Die Wurzeln von häuslicher Gewalt liegenin den ungleichen Machtverhältnissenzwischen den Geschlechtern, dieüberall auf der Welt eine männlicheÜberlegenheit über Frauen annehmenund sichern. Um einer weiteren Perpetuierungvon stereotypen Geschlechtervorstellungenvorzubeugen, die Männerals natürlicherweise Mächtige darstellen,müssen wir uns die Konstruiertheitund die Veränderbarkeit dieser Vorstellungenbewusst machen. Häusliche Gewaltist ein Resultat bestehender Geschlechterkonstruktionenund durchkulturelle, religiöse und politischeRahmenbedingungen institutionalisiert.Sie kann somit nicht als ein privatesProblem individueller Opfer betrachtetwerden, sondern muss als Menschenrechtsverletzungangegangen werden.Die Tatsache, dass der Täter eher alsprivate und nicht als öffentliche Personhandelt, darf nicht dazu führen, demStrafbestand eine geringere Bedeutungzuzumessen. So hat auch das UN-Komitee gegen Folter im Jahre 2001häusliche Gewalt berücksichtigt. RadhikaCoomaraswami, die 15 Jahre langUN-Sonderberichterstatterin „Gewaltgegen Frauen“ war, argumentiert, dassdie Trennung zwischen einer privatenSphäre und einer öffentlichen Sphäreeines der Hauptprobleme zur Überwindungvon Gewalt gegen Frauen ist.Wege zur Überwindung vonhäuslicher GewaltDa Gewalt gegen die weibliche Partnerinin allen Ebenen unserer Gesellschaftverankert ist, bedarf es einesvielschichtigen Ansatzes zur Bekämpfungvon häuslicher Gewalt.Auf der nationalen Ebene 7 sind ebenfallsErfolge zu verzeichnen, wie zum7 Fortschritte, die auf der internationalen Ebeneerzielt wurden – wie das „Übereinkommen zurBeseitigung von jeder Form von Diskriminierungder Frau“ – sind im Aufsatz „Keinemenschliche Sicherheit ohne die Gleichstellungvon Frau und Mann“ von June Zeitlinund Doris Mpoumou nachzulesen.Beispiel der Aktionsplan der Bundesregierungzur Bekämpfung von Gewaltgegen Frauen und das Gewaltschutzgesetzin Deutschland. Aber auch hierweisen die Statistiken noch keinenRückgang der Gewalt nach. 8 Dabeikann die Zusammenarbeit mit öffentlichenInstitutionen, wie Polizei undGesundheitseinrichtungen, dazu beigetragenhaben, die große Dunkelzifferder Opfer von häuslicher Gewalt einwenig zu erhellen.Trotzdem steht der gestiegenen Nachfragenach Hilfe und Unterstützung fürdie von Gewalt betroffenen Frauen diebundesweit zu beobachtende Tendenzvon Ländern und Kommunen entgegen,die finanziellen Mittel genau hierfürdrastisch zu kürzen. Ob auf nationaleroder internationaler Ebene: Das Ausmaßder Bedrohungen und das der Aufmerksamkeitstehen in keinem Verhältniszueinander.Häusliche Gewalt als Bedrohungmenschlicher SicherheitMit dem Konzept der menschlichenSicherheit besteht eine Chance, die tatsächlichenGefahren, denen Individuendurch staatliche und nichtstaatliche Gewaltausgesetzt sind, zu analysieren undpolitisch zu thematisieren.Allerdings ist zu beachten, dass dersicherheitspolitische Diskurs durch anderemachtpolitische Strukturen undHandlungslogiken geprägt ist, als etwader Entwicklungs- und Menschenrechtsdiskurs.Er muss sich einer Prioritätensetzungunterwerfen, die von denstaatlichen Sicherheitsinteressen machtvollerAkteure bestimmt wird, wie die8 Daumüller R. Wer schlägt muss gehen! –Menschenrechte, Frauenbewegung und dieEntstehung des Gewaltschutzgesetzes inDeutschland. 2004 Jahrbuch Menschenrechte2005, Suhrkamp 2004derzeitige Anti-Terrorismuspolitik drastischzeigt. 9So wird zwar in der Einleitung des Berichts„Social Security Now“ 10 daraufhingewiesen, dass geschlechtsspezifischeBenachteiligungen in die Diskussionder jeweiligen Themen integriertwerden; ein Kapitel zu dem bedeutendemSicherheitsrisiko, familiäre Gewalt,fehlt jedoch gänzlich. Dabeiwürde häusliche Gewalt nach den Definitionenvon menschlicher Sicherheitein Paradebeispiel für die Bedrohungfür Individuen darstellen. Sie wird jedochlediglich im Kapitel zu Gesundheitals „stille Krise“ erwähnt. 11Die verschwiegenen, unbestraften undin vielen Gesellschaften als natürlichoder normal angesehenen ungleichenMachtverhältnisse zwischen den Partnernund die daraus resultierende Gewaltin der Familie machen uns dieSchlüsselkomponenten einer Kulturdeutlich, die auch die Gewalt von Kriegen,Militarisierung und andere Formenvon Unterdrückung und Konflikten akzeptiert.Gewaltkulturen werden „voneiner in die nächste Generation weitervererbt.Man lernt von der Gewalt derVorväter, Opfer lernen von ihren Peinigernund die Gewalt produzierendengesellschaftlichen Verhältnisse bleibenungehindert bestehen“, so Nelson Mandela.„Kaum ein Verbrechen“, sagt dieSchweizer Außenministerin Calmy-Rey,„bleibt so systematisch ungesühnt wieGewalt gegen Frauen.“ Die Akzeptanzdieser Straflosigkeit führt uns von Kindesbeinenan vor Augen, dass Gewaltsiegt: in der Familie und im Krieg.9 Ulbert C. Human Security–- ein brauchbaresKonzept für eine geschlechtergerechte außenund sicherheitspolitische Strategie? Vortragzur Fachtagung Human Security = Women’sSecurity? des Feministischen Instituts derHeinrich Böll Stiftung 24./25. Oktober 2003Abgeordnetenhaus Berlin.10 Commission on Human Security: „HumanSecurity Now“, New York 200311 Bunch C.: A Feminist Human Rights Lens onHuman Security. Center for Women GlobalLeadership. Rutgers: 2003Social Watch Report Deutschland / 39
Menschliche Sicherheit und die Demontage von StaatenVON WOLFGANG HEINRICH 1Somalia: Ein Staat wird demontiertDie Kolonialisierung hinterließ dersomalischen Gesellschaft den modernen,zentral regierten Staat. Diese neueForm sozialer Organisation steht inkrassem Wiederspruch zur traditionellen,radikal egalitären Gesellschaftsordnungder Somali.In den ersten Jahren nach der Unabhängigkeitgalt Somalia als Modelldemokratiein Afrika. Zwischen 1961und 1969 lösten mehrere demokratischgewählte Regierungen einander ab.Gleichzeitig galt Somalia als einziger„Nationalstaat“ in Afrika, denn seineBevölkerung gehörte im Wesentlicheneiner Volksgruppe an, hatte eineSprache und einen Glauben, den Islam.Am 21. Oktober 1969 putschte sichGeneral Siad Barré an die Macht. SeineRegierung führte ein Einparteiensystemein und forderte bedingungslose Ergebenheitgegenüber dem „Staat“.Zunehmend erlebten die BürgerSomalias den „Staat“ als repressivesSystem und es formierte sich Widerstand.Um die Organisationsbasis fürdie Oppositionsgruppen zu zerstören,führte die Regierung einen äußerst brutalenKrieg gegen die Zivilbevölkerung.Schließlich kollabierte die Wirtschaft.Am 21. Januar 1991 brach die MilitärdiktaturSiad Barrés zusammen. Binnenkürzester Frist bekämpften sich die Parteien,die den Diktator vertrieben hatten,gegenseitig. Der „Staat“ Somaliahatte damit auch formell aufgehört zuexistieren.1 Wolfgang Heinrich ist Leiter der ArbeitsstelleFrieden und Konfliktbearbeitung beimEvangelischen Entwicklungsdienst e.V. (EED).Die Erfahrungen der Somali sind keinEinzelfall. Schon von Anfang an wardie Idee des „Nationalismus“ in Afrikaeine negative Idee: Sie wurde definiertallein durch den Widerstand gegen dieKolonialmächte. Und nach der Unabhängigkeitstanden die neuen Staatenohne eine positive Idee von „politischerGemeinschaft“ da. Die Versuche, „Nationen“nachträglich zu konstruieren,waren in der Mehrheit Fehlschläge. Zusätzlichwurden die Eliten der neuenStaaten sehr schnell in die wirtschaftlichen,strategischen und geo-politischenInteressen der früheren Kolonialoderder Supermächte eingebunden.Daraus resultierte seitens der internationalenGemeinschaft eher eine Politikder „Staatserhaltung“ oder gar „Staatserzwingung“,selten jedoch ein „Staatsaufbau“,der die gesellschaftlichenGrundlagen von Staatlichkeit entwickelt.Dies hatte zur Folge, dass dieMehrheit der post-kolonialen Herrscherhauptsächlich daran interessiert waren,die partikularen Interessen der Eliten zubefriedigen, die es ihnen erlaubten sichan der Macht zu halten. Das Resultatwaren schwache Verwaltungsstrukturenund labile Volkswirtschaften und eineoftmals gewaltbereite innere Opposition.Doch anstatt ihre schwierigeSituation zu erkennen, krallten sich die„politischen Führer an der Macht fest,erhöhten das Risiko und gingen dannpleite“. 2Interne Souveränität undKlientelismusDie „interne Souveränität“ eines Staatesbasiert auf dem Erfolg bei der Gewährleistungder Sicherheit seiner Bürgerinnenund Bürger – und ist zugleich dessenResultat. Der Begriff Sicherheitumfasst in diesem Kontext das erweiterteVerständnis von menschlicherSicherheit, wie es vom UN EntwicklungsprogrammUNDP entwickeltwurde. 3 Innerhalb des bestehendenSystems internationaler Beziehungenwurde es für die politischen Eliten derneu geschaffenen Staaten jedoch amwichtigsten, von anderen Staaten anerkannt– und dadurch legitimiert – zuwerden; nicht zuletzt deshalb, weil sie2 Clapham, 19963 Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen:Neue Dimensionen Menschlicher Sicherheit.New York, Oxford University Press, 1994.von ihnen Ressourcen erwarteten underhielten. Für diese Eliten war es vongeringer Bedeutung, ob ihre Machtausübungvon ihrer eigenen Gesellschaftals legitim anerkannt wurde. Wie dasBeispiel der Republik Somaliland zeigt,ist in dem System internationaler Beziehungenbis heute die Anerkennungdurch andere Staaten unverändert daswichtigste Kriterium für die Existenzeines Staates und nicht die interneSouveränität. Es ist offensichtlich, dassderartigen klientelistischen Systemen,jegliche Fähigkeit abgeht, irgend eineForm von Bürgersinn zu schaffen. Wasblieb, waren unterschiedliche Gruppen,die um Zugang zu Ressourcen undMacht gegeneinander im Wettstreitlagen. Dieser klientelistische Staat istimmer weniger in der Lage, die Bedürfnisseseiner Bevölkerung nachwirtschaftlicher, sozialer, politischerund persönlicher Sicherheit zu befriedigen.Jegliche Sicherheit, die dieseStaaten in der Vergangenheit durch dieRuhigstellung partikularer Interessengruppendurch Kooptation oder Repressionerreichen konnten, bricht unterdem wachsenden Druck schwindenderRessourcen zusammen.Phasen der Demontage von StaatenDie Demontage von Staaten durchläuftmehrere Phasen:1. Erosion der internenSouveränität: Die Institutionen desStaates erbringen für die Mehrheitder Bürgerinnen und Bürger nichtdie Leistungen, die diese erwarten.Insbesondere erfüllen sie nicht dieSicherheitsbedürfnisse, wie sie demerweiterten Sicherheitsbegriff vonUNDP zugrunde liegen. In wachsendemMaße nehmen die Bürgerden Staat vor allem als Repressionsinstrumentwahr.2. Missbrauch und „Privatisierung“des Staates: Die Eliten eignen sichden Staat, seine Ressourcen undFunktionen zur persönlichen Be-Social Watch Report Deutschland / 40
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