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Ziviler Strafvollzug für die Wehrmacht. Militärgerichtlich Verurteilte in ...

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begegnen uns hier brave, unbescholtene, größtenteils junge Leute, <strong>die</strong> durch <strong>die</strong> Kriegsmasch<strong>in</strong>e und<br />

durch persönliche Verwicklungen <strong>in</strong> Konflikt mit dem Militärstrafgesetzbuch gerieten.« 19<br />

4.3.1.1 Unerlaubte Entfernung<br />

BADER unterscheidet im Wesentlichen drei Gruppen von wegen unerlaubter Entfernung <strong>Verurteilte</strong>r:<br />

Erstens »e<strong>in</strong> großer Kreis von Soldaten, <strong>die</strong> aus irgen[d]welcher Verärgerung, meist aus nichtigstem<br />

Anlass, unbesonnen weglaufen«; dann »<strong>die</strong> Urlaubsverlängerer, <strong>die</strong> wohl das Hauptkont<strong>in</strong>gent<br />

stellen – Leute also, <strong>die</strong> ordnungsgemäß Urlaub erhalten hatten, sich aber an dessen Ende<br />

nicht von zu Hause oder der Geliebten trennen konnten; <strong>die</strong> unrechtmäßigen Urlauber, <strong>die</strong> sich<br />

eigenmächtig Urlaub verschafften; Soldaten, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>e Dienstfahrt zu privaten Zwecken ausnützten,<br />

unterbrache[n] und verlängerten«; außerdem »e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Kreis von Vaganten, <strong>die</strong> aus angeborenem<br />

oder angewöhntem Trieb auf <strong>die</strong> Wanderschaft g<strong>in</strong>gen«. 20<br />

Er bemerkt weiter, dass oftmals »Verleitung durch kurzsichtige Angehörige, vor allem durch leichtfertige<br />

Frauen, <strong>die</strong> bestimmende Rolle« gespielt habe. 21 Die Strafen <strong>für</strong> unerlaubte Entfernung 22 »entsprachen<br />

selten dem wirklichen Verschulden, sondern allenfalls den verme<strong>in</strong>tlichen Notwendigkeiten<br />

der <strong>Wehrmacht</strong>«. Die Strafzumessungen seien im Laufe des Krieges frappierend angestiegen: sie hätten<br />

sich »m<strong>in</strong>destens verdoppelt, wenn nicht verdrei- oder vervierfacht«. Auch von der Regelung, <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em besonders schweren Fall e<strong>in</strong>e Zuchthausstrafe zu verhängen, sei <strong>in</strong> zunehmendem Maße Gebrauch<br />

gemacht worden. 23 Dementsprechend stieg wahrsche<strong>in</strong>lich auch <strong>die</strong> Zahl derjenigen, <strong>die</strong> aufgrund<br />

<strong>die</strong>ses Deliktes <strong>in</strong> <strong>die</strong> ELL gebracht wurden, deutlich an. 24 BADER erwähnt sogar e<strong>in</strong>en Fall, <strong>in</strong><br />

dem e<strong>in</strong> noch nicht 21 Jahre alter Soldat wegen unerlaubter Entfernung zum Tode verurteilt worden<br />

sei. 25<br />

Weiter führt er aus, dass Angehörige ke<strong>in</strong>er anderen Tätergruppe so häufig rückfällig wurden wie<br />

<strong>die</strong>jenigen, <strong>die</strong> sich unerlaubt entfernt hatten. Hier nennt er vornehmlich <strong>die</strong> von ihm als „Vaganten“<br />

bezeichneten Täter, <strong>für</strong> <strong>die</strong> nach heutigem Sprachgebrauch wohl eher <strong>die</strong> Bezeichnung »unangepasste[]<br />

Außenseiter« zutrifft: »Landstreicher […,] häufig gewisse Berufstypen, vor allem Schäfer,<br />

19<br />

BADER 1945, S. 100f. – Für <strong>die</strong> Übermittlung des BADER-Manuskripts danke ich Dr. Hans-Peter Klausch.<br />

20<br />

Ebd., S. 101.<br />

21<br />

Ebd.<br />

22<br />

Zum gesetzlichen Strafrahmen siehe Kap. 4.3.1.<br />

23<br />

BADER 1945, S. 102.<br />

24<br />

In der Aufstellung von KLAUSCH (siehe Kap. 4.3.7), <strong>die</strong> sich auf den Zeitraum 1940 bis 1943 bezieht, hatte <strong>die</strong><br />

unerlaubte Entfernung e<strong>in</strong>en Anteil von 4,2 % aller Verurteilungen. Die Zugänge des Monats Januar 1944 dagegen<br />

waren zu 14,4 % wegen <strong>die</strong>ses Tatbestands bestraft worden (vgl. auch <strong>die</strong> Tabelle „Deliktstatistik“).<br />

25<br />

BADER, ebd. – Die Todesstrafe wurde jedoch nicht vollstreckt; der Täter wurde zu e<strong>in</strong>er Gefängnisstrafe begnadigt<br />

(Ebd.).<br />

Auch WAGNER (2000, S. 29, basierend auf BA-ZNS, FF 139239) erwähnt e<strong>in</strong>en solchen Fall: He<strong>in</strong>z U., geboren<br />

1922, wurde im Alter von 20 Jahren wegen „Zersetzung der Wehrkraft“ zunächst zu e<strong>in</strong>em Jahr Gfgs.<br />

verurteilt. Die Strafe wurde (teilweise?) zur „Frontbewährung“ ausgesetzt; U. kam <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e FGA, von wo er<br />

sich unerlaubt entfernte. Er gab an, er habe nur aus Sehnsucht nach se<strong>in</strong>er Verlobten und se<strong>in</strong>en Eltern gehandelt.<br />

Das Gericht der Division 152 <strong>in</strong> Graudenz (Westpreußen) habe ihn daraufh<strong>in</strong> – wann genau, wird nicht<br />

angegeben – wegen unerlaubter Entfernung zum Tode verurteilt; ob <strong>die</strong> vorherige Veurteilung und <strong>die</strong> „ungenutzte“<br />

Bewährungschance dabei e<strong>in</strong>e Rolle gespielt haben, lässt sich nur vermuten. Doch auch <strong>die</strong>ses Urteil<br />

wurde nicht vollzogen: He<strong>in</strong>z U. erfuhr im Januar 1945, dass Himmler als Befehlshaber des Ersatzheeres zwar<br />

e<strong>in</strong> Gnadengesuch abgelehnt hatte, jedoch <strong>die</strong> Vollstreckung der Todesstrafe wiederum zur „Frontbewährung“<br />

ausgesetzt hatte. – Zu den FGAs siehe auch Kap. 3.2.

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