eicherung und zur Bedienungklientelistischer Netzwerke an. BesonderesGewicht hat dabei, dassdie „Produktion von Sicherheit“sich auf kleine Gruppen beschränkt,deren Interessen gegen die Mehrheitder Bevölkerung mittels Repressionund Gewalt durchgesetztwerden. Die Erfüllung der Grundbedürfnisseweiter Teile der Bevölkerungwird privat organisiert undfinanziert. Wachsende Bevölkerungsteileziehen sich daher aus derpolitischen Teilhabe zurück.3. Die aktive Demontage desStaates: Innerhalb der Eliten führenKonkurrenz um knapper werdendeRessourcen – insbesondere dieFinanzierung staatlicher Funktionenund Strukturen aus dem Ausland –zu Auseinandersetzungen, die häufigunter Gewaltanwendung ausgetragenwerden. Dieses führt zueinem generellen Verlust an Sicherheitund staatlichen Funktionen(Gewaltmonopol, Rechtsstaatlichkeit).Die politische Krise beschleunigtden wirtschaftlichen Kollaps,Gewalt wird zum normalen Instrumentder Konfliktaustragung.4. Der Verlust auch der „externenSouveränität“: Da der Staat immerweniger in der Lage ist, auch nurGrundfunktionen (funktionierendeVerwaltung, Erhaltung des Gewaltmonopolsund Rechtssicherheit) zuerfüllen, verliert er schließlich auchdie „externe Souveränität“. Dieseszeigt sich in immer deutlichererZurückhaltung externer Geber. Mitdem Verlust auch der externenLegitimation verlieren die politischenAkteure weiter an Glaubwürdigkeit,können sie doch nichteinmal mehr die Befriedigung derInteressen der sie unterstützendenPartikulargruppen effektiv organisieren.Krieg, verbreitete Gewaltanwendungund massive Menschenrechtsverletzungenlösen Migrationund Flüchtlingsströme aus.Von der Demontage zurNeu-KonstruktionDer formalen juristischen Etablierungeines Staates muss also ein Prozess der„Konstruktion von Staaten“ folgen, derdas gesellschaftliche Grundverständnisund den Konsens über Aufgaben, Formund Funktion des Staates entwickelt. Der„Staat“ ist das Produkt bewusst herbeigeführterEntscheidungen und Handlungen.Was als „schwache Staaten“ odergar als „failed states“ (etwa „fehlgeschlageneStaaten“; die Red.) beschriebenwird, sind in der Tat Staaten in unterschiedlichenPhasen der Demontage.Alle Bemühungen, nach der Demontageeines Staates, diesen wieder zuneu zu konstruieren, muss die Auswirkungender häufig sehr gewaltförmigenDemontage mit bewältigen. Insbesonderegilt es, die oft jahrzehntelangennegativen Erfahrungen der Bevölkerungmit dem Staat zu überwinden. Hierbeikönnen Strukturen und Mechanismenhilfreich sein, die während der Demontagedes Staates auf lokaler und intermediärerEbene das Zusammenlebenvon Menschen und Gemeinschaftenermöglichten. Vergleichende Studien inKriegsgebieten haben ergeben, dassMenschen nach dem Zusammenbruchstaatlicher Strukturen und Funktionennicht in einem Vakuum leben. Vielmehrgreifen Gemeinschaften auf andere verbleibendeStrukturen und Mechanismenzurück, um ihre Angelegenheiten zuregeln. 4 Dies können traditionelleStrukturen und Mechanismen sein; teilweiseübernehmen aber auch moderneStrukturen, etwa lokale NRO undVerbände, quasi politische und administrativeFunktionen.Somalia: Ein Staat wird neuaufgebaut4 Siehe dazu u.a. Anderson, 1996, 1999;Bradbury, 1993; Bryden 1994, 1995.Seit 1992 organisiert die internationaleStaatengemeinschaft sogenannte Friedenskonferenzenfür Somalia. Demkonventionellen diplomatischen Prozederefolgend, sitzen ausschließlichdie Vertreter der Kriegparteien am Verhandlungstisch.Es wurden zahlloseAbkommen unterzeichnet, die völligwirkungslos blieben.Vertreter der Zivilgesellschaft kritisiertendiese Vorgehensweise von Anfangan. Verhandlungen, an denen ausschließlichjene beteiligt waren, die ausdem aktuellen Kriegszustand Profitezogen, konnten kaum zu tragfähigenErgebnissen führen. Dann gelang es,den damaligen Sonderbeauftragten desGeneralsekretärs der UN, MohamedSahnoun, davon zu überzeugen, 700zivilgesellschaftliche Beobachter zuden Verhandlungen in Addis Abeba imMärz 1993 zuzulassen. Das dort unterzeichnete„Addis Abeba Abkommen“bot den Rahmen für den Aufbau vonSelbstverwaltungsstrukturen auf lokalerund Distriktebene. Die nationalenBehörden sollten auf deren Basis aufgebautwerden.Der Aufbau einer funktionierendennationalen Verwaltung wurde von denKriegakteuren bis heute verhindert.Doch lokale Gemeinschaften, Älteste,Religionsführer und anerkanntePersönlichkeiten nahmen die Verantwortungin die eigenen Hände. WoFrieden geschaffen werden konnte, wares meist dem „sozialen Druck“ 5 auf dieFührer der Klans und die Kriegsherrenzu danken.Einen „Staat“ gibt es in Somalia bisheute nicht. Aber in weiten Gebietenhaben die Menschen Selbstverwaltungsstrukturengeschaffen, die in diesenGebieten Sicherheit und einenRaum für wirtschaftliche und sozialeEntwicklung bieten. Menkhaus weistdarauf hin, dass dies bezeichnenderWeise von den Kriegsherren nur dortverhindert wurde, die von entscheidenderBedeutung für die Kontrolle vonexternen Ressourcen sind.5 Menkhaus, 1996Social Watch Report Deutschland / 41
Menschliche Sicherheit durch Zivile KonfliktbearbeitungVON CHRISTOPH WELLER 1Mit dem Begriff der ‚menschlichenSicherheit’ wird unsere Aufmerksamkeitdarauf gelenkt, dass vornehmlichMenschen und nicht Staaten auf Sicherheitangewiesen sind. Und menschlicheSicherheit besteht nicht allein darin, vorphysischer Gewalt bewahrt zu werden,sondern auch vor Armut, Krankheit,Not und vor der Verletzung von Menschenrechten.2 Und diese Zielsetzungerfordert eine grundlegend veränderte„Sicherheitspolitik“, in der das Militärnur noch ein Element neben vielenanderen ist. Zivile Konfliktbearbeitunggewinnt damit an Bedeutung.Eine solche Umorientierung ist dringendgeboten, sterben doch deutlichmehr Menschen in wirtschaftlicher Notoder an heilbaren Krankheiten als dasssie in Kriegen ihr Leben verlieren. Dassdie Massenmedien uns viel intensiverüber Kriegs- als über Armutsopfer informieren,ist dagegen allein derenOrientierung an spektakulären und einmaligenEreignissen geschuldet. Vordiesem Hintergrund ist es um so wichtiger,dass Konzepte ‚menschlicherSicherheit’ für die weitaus größerenGefährdungen durch Armut und Unterentwicklungsensibilisieren. Statt derErhöhung von Militärhaushalten wirddie Umschichtung der Mittel zugunstenziviler Maßnahmen im Rahmen derEntwicklungspolitik gefordert.Falsche SicherheitsdebatteDoch wird die öffentliche Debatte heutewieder von Bedrohungsszenarien dominiert,die einmalige Gewaltereignissein den Mittelpunkt rücken: TransnationalerTerrorismus, die Verbreitung vonMassenvernichtungswaffen und Staatszerfallwerden als akute Gefährdungen1 Dr. Christoph Weller, Wissenschaftlicher Geschäftsführerdes Instituts für Entwicklungund Frieden (INEF) der Universität Duisburg-Essen, E-Mail: weller@uni-duisburg.de2 Vgl. dazu Michael Brzoska: Human Security -mehr als ein Schlagwort, in: Friedensgutachten2004, Münster, Juni 2004, S. 158f.unserer Sicherheit dargestellt. Spätestensseit den militärischen Reaktionenauf den 11. September 2001 stehenkriegerische Instrumente und die mitihnen einhergehenden Denkschemata(zum Beispiel die „Achse des Bösen“)wieder im Vordergrund der ‚Sicherheitspolitik’.3Mit militärischer Sicherheitspolitik, diedie gewaltsamen Mittel der Konfliktbearbeitungin den Vordergrund stellt, lassensich weder die Ursachen von Gewaltkonflikten– zu denen Armut undungleiche Ressourcenverteilung gehören– beseitigen, noch gesicherte Strukturenschaffen, innerhalb derer zukünftigeKonflikte ohne Gewaltanwendungausgetragen werden können. 4 Zudemwerden bei der militärischen SicherheitspolitikRessourcen aufgebraucht,die dringend für die Armutsbekämpfungund für Maßnahmen gegen Unterentwicklung,also für die Verbesserungmenschlicher Sicherheit benötigt werden.Gewaltkonflikte bedrohen menschlicheSicherheit3 Vgl. dazu Christoph Weller / Ulrich Ratsch /Reinhard Mutz / Bruno Schoch / CorinnaHauswedell (Hrsg.): Friedensgutachten 2004,Münster, Juni 2004, S. 3-21.4 Vgl. dazu Bettina Führmann: Krisenpräventionin einer gewaltträchtigen Welt: WelchenBeitrag kann die Armutsbekämpfung leisten?,in: Friedensgutachten 2004, Münster, Juni2004, S. 184f.Neben Armut, Krankheit und Menschenrechtsverletzungensind auch eskalierendeKonflikte auf lokaler, regionaleroder inter-ethnischer Ebene eineernsthafte Bedrohung menschlicherSicherheit. Und am stärksten haben zumeistdie Ärmsten unter Gewaltkonfliktenzu leiden. In diesen Fällen sind dieGeberorganisationen der Entwicklungszusammenarbeitgefordert, ihre Maßnahmenin der Weise an die Konfliktsituationanzupassen, dass nicht nurden Opfern der AuseinandersetzungenHilfe zukommt, sondern auch die KonfliktparteienAnreize bekommen, ihreKonfliktaustragungsformen zu deeskalieren.Daneben besteht für die Organisationender Entwicklungszusammenarbeit dieMöglichkeit, auch direkt auf die Konfliktsituationund seine AustragungsformEinfluss zu nehmen. Darauf zielenMaßnahmen der Krisenpräventionund Zivilen Konfliktbearbeitung. Esgeht darum, die Eskalationsgefahr vonKonflikten noch vor dem Ausbruch kollektiverGewalt zu erkennen und gewaltvorbeugendeMaßnahmen zu ergreifen.Dazu gehören beispielsweisedie Stärkung von Friedenskräften undvon Organisationen, die auf Ausgleichund Vermittlung zielen. Bezogen aufdie staatlichen Strukturen geht es etwaum die Förderung von Good Governance(guter Regierungsführung), umeine zivilisierende Reform des Sicherheitssektorsoder um die Verbesserungdes Rechtssystems und der breiten Zugängezu solchen Institutionen zivilerKonfliktbearbeitung. 5Zunächst aber heißt die Grundforderungan alle Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit„Konfliktsensibilisierung“.Entwicklungszusammenarbeitist nie neutral im Hinblick aufexistierende Konflikte in den Empfängerländern.Dies betrifft in besondererWeise Ressourcenkonflikte sowieStrukturen materieller Ungleichheit,die, wenn sie in Bewegung kommen,erhebliches Konflikt- und Gewaltpotenzialhervorbringen können. Die möglichenkonfliktverschärfenden Konsequenzender Entwicklungszusammenarbeitsind abzuschätzen und entlangder Forderung „Do no harm“ (etwa„Richte keinen Schaden an“) zu modifizierenoder mit direkt konfliktbegrenzendenMaßnahmen zu kombinieren.5 Vgl. dazu Norbert Ropers: Friedensentwicklung,Krisenprävention und Konfliktbearbeitung,Eschborn 2002.Social Watch Report Deutschland / 42
- Seite 1: E I N I N T E R N A T I O N A L E R
- Seite 4 und 5: InhaltsverzeichnisSeite4 Vorwort zu
- Seite 6: Vorwort zur internationalen Ausgabe
- Seite 9 und 10: Social Watch DeutschlandKurzinforma
- Seite 11 und 12: Menschliche Sicherheit bedeutet meh
- Seite 13 und 14: die sie durchqueren [...]. Ziele m
- Seite 15 und 16: Agenda 2010: Ein Armutszeugnis?VON
- Seite 17 und 18: Armut und soziale Ausgrenzung in De
- Seite 19 und 20: Migranten, Migrantinnen und ArmutVO
- Seite 21 und 22: Hindernisse für menschliche Sicher
- Seite 24 und 25: Die größten Probleme in diesemBer
- Seite 26 und 27: mus. Der Vertrag sieht einen europ
- Seite 28 und 29: Artikel III-218 des Verfassungsentw
- Seite 30 und 31: Der Zusammenhang zwischen internati
- Seite 32 und 33: waffen des Landes zu entschärfen,
- Seite 34 und 35: Druck von außen wirkt nur kurzfris
- Seite 36 und 37: die für Frauen, die Armen und ande
- Seite 38 und 39: Ungleicher Zugang zu und ungleicheK
- Seite 40 und 41: Die Wurzeln von häuslicher Gewalt
- Seite 44 und 45: Was heißt „Zivile Konfliktbearbe
- Seite 46 und 47: fährdung. Die Strategie der Hilfsw
- Seite 48 und 49: Stagnierende Entwicklungszusammenar
- Seite 50: m TEIL II
- Seite 55 und 56: Tabelle 15: Trends bei der Vergabe
- Seite 57 und 58: (73 %), Somalia (71 %), Afghanistan
- Seite 59 und 60: und Entbindung, das Angebot von Med
- Seite 61 und 62: zur unteren Hälfte der Länder mit
- Seite 63 und 64: politischen und wirtschaftlichen En
- Seite 65 und 66: globalen Einkommens, das heißt, ü
- Seite 67 und 68: das ermöglichte uns die Errechnung
- Seite 69 und 70: 1. Sterblichkeitsrate bei Kindern u
- Seite 71 und 72: Gender: Große Unterschiede zwische
- Seite 73 und 74: Tabelle 1: Die derzeitige Verteilun
- Seite 75 und 76: Tabelle 1: Die derzeitige Verteilun
- Seite 77 und 78: Tabelle 2: GrundbildungDas Recht au
- Seite 79 und 80: Tabelle 2: GrundbildungDas Recht au
- Seite 81 und 82: Tabelle 3a: Gesundheit von KindernD
- Seite 83 und 84: Tabelle 3b: Gesundheit von KindernA
- Seite 85 und 86: Tabelle 3b: Gesundheit von KindernA
- Seite 87 und 88: Tabelle 4: ErnährungssicherungDas
- Seite 89 und 90: Tabelle 4: ErnährungssicherungDas
- Seite 91 und 92: Tabelle 5: Reproduktive GesundheitD
- Seite 94 und 95:
Tabelle 5: Reproduktive GesundheitD
- Seite 96 und 97:
Tabelle 6: GesundheitDas Recht auf
- Seite 98 und 99:
Tabelle 6: GesundheitDas Recht auf
- Seite 100 und 101:
Tabelle 7: Zugang zu sauberem Trink
- Seite 102 und 103:
Tabelle 8a: Gleichstellung der Gesc
- Seite 104 und 105:
Tabelle 8a: Gleichstellung der Gesc
- Seite 106 und 107:
Tabelle 8b: Gleichstellung der Gesc
- Seite 108 und 109:
Tabelle 8b: Gleichstellung der Gesc
- Seite 110 und 111:
Tabelle 9: Entwicklung der öffentl
- Seite 112 und 113:
Tabelle 9: Entwicklung der öffentl
- Seite 114 und 115:
Tabelle 10: Information, Wissenscha
- Seite 116 und 117:
Tabelle 10: Information, Wissenscha
- Seite 118 und 119:
Tabelle 11:Unterschriften und Ratif
- Seite 120 und 121:
Tabelle 12: Ratifizierungen der wic
- Seite 122 und 123:
Tabelle 13: Ratifizierungen der wic
- Seite 124 und 125:
Tabelle 14:Status und Fälligkeiten
- Seite 126 und 127:
Tabelle 14:Status und Fälligkeiten
- Seite 128 und 129:
m NOTIZEN