Der Zusammenhang zwischen internationaler, nationalerund menschlicher SicherheitZIAD ABDEL SAMAD 1„In ihrer einfachsten Form umschreibtmenschliche Sicherheit alldas, was Männern und Frauen überallin der Welt am meisten am Herzenliegt: Genug zu essen für dieFamilie; eine angemessene Unterkunft;gute Gesundheit; Schulbildungfür die Kinder; Schutz vor vomMenschen oder der Natur ausgehenderGewalt und einen Staat, derseine Bürger nicht unterdrückt, sondernsie mit ihrem Einverständnisregiert.“Louise Frechette,Stellvertret. UN-Generalsekretärin„Menschliche Sicherheit bezieht sichauf die Lebensqualität von Menscheneiner Gesellschaft oder einespolitischen Systems. Das zentraleElement menschlicher Sicherheitsind die Menschenrechte.“Ramesh Thakur,Universität der Vereinten NationenDiese Zitate fassen das Konzeptmenschlicher Sicherheit so zusammen,wie wir es heute verstehen. Statt sichauf den Staat zu konzentrieren, hat sichder Schwerpunkt auf den Einzelnen alsMensch und Bürger verlagert. DieseBedeutungsverschiebung geht auf dasVordringen einer neoliberalen Globalisierungund allem, was damit einhergeht,zurück. Durch die neue, globalePerspektive haben nämlich Grenzen anBedeutung verloren, was zu der Erkenntnisführte, dass staatliche Sicherheitzwar unbedingt notwendig, abernicht ausreichend ist, um das Wohlergehender Einzelnen zu gewährleisten.Es muss jedoch festgestellt werden,dass menschliche Sicherheit nicht eineAlternative zur staatlichen Sicherheitdarstellt, sondern dass sich beide insofernergänzen, als staatliche Sicherheiteines der Mittel zur Erreichung des1 Ziad Abdel Samad ist leitender Direktor des„Arab NGO Network for Development“. DerAutor dankt Kinda Mohamdieh für ihreUnterstützung.Ziels menschlicher Sicherheit ist. DasKonzept menschlicher Sicherheit „kannes sogar notwendig machen, die Menschenvor ihren Staaten zu schützen“, 2wenn herrschende Eliten nicht ihremVolk, sondern undemokratischenInteressen dienen, um ihre Macht zuerhalten. Demokratie setzt eine Entwicklunghin zu einer verantwortungsvollenund engagierten Gesellschaftvoraus, in der sowohl die allgemeinewie die individuelle Sicherheit gewährleistetund respektiert wird.Anfang des Jahrhunderts wurde Sicherheitdefiniert, indem man die Konzepteder internationalen, staatlichen undmenschlichen Sicherheit zueinander inBezug setzte. 3 Internationale Sicherheit,die hauptsächlich mit Globalisierungidentifiziert wird, gilt dem Schutz derInteressen internationaler Konzerne undhängt mit dem Gewicht internationalerOrganisationen und staatlicher Akteure,unabhängigen Märkten und Stabilitätals öffentlichem Gut zusammen. Zwarhat staatliche Sicherheit in erster Liniemit Souveränität und Grenzfragen zutun, setzt aber tendenziell stark aufSicherheit von Investitionen. MenschlicheSicherheit bezieht sich deshalbsowohl auf internationale wie staatlicheSicherheit, denn mit beiden kann derStandard menschlicher Sicherheit erhöhtwerden.Die Realitäten arabischer StaatenIm Falle der arabischen Region ist esunumgänglich, die Auswirkungen aufdie menschliche Sicherheit durch dieausländische Besetzung Iraks und den2 Heinbecker, Paul. „Peace Theme: HumanSecurity“. Vortrag auf der Lysoen Konferenz,die vom norwegischen Außenminister veranstaltetund geleitet wurde. 19.-20. Mai 1999.www.peacemagazine.org/9907/humsecur.htm3 Rojas Aravena, Francisco. „Human Security:Emerging Concept of Security in the Twenty-First Century“. 2002. www.unidir.ch/pdf/articles/pdf-art1442.pdf.Aravena ist Direktor derSozialwissenschaftlichen Fakultät Lateinamerikas(FLACSO), Chile.US-amerikanischen Expansionismus zubeleuchten, mit dem sich das Strebennach Einflussnahme auf die Politik,Wirtschaft und Kultur der Region artikuliert.Es gibt in der arabischen Region zweizentrale Konflikte, den palästinensischisraelischenund den irakischen Konflikt.Sie gehören beide zu den komplexestenKonflikten in der heutigen Weltund sind eine wesentliche Ursache fürglobale Instabilität und politische Spaltung,die auch die Sicherheit außerhalbder direkt betroffenen Länder bedrohen.Diese Konflikte führen nicht nur zumVerlust menschlichen Lebens und Beschädigungvon Eigentum. Sie bildendarüber hinaus auch wesentliche Ursachenfür eine Instabilität, die die soziale,wirtschaftliche und politischeEntwicklung behindert und es damitden arabischen Ländern unmöglichmacht, ausländische Investitionen insLand zu holen; gleichzeitig tragen siedazu bei, dass hochqualifiziertes Personalauswandert.Die arabischen Länder werden voneiner Reihe undemokratischer Regimeregiert, die die Entwicklung demokratischerBewegungen und die Achtung derMenschenrechte verhindern. ArabischeStaaten und ihre repressiven politischenRegime sind gut darin, ihr eigenes Volkzu kontrollieren und zu unterdrücken,aber ihre Leistungen als globale Partner,Verhandlungspartner und Entscheidungsträgerlassen zu wünschen übrig.Das wird auch so bleiben, solange arabischeFührungen nicht erkennen, wiewichtig es für ihre eigene Lage ist, dasssie ihre Bevölkerungen fördern. Dervon der UNDP 2002 herausgegebenearabische Bericht für Menschliche Entwicklung4 warf ein Schlaglicht auf diefehlende Demokratie in der Region unddie notwendige Demokratisierung ara-4 UN-Entwicklungsprogramm (UNDP). ArabHuman Development Report. Building aKnowledge Society. 2002. www.undp.org/rbas.Social Watch Report Deutschland / 29
ischer Staaten als Voraussetzung fürnachhaltige Entwicklung und die Vermeidungweiterer Konflikte und Instabilitätin der Region.Die Realitäten arabischerVolkswirtschaftenSowohl was die Einbeziehung in internationaleMärkte wie auch in regionaleHandelsabkommen angeht, zeigt sichdeutlich, dass die arabische Regionnicht so weit ist wie andere Regionender Welt. Der Anteil arabischer Volkswirtschaftenam gesamten globalen BIPliegt zwischen 2,8 und 3 Prozent. Diearabischen Länder haben sich Zeit gelassen,um globalen Handelsabkommenwie der Welthandelsorganisation(WTO) beizutreten; die Mehrzahl vonihnen haben nur geringe Fortschrittebei der Entwicklung lokaler Kapazitätengemacht, um den aus einer solchenIntegration resultierenden Herausforderungenzu begegnen. Die arabischenLänder sind nicht ausreichend flexibelgewesen, um ihre Volkswirtschaftenumzustrukturieren und sich gegenüberglobalen Partnerschaften zu öffnen.Selbst die zur Privatisierung undMarktöffnung eingeleiteten Schrittesahen keine angemessenen Maßnahmenzum Schutz lokaler Märkte, Produkteund Arbeitskräfte vor ausländischerKonkurrenz vor. Die Mehrzahl dieserProzesse vollzogen sich unter undemokratischenRegimen, die nicht einmalein Mindestmaß an Transparenz boten.Der Einfluss arabischer Länder sowohlin globalen und regionalen Organisationenwie der WTO und der Euro-Mediterranen Partnerschaft als auch beiFreihandelsabkommen und in der globalenWirtschaft insgesamt bleibtweiterhin marginal. Diese Länder sindnoch weit davon entfernt, ihre eigenenInteressen und die Rechte ihrer Bevölkerungenverteidigen zu können. 5Außerdem ist es den arabischen Staatenbisher nicht gelungen, regionale Wirtschaftspartnerschaftenaufzubauen odereine wirksame Kooperationspolitik zuentwickeln, mit der ihre Position gestärktund sie besser auf die Herausforderungeneiner globalen Wirtschaftvorbereitet würden. Infolgedessenmacht der inner-arabische Warenverkehrnicht mehr als acht Prozent desgesamten Austausches der Region aufdem Weltmarkt aus. In den letzten dreiJahrzehnten lag das Wirtschaftswachstumin der arabischen Region bei ungefährvier Prozent, was ziemlich genaudem Bevölkerungswachstum entsprichtund damit stagnierendes Pro-KopfWachstum bedeutet. Außerdem führtendie politischen Maßnahmen zu hohenInflationsraten von über zwölf Prozentin den 90er Jahren sowie einem 51-prozentigenRückgang an ausländischenDirektinvestitionen. 6 Der Druck auflokale Investoren und Produzenten aufgrundder Konkurrenz transnationalerUnternehmen stellt ebenfalls eineerhebliche Herausforderung dar unduntergräbt die nationale Souveränität.Globalisierungsgegner und derAnstieg des FundamentalismusZwar haben die arabischen Staaten dieUN-Menschenrechtspakte und ähnlicheÜbereinkommen ratifiziert, aber siehaben auch viele Einwände dagegenvorgebracht und keine wirksamen politischenBeschlüsse zur Umsetzung dieserEmpfehlungen formuliert. Außerdemwird in der Region ein wachsendes5 Zwölf arabische Länder sind Mitglieder derWTO, fünf sind Beobachter und zwei habendie Mitgliedschaft beantragt, drei dagegennoch nicht. Sieben arabische Länder unterzeichnetendas Euro-Mediterrane Partnerschaftsabkommen,während die Golfstaatenein Abkommen mit der EU aushandeln.Marokko und Jordanien haben Freihandelsabkommenmit den USA unterzeichnet, Ägyptenverhandelt mit den USA und die anderensind aufgefordert worden, Verhandlungen mitden USA aufzunehmen.6 Houbayka, Louis, „Globalisation and the ArabEconomy“, in: An-Nahar, 16. Januar 2004.www.annaharonline.com.Menschliche Sicherheit und InternationaleFinanzinstitutionen inder arabischen Region– das Beispiel LibanonDas Engagement internationalerFinanzinstitutionen (IFIs) in der arabischenRegion hat in den letztenzwei Jahrzehnten zugenommen.Nach dem Ende des Bürgerkriegsim Libanon 1990 waren die Ergebnissedes im Laufe des vergangenenJahrzehnts durchgeführten NationalenWiederaufbauplans – umgesetztvon der libanesischen Regierungauf Empfehlung großenteilsvon Bechtel 7 – katastrophal. DasLand stand am Schluss vor einemriesigen Haushaltsdefizit von über40 Prozent (in einigen Jahren sogar55 Prozent) und einem Schuldenbergvon über 180 Prozent des BIP.Auf der Libanon-Konferenz imNovember 2002 in Paris (Paris II)wurde der IWF beauftragt, die Umsetzungeines weiteren Strukturanpassungsprogrammszu überwachen.Obwohl sich also erwiesen hat, dassdie von den IFIs unterstütztenMaßnahmen die Lage in der Regiontatsächlich noch prekärer machen,geht man davon aus, dass die IFIs inden nächsten Jahren eine wichtigeRolle im Irak, in Syrien und Libyenspielen werden.Misstrauen gegenüber den UN undderen Wirksamkeit laut.Allerdings muss in diesem Zusammenhangauf die doppelten Standards bestimmterLänder hingewiesen werden,wenn es um das Völkerrecht geht.Während die Vereinigten Staaten imIrak Krieg führten, um die angeblichvorhandenen Massenvernichtungs-7 Bechtel ist das Unternehmen aus dem Technik-, Wiederaufbau- und Telekommunikationsbereich,das mit dem Wiederaufbau von IraksInfrastruktur beauftragt wurde und engeBeziehungen zur US-Regierung unterhält.www.bechtel.com, www.bechteltelecoms.comSocial Watch Report Deutschland / 30
- Seite 1: E I N I N T E R N A T I O N A L E R
- Seite 4 und 5: InhaltsverzeichnisSeite4 Vorwort zu
- Seite 6: Vorwort zur internationalen Ausgabe
- Seite 9 und 10: Social Watch DeutschlandKurzinforma
- Seite 11 und 12: Menschliche Sicherheit bedeutet meh
- Seite 13 und 14: die sie durchqueren [...]. Ziele m
- Seite 15 und 16: Agenda 2010: Ein Armutszeugnis?VON
- Seite 17 und 18: Armut und soziale Ausgrenzung in De
- Seite 19 und 20: Migranten, Migrantinnen und ArmutVO
- Seite 21 und 22: Hindernisse für menschliche Sicher
- Seite 24 und 25: Die größten Probleme in diesemBer
- Seite 26 und 27: mus. Der Vertrag sieht einen europ
- Seite 28 und 29: Artikel III-218 des Verfassungsentw
- Seite 32 und 33: waffen des Landes zu entschärfen,
- Seite 34 und 35: Druck von außen wirkt nur kurzfris
- Seite 36 und 37: die für Frauen, die Armen und ande
- Seite 38 und 39: Ungleicher Zugang zu und ungleicheK
- Seite 40 und 41: Die Wurzeln von häuslicher Gewalt
- Seite 42 und 43: eicherung und zur Bedienungklientel
- Seite 44 und 45: Was heißt „Zivile Konfliktbearbe
- Seite 46 und 47: fährdung. Die Strategie der Hilfsw
- Seite 48 und 49: Stagnierende Entwicklungszusammenar
- Seite 50: m TEIL II
- Seite 55 und 56: Tabelle 15: Trends bei der Vergabe
- Seite 57 und 58: (73 %), Somalia (71 %), Afghanistan
- Seite 59 und 60: und Entbindung, das Angebot von Med
- Seite 61 und 62: zur unteren Hälfte der Länder mit
- Seite 63 und 64: politischen und wirtschaftlichen En
- Seite 65 und 66: globalen Einkommens, das heißt, ü
- Seite 67 und 68: das ermöglichte uns die Errechnung
- Seite 69 und 70: 1. Sterblichkeitsrate bei Kindern u
- Seite 71 und 72: Gender: Große Unterschiede zwische
- Seite 73 und 74: Tabelle 1: Die derzeitige Verteilun
- Seite 75 und 76: Tabelle 1: Die derzeitige Verteilun
- Seite 77 und 78: Tabelle 2: GrundbildungDas Recht au
- Seite 79 und 80: Tabelle 2: GrundbildungDas Recht au
- Seite 81 und 82:
Tabelle 3a: Gesundheit von KindernD
- Seite 83 und 84:
Tabelle 3b: Gesundheit von KindernA
- Seite 85 und 86:
Tabelle 3b: Gesundheit von KindernA
- Seite 87 und 88:
Tabelle 4: ErnährungssicherungDas
- Seite 89 und 90:
Tabelle 4: ErnährungssicherungDas
- Seite 91 und 92:
Tabelle 5: Reproduktive GesundheitD
- Seite 94 und 95:
Tabelle 5: Reproduktive GesundheitD
- Seite 96 und 97:
Tabelle 6: GesundheitDas Recht auf
- Seite 98 und 99:
Tabelle 6: GesundheitDas Recht auf
- Seite 100 und 101:
Tabelle 7: Zugang zu sauberem Trink
- Seite 102 und 103:
Tabelle 8a: Gleichstellung der Gesc
- Seite 104 und 105:
Tabelle 8a: Gleichstellung der Gesc
- Seite 106 und 107:
Tabelle 8b: Gleichstellung der Gesc
- Seite 108 und 109:
Tabelle 8b: Gleichstellung der Gesc
- Seite 110 und 111:
Tabelle 9: Entwicklung der öffentl
- Seite 112 und 113:
Tabelle 9: Entwicklung der öffentl
- Seite 114 und 115:
Tabelle 10: Information, Wissenscha
- Seite 116 und 117:
Tabelle 10: Information, Wissenscha
- Seite 118 und 119:
Tabelle 11:Unterschriften und Ratif
- Seite 120 und 121:
Tabelle 12: Ratifizierungen der wic
- Seite 122 und 123:
Tabelle 13: Ratifizierungen der wic
- Seite 124 und 125:
Tabelle 14:Status und Fälligkeiten
- Seite 126 und 127:
Tabelle 14:Status und Fälligkeiten
- Seite 128 und 129:
m NOTIZEN