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Ziviler Strafvollzug für die Wehrmacht. Militärgerichtlich Verurteilte in ...

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- 115 -<br />

<strong>in</strong> <strong>die</strong> Haftanstalt L<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>geliefert und zwei Tage später <strong>in</strong>s SGL II Aschendorfermoor gebracht; 263<br />

gegen Ende 1944 wurde er dann <strong>in</strong>s Zuchthaus Coswig (Anhalt) verlegt. Da Lange zu den wenigen<br />

(ehemaligen) ELL-Häftl<strong>in</strong>gen gehörte, deren Strafe bereits zu laufen begann, seit das Urteil rechtskräftig<br />

geworden war – und nicht wie üblich, erst „nach Kriegsende“ <strong>in</strong> Kraft treten sollte –, wurde er am<br />

03.01.1945 aus dem Zuchthaus Coswig nach Hause entlassen. 264<br />

Der am 13.09.1924 <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> geborene Gymasiast Horst Zietlow hörte nach eigenen Angaben 1943<br />

während e<strong>in</strong>es Lazarettaufenthalts <strong>in</strong> Cottbus, wo er sich wegen Gelbsucht behandeln lassen musste,<br />

auf se<strong>in</strong>em privaten Weltempfänger englische Sender, da er sich sehr <strong>für</strong> Sw<strong>in</strong>g-Musik <strong>in</strong>teressierte;<br />

politische Motive habe er nicht gehabt. Als er <strong>die</strong> Meldung von der erfolgreichen Invasion der Alliierten<br />

<strong>in</strong> Sizilien aufschnappte und e<strong>in</strong>em Kameraden davon erzählte, denunzierte ihn e<strong>in</strong> Vorgesetzter.<br />

Zietlow war nicht klar, dass er sich durch das Hören der ausländischen Rundfunksender <strong>in</strong> Gefahr<br />

brachte; <strong>in</strong> Russland habe er erlebt, dass bei manchen E<strong>in</strong>heiten den ganzen Tag lang englische Stationen<br />

gehört wurden. Überrascht von der Ankündigung se<strong>in</strong>er Festnahme wegen „Wehrkraftzersetzung“,<br />

<strong>die</strong> ja <strong>die</strong> Todesstrafe nach sich ziehen konnte, ergriff Zietlow <strong>die</strong> Flucht. Nachdem er schließlich<br />

nach mehreren Monaten gefasst wurde, verurteilte ihn e<strong>in</strong> Kriegsgericht wegen Fahnenflucht und<br />

„Zersetzung der Wehrkraft“ zu fünf Jahren Zuchthaus. Über <strong>die</strong> Haftanstalt L<strong>in</strong>gen gelangte er am 11.<br />

02.1944 <strong>in</strong>s SGL VII Esterwegen, von wo er wenige Wochen später <strong>in</strong>s SGL V Neusustrum verlegt<br />

wurde; dort war er u. a. im Moor, als Komman<strong>die</strong>rter im Krankenrevier und bei Erntee<strong>in</strong>sätzen im<br />

Rheiderland nahe Bunde beschäftigt. Im November 1944 wurde Zietlow <strong>in</strong> Brünn wieder <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Wehrmacht</strong><br />

– <strong>in</strong>s Bewährungsbataillon 500 – e<strong>in</strong>gereiht. 265<br />

In wenigen Fällen wurde auch <strong>die</strong> Vorbereitung zum Hochverrat zusammen mit „Wehrkraftzersetzung“<br />

verurteilt; <strong>die</strong>s soll z. B. bei Hans Lautenschläger, der zur Widerstandsgruppe der „Roten Kapelle“<br />

gehörte, geschehen se<strong>in</strong>. 266 In der Regel waren jedoch <strong>die</strong> Vorbereitung bzw. <strong>die</strong> Nichtanzeige<br />

von hoch- oder landesverräterischen Vorhaben e<strong>in</strong> davon getrennter Straftatbestand. Wegen <strong>die</strong>ser Delikte<br />

Bestrafte f<strong>in</strong>den sich bisweilen auch im Emsland, obwohl Hoch-, Landesverrat und Verrat militä<br />

263 AV d. HA L<strong>in</strong>gen, 12.12.1949, auf Schreiben v. Otto Lange an HA L<strong>in</strong>gen, 08.12.1949, StA OS, ebd. – Ob er<br />

auch im SGL VII Esterwegen <strong>in</strong>haftiert war, wie KAMMLER (1997, S. 102) schreibt, konnte nicht festgestellt<br />

werden.<br />

264 In Langes Fall wurde e<strong>in</strong>e Ausnahme von der „Nichte<strong>in</strong>rechnung“ bei Kriegstätern gemacht (Näheres dazu<br />

siehe Kap. 2.2 und 3.3; zu Langes Verlegung nach Coswig und den möglichen Gründen da<strong>für</strong> siehe auch<br />

Kap. 4.2.1.). – Diese Ausnahmeregelung steht allerd<strong>in</strong>gs im Gegensatz zu der Anordnung <strong>in</strong> den »Richtl<strong>in</strong>ien<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Anwendung des § 1 Abs. 2 der Verordnung über <strong>die</strong> Vollstreckung von Freiheitsstrafen wegen e<strong>in</strong>er<br />

während des Kriegs begangenen Tat«, derzufolge bei Verurteilungen u. a. nach § 2 der Verordnung über außerordentliche<br />

Rundfunkmaßnahmen »<strong>die</strong> Voraussetzungen <strong>für</strong> e<strong>in</strong> Absehen von der Nichte<strong>in</strong>rechnung <strong>in</strong> der<br />

Regel nicht vorliegen«, selbst wenn der <strong>Verurteilte</strong> als »Erstbestrafter« anzusehen sei (RMdJ an BdRMdJ u.<br />

a., 06.01.1942, StA OS, ebd. Nr. 726).<br />

265 Int. Zietlow 1995; KLAUSCH – Bewährungstruppe 1995, S. 305 u. 521 Anm. 88 (basierend auf e<strong>in</strong>em Int.<br />

dess. mit Horst Zietlow, 03.05.1994); SCHNACKENBERG 1997, S. 136 - 138 (basierend auf e<strong>in</strong>em Int. dess. mit<br />

Horst Zietlow, 12.04.1996); Zugangsliste d. SGL VII, 11.02.1944, StA OS, ebd. Nr. 170. – Das Hören von<br />

»Jazz und leichter Musik« wurde laut WÜLLENWEBER (1990, S. 31f., Zitat S. 32) sogar dann als „Rundfunkverbrechen“<br />

bestraft, wenn gar ke<strong>in</strong>e „Fe<strong>in</strong>dsender“, sondern Stationen neutraler Staaten wie z. B. der<br />

Schweiz gehört wurden (Vgl. auch MALLMANN/PAUL 1991, S. 350).<br />

266 SCHEEL 1993, S. 365. – Lautenschläger soll am 03.07.1943 vom RKG zum Tode verurteilt, jedoch im November<br />

desselben Jahres – wahrsche<strong>in</strong>lich durch den Kontakt e<strong>in</strong>es ihm bekannten Pfarrers zu Eva Braun –<br />

zu 15 Jahren Zuchthaus und sofortiger „Frontbewährung“ beim Bewährungsbataillon 500 begnadigt worden<br />

se<strong>in</strong> (Ebd., S. 365f.).

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