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Ziviler Strafvollzug für die Wehrmacht. Militärgerichtlich Verurteilte in ...

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oder e<strong>in</strong>e Unterschlagung gegen e<strong>in</strong>en Vorgesetzten oder e<strong>in</strong>en Kameraden, gegen se<strong>in</strong>en Quartierwirt<br />

oder e<strong>in</strong>e zu dessen Hausstand gehörige Person begeht«. 372 Damit s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> zwei Hauptgruppen, zu denen<br />

e<strong>in</strong> Diebstahlsdelikt gehören kann, bereits def<strong>in</strong>iert: zum »e<strong>in</strong>en Diebstahl von »Gegenstände[n]<br />

des militärischen Bedarfs«, zum anderen »Kameraden<strong>die</strong>bstahl«. 373<br />

Die erstgenannte Gruppe umfasste nach BADERs Erfahrungen »m<strong>in</strong>destens <strong>die</strong> Hälfte aller Diebstahlsfälle«.<br />

Meistens betrachtete sich der Täter selbst nicht als Dieb:<br />

»Er hatte etwas getan, was Tausende von Soldaten vor und nach ihm getan haben: Er hat „organisiert“.<br />

Nur etwas hat er zusätzlich getan: Er hat sich erwischen lassen! Wer beim preußisch-deutschen<br />

Militär erfolgreich organisierte, <strong>für</strong> sich selbst und <strong>für</strong> <strong>die</strong> Kameraden militäreigene, <strong>für</strong><br />

andere Zwecke bestimmte Sachen wegnahm, galt als besonders tüchtig, wurde applau<strong>die</strong>rt und<br />

war e<strong>in</strong> guter Kamerad. Gleichgültig dabei, ob es sich wie meist um zusätzliche Verpflegung,<br />

Kleidungsstücke oder sonstige Gegenstände des täglichen Bedarfs handelte! […]<br />

Weder Gerichte noch <strong>Strafvollzug</strong> bedachten, dass <strong>die</strong>se Menschen niemals Diebe geworden<br />

wären, wenn nicht <strong>die</strong> besondere Lebensart des Soldaten, das militärische Milieu, das Beispiel<br />

und <strong>die</strong> Ermunterung der Kameraden sie dazu gemacht hätten. […]<br />

Wie oft habe ich von Tätern <strong>die</strong>ser Gruppen bittere Klagen über den Widers<strong>in</strong>n solcher Militärjustiz<br />

gehört! Wie oft zitierten <strong>die</strong> Betroffenen das im militärischen Sektor tatsächlich so weith<strong>in</strong><br />

geltende Rechtssprichwort, dass man <strong>die</strong> Kle<strong>in</strong>en hänge, <strong>die</strong> Großen aber laufen lasse! Und<br />

vielleicht – seien wir alle, <strong>die</strong> Bescheid wissen, ehrlich – etwa mit Unrecht? Wissen wir nicht alle,<br />

wie von hohen und höchsten Stellen „geschoben“ wurde, ohne dass sich jemand darum kümmerte?<br />

Haben nicht Kommandeure, Truppenoffiziere oder etwa gar Zahlmeister sich selbst und<br />

ihre Familien mit militärischen Gütern durch Jahre h<strong>in</strong>durch versorgt? Wie viele, oder besser gesagt:<br />

wie wenige wurden zur Rechenschaft gezogen! Kam dann aber so e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er „Landser“ unter<br />

<strong>die</strong> groben Mahlste<strong>in</strong>e der Kriegsjustiz, dann wurde er zu Brei gerieben.« 374<br />

BADER verkennt jedoch nicht, dass es auch zahlreiche Fälle von »Entwendungen und Verschiebungen<br />

von Heeresgut« gab, <strong>die</strong> »zeitweise, besonders im besetzten Frankreich und Italien, geradezu<br />

phantastischen Umfang annahmen. […] Man kann sagen, dass ke<strong>in</strong> Gefangenentransport aus Frankreich<br />

oder Italien kam, ohne dass nicht e<strong>in</strong>er oder mehrere solcher Schieber dabei gewesen wären.«<br />

Als Beispiel sei hier der Moorsoldat Erich Hackbarth angeführt, geboren am 17.11.1906 <strong>in</strong> Gieskow<br />

bei Kösl<strong>in</strong> <strong>in</strong> Pommern. Der gelernte Schlosser, verheiratet und Vater von drei K<strong>in</strong>dern, war 1942 bei<br />

der Mar<strong>in</strong>e-Ausrüstungsstelle Ostende e<strong>in</strong>gesetzt. Dort, so stellte das Gericht des Mar<strong>in</strong>ebefehlshabers<br />

Kanalküste <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Verhandlung fest, soll er zwischen 17 und 24 Tonnen Kohlen an belgische Hehler<br />

weitergeleitet bzw. verkauft haben; er wurde deshalb wegen fortgesetzen militärischen Diebstahls zu<br />

fünf Jahren Zuchthaus verurteilt. 375 Nach erfolgter Urteilsbestätigung durch den Gerichtsherrn traf er<br />

»Wer vorsätzlich unter Ausnutzung der durch den Kriegszustand verursachten außergewöhnlichen Verhältnisse<br />

e<strong>in</strong>e sonstige Straftat begeht, wird unter Überschreitung des regelmäßigen Strafrahmens mit<br />

Zuchthaus bis zu 15 Jahren, mit lebenslangem Zuchthaus oder mit dem Tode bestraft, wenn <strong>die</strong>s das gesunde<br />

Volksempf<strong>in</strong>den wegen der besonderen Verwerflichkeit der Strafe erfordert.« (Zit. n. KW 1983,<br />

Dok. C II a/3.14, S. 1514f., hier S. 1515)<br />

372 Wie Anm. 370.<br />

373 BADER 1945, S. 90f. – Um genau zu se<strong>in</strong>, unterscheidet BADER drei Gruppen von Dieben: Die – wie auch<br />

BADER angibt – quantitativ Ger<strong>in</strong>gste bilden »Leute, <strong>die</strong> wegen e<strong>in</strong>es im Zivilleben oder wegen e<strong>in</strong>es als Soldaten<br />

aber gegen Zivilpersonen begangenen Diebstahls vom Militärgericht bestraft wurden« (Ebd., S. 90).<br />

Hierbei wird es sich also <strong>in</strong> der Regel um Diebstähle im S<strong>in</strong>ne von § 242 RStGB und nicht um militärische<br />

Delikte im S<strong>in</strong>ne von § 138 MStGB gehandelt haben.<br />

374 Ebd., S. 91 - 93.<br />

375 Urteil d. Ger. d. Mar<strong>in</strong>ebefh. Kanalküste, ZwSt. Ostende (St. L. J II 168/42) gegen Erich Hackbarth u. a., 31.<br />

08.1942, BA-ZNS, Nr. 32556 (neue Signatur: RM 123/13344); vgl. auch Gef.-Karteikarte d. SGL VII zu

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