie ergriffen <strong>die</strong> 19-jährige Haustochter, warfen<br />

sie auf e<strong>in</strong> Bett[,] und während e<strong>in</strong>er der <strong>Verurteilte</strong>n <strong>die</strong> sich heftig Wehrende festhielt und<br />

mit e<strong>in</strong>em Betttuch ihr den Mund zuhielt, übte der andere <strong>Verurteilte</strong> mit ihr den Geschlechtsverkehr<br />

aus. Danach überließ <strong>die</strong>ser das Mädchen dem anderen, welcher gleichfalls mit ihr den Geschlechtsverkehr<br />

ausübte.« 459<br />

Obwohl sich kaum H<strong>in</strong>weise erkennen lassen, <strong>die</strong> gemäß dem Erlass von Brauchitschs (siehe oben)<br />

e<strong>in</strong>e Zuchthausstrafe rechtfertigen – allenfalls <strong>die</strong> geme<strong>in</strong>schaftliche Vergewaltigung ließe sich <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser<br />

H<strong>in</strong>sicht deuten – wurde das Urteil sechzehn Tage später vom Gerichtsherrn <strong>in</strong> vollem Umfang bestätigt<br />

und <strong>die</strong> Vollstreckung angeordnet, d. h., der Beg<strong>in</strong>n der Strafzeit sollte nicht erst nach Kriegsende<br />

liegen, sondern sofort e<strong>in</strong>treten: Die Strafe wäre somit am 25.07.1945 verbüßt gewesen. 460 Am<br />

17.08.1940 trafen beide im SGL VII Esterwegen e<strong>in</strong>. 461 Wilhelm G. wurde am 07.08.1941 <strong>in</strong>s Zuchthaus<br />

Kassel-Wehlheiden verlegt; 462 über se<strong>in</strong> weiteres Schicksal ist nichts bekannt.<br />

Bereits am 22.07.1941 war Alfred D. von Esterwegen aus »zur Weiterverbüßung <strong>in</strong> das Zuchthaus<br />

<strong>in</strong> Siegburg überführt« worden 463 . Von dort aus wurde er <strong>in</strong>s <strong>Wehrmacht</strong>gefängnis Torgau/Fort Z<strong>in</strong>na<br />

gebracht und kurze Zeit darauf <strong>in</strong> <strong>die</strong> Bewährungstruppe 500 e<strong>in</strong>gereiht. 464 Ende Januar 1943 gehörte<br />

er zur 4. Kompanie des Infanteriebataillons 540 z. b. V., <strong>die</strong> daran beteiligt war, <strong>die</strong> strategisch höchst<br />

bedeutenden Ss<strong>in</strong>jaw<strong>in</strong>o-Höhen südöstlich von Len<strong>in</strong>grad zu halten, und dabei enorme Verluste erlitt.<br />

Dort sei Alfred D., der »sich im Bewährungsbat[ai]l[lon]. hervorragend geschlagen […,] sich wiederholt<br />

hervorgetan und Beispielhaftes geleistet« habe, »so schwer verwundet worden, dass se<strong>in</strong>e Wieder<br />

458 Gef.-Karteikarte d. SGL VII zu Alfred D. (Gef.-Nr. 884/40), 17.08.1940, StA OS, Rep. 947 L<strong>in</strong> I Nr. 453;<br />

Gef.-Karteikarte d. SGL VII zu Wilhelm G. (Gef.-Nr. 887/40), 17.08.1940, StA OS, ebd. Nr. 454; Sonderbefehl<br />

d. 251. Inf.-Div., Abt. III, Brest, 21.08.1940, BA-ZNS, Li W 11 - 99; Int. Alfred D. 1988.<br />

459 Sonderbefehl, 21.08.1940 (ebd.).<br />

460 Gnadenliste II d. Armeeoberkdos. 6, Nr. 58/40, BA-ZNS, RH 20 - 6 G 6. – E<strong>in</strong>em Aktenvermerk auf D.s Esterweger<br />

Gef.-Karteikarte v. 17.08.1940 (wie Anm. 458) zufolge g<strong>in</strong>g <strong>die</strong> Vollstreckung der Strafe – sprich<br />

<strong>die</strong> Nichtanwendung der „Nichte<strong>in</strong>rechnungs“-Klausel (siehe auch Kap. 2.2 und 3.3) – auf e<strong>in</strong> Schreiben d.<br />

Gerichts d. 251. Inf.-Div. v. 21.03.1941 zurück. Hier<strong>in</strong> muss jedoch nicht unbed<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong> Widerspruch liegen:<br />

Besagte Klausel war gerade e<strong>in</strong>mal sechs Wochen vor dem Urteilsspruch e<strong>in</strong>geführt worden; viele <strong>Wehrmacht</strong>sjuristen<br />

und Gerichtsherrn waren im Umgang mit der neuen Direktive noch ungeübt und ordneten wie<br />

gewohnt <strong>die</strong> Vollstreckung des Urteils an, ohne dabei zu bedenken, dass <strong>die</strong>s jetzt e<strong>in</strong>e Ausnahmeregelung<br />

bedeutete (Zu weiteren ähnlichen Problemfällen siehe KW 1983, Dok. C II a/1.36, S. 1321f.). Es ist daher anzunehmen,<br />

dass das auf der Karteikarte erwähnte Schreiben nur e<strong>in</strong>e Präzisierung der gerichtsherrlichen Anordnung<br />

darstellte, um klarzustellen, dass bei D. tatsächlich e<strong>in</strong>e Ausnahme vom Normalfall gemacht werden<br />

sollte. Ob hierbei se<strong>in</strong> Delikt „Notzucht“ e<strong>in</strong>e Rolle spielte, ist nicht bekannt.<br />

461 Gef.-Karteikarten zu Alfred D. u. Wilhelm G., 17.08.1940 (wie Anm. 458).<br />

462 AV auf Gef.-Karteikarte zu Wilhelm G., 17.08.1940 (ebd.).<br />

463 AV auf Gef.-Karteikarte zu Alfred D., 17.08.1940 (wie Anm. 458). – Siegburg liegt nordöstlich von Bonn<br />

(heute Rhe<strong>in</strong>-Sieg-Kreis, Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen); das dortige Zuchthaus war wahrsche<strong>in</strong>lich <strong>die</strong> „<strong>für</strong> den letzten<br />

Wohnort zuständige Vollzugsanstalt“, woh<strong>in</strong> D. überführt wurde, weil er nicht unter <strong>die</strong> „Nichte<strong>in</strong>rechnungs“-Regelung<br />

fiel, <strong>die</strong> spätestens seit 1941 das massgebliche Kriterium <strong>für</strong> <strong>die</strong> Frage der E<strong>in</strong>lieferung <strong>in</strong><br />

<strong>die</strong> ELL darstellte (siehe auch Kap. 2.2 und 3.3). Insofern ist e<strong>in</strong> Zusammenhang zwischen dem <strong>in</strong> Anm. 460<br />

genannten Schreiben v. 21.03.1941 zu sehen, auch wenn bis zur Verlegung D.s aus dem Emsland heraus noch<br />

vier Monate verg<strong>in</strong>gen. – Entsprechendes gilt <strong>für</strong> G.s Verlegung nach Kassel-Wehlheiden, da auch bei ihm<br />

<strong>die</strong> Strafe schon während des Krieges vollstreckt werden sollte (AV auf Gef.-Karteikarte zu Wilhelm G.,<br />

17.08.1940 (wie Anm. 458)).<br />

464 Int. Alfred D. 1988 (wie Anm. 458).

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