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Ziviler Strafvollzug für die Wehrmacht. Militärgerichtlich Verurteilte in ...

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- 139 -<br />

dort habe ihn <strong>die</strong> Gestapo verhaftet, da er von der Mutter se<strong>in</strong>es Freundes denunziert worden sei. 389<br />

Der Untersuchungshaft <strong>in</strong> Tetschen und Königsberg folgte am 02.04.1942 der Prozess vor dem Gericht<br />

des Komman<strong>die</strong>renden Generals und Befehlshabers im Luftgau I <strong>in</strong> Königsberg. Nachdem der<br />

Anklagevertreter <strong>die</strong> Todesstrafe <strong>für</strong> ihn beantragt habe, hätten ihn <strong>die</strong> Richter »unter Berücksichtigung<br />

des Gnadengesuchs se<strong>in</strong>er Mutter« wegen Fahnenflucht zu fünfzehn Jahren Zuchthaus bestraft.<br />

390 De facto wurde er neben Fahnenflucht auch noch wegen militärischem Diebstahl verurteilt. 391<br />

Am 25.06.1942 wurde Horst Schluckner im SGL VII Esterwegen aufgenommen; 392 e<strong>in</strong>em möglichen<br />

Todesurteil war er zwar entkommen, doch was er nun erleben musste, charakterisierte er später<br />

als »Begnadigung <strong>in</strong> <strong>die</strong> Hölle« 393 . Im September 1942 wurde er wie Willi Pütz zum „Kdo. Nord“<br />

nach Nordnorwegen transportiert, von wo er zwei Fluchtversuche unternahm; auch er blieb bis kurz<br />

vor Kriegsende dort, um dann nach Schleswig-Holste<strong>in</strong> zurückgebracht und dort schließlich von den<br />

Briten befreit zu werden. 394<br />

Die zweite Gruppe von Dieben, <strong>die</strong> BADER unterscheidet, waren »Soldaten, <strong>die</strong> Kameraden bestohlen<br />

hatten«. Von solchen Tätern hatte er e<strong>in</strong>e sehr ger<strong>in</strong>ge Me<strong>in</strong>ung, da er ihnen besonders niedrige<br />

Motive zubilligte:<br />

»Kameraden<strong>die</strong>bstahl, vom Militärstrafgesetzbuch […] als militärischer Diebstahl behandelt, galt<br />

mit Recht als besonders verwerflich. Dem Soldaten s<strong>in</strong>d auch <strong>die</strong> kle<strong>in</strong>sten Besitztümer, se<strong>in</strong>e<br />

Lebensmittel, se<strong>in</strong>e Rauchwaren, se<strong>in</strong>e Toiletten- und Bekleidungsstücke wertvoll, da sie vielfach<br />

unersetzlich s<strong>in</strong>d. Wer sich als Kamerad daran vergreift, gilt mit vollem Recht als geme<strong>in</strong>er<br />

Dieb.« 395<br />

Es darf angenommen werden, dass <strong>die</strong>s nicht von allen „Kameradschafts<strong>die</strong>ben“ behauptet werden<br />

kann; sicherlich haben sich gelegentlich auch Soldaten ohne böse Absicht oder aus Not an den meist<br />

ger<strong>in</strong>gen Besitztümern ihrer Kameraden vergriffen; <strong>die</strong>se Fälle dürften jedoch <strong>die</strong> Ausnahme bilden.<br />

Zu den Kameraden<strong>die</strong>bstählen zählen auch <strong>die</strong> häufig vorgekommenen Wegnahmen von Feldpostpäckchen;<br />

<strong>die</strong>se wurden aus der „Heimat“ – teils von Verwandten, teils auch standardisiert von Institutionen<br />

– an <strong>die</strong> Frontsoldaten geschickt und enthielten »meist Lebens- und Genussmittel wie Gebäck,<br />

389<br />

Schluckner an DIZ, 02.03.1989, ebd. – Anderenorts heißt es, er habe versucht, <strong>in</strong> <strong>die</strong> Schweiz zu fliehen, und<br />

sei auf dem Weg dorth<strong>in</strong> im damaligen Protektorat Böhmen und Mähren gefasst worden (SCHLUCKNER 1992,<br />

ebd.; ders. 2000, S. 127). – Tetschen ist das heute tschechische Děčín und liegt an der Elbe zwischen Aussig<br />

(Ústí) und Dresden.<br />

390<br />

Ders. 1990, S. 14f. (Zitat S. 15).<br />

391<br />

Gef.-Buch d. SGL VII, 1942, Gef.-Nr. 439/42, StA OS, Rep. 947 L<strong>in</strong> I Nr. 1196 Bd. II. – Schluckners 1991<br />

entstandener Bericht „Das Schweigen wird lauter!“ vermittelt auch <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Punkt e<strong>in</strong> etwas anderes Bild:<br />

Demnach war er anfänglich tatsächlich zum Tode verurteilt und wurde erst »[n]ach vierzig Tagen […] aufgrund<br />

e<strong>in</strong>es Gnadengesuchs me<strong>in</strong>er Mutter zu fünfzehn Jahren Zuchthaus begnadigt« (SCHLUCKNER 1992, S.<br />

116f.; vgl. auch ders. 2000, S. 127).<br />

392<br />

Gef.-Buch d. SGL VII, ebd.; vgl. auch Besche<strong>in</strong>igung d. Vd. d. Strafanstalten EL f. Horst Schluckner, 13.07.<br />

1949, StA OS, ebd. Nr. 269 Bearb.-Nr. 216.<br />

393<br />

SCHLUCKNER 1992, S. 117.<br />

394<br />

»Namentliche Liste der 400 Strafgefangenen des Strafgefangenenlagers VII Esterwegen[,] E<strong>in</strong>satz Wik<strong>in</strong>g<br />

II«, o. D. [1942], StA OS, ebd. Nr. 718; Gef.-Listen d. SGL VII, 01.01. u. 28.02.1945, StA OS, ebd. Nr. 712.<br />

– Zu se<strong>in</strong>en Erlebnissen im „Lager Nord“ vgl. SCHLUCKNER 1990, S. 19 - 40, Schikane und Schläge 2001 sowie<br />

Kap. 5.1.2.4.1. – SCHLUCKNER (1990, S. 49 Anm. 2) lebte seit 1947 <strong>in</strong> Leipzig, wo er als Schweißer und<br />

Kraftfahrer tätig war.<br />

395<br />

BADER 1945, S. 90 (Herv. d. Verf.).

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