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Militärische Sicherheit für zivile Hilfe und Entwicklung –mehr Fragen als AntwortenVON RAINER LUCHT 1Es ist eine einfache Wahrheit: Organisationender zivilen humanitären Hilfeund Entwicklungszusammenarbeit habenschon immer in konfliktiven politischenUmfeldern gewirkt und warenmit Unsicherheit konfrontiert, wurdendavon beeinflusst und mussten sichdem stellen. Gleichsam im Norden verwurzeltund im Süden aktiv, sind siebeiden Realitäten ausgesetzt, wobei esschwieriger ist, sich dem politischenMainstream aus den Geberländern entgegenzustellen.Der Ruf nach militärischer SicherheitDie zunehmenden Gewaltkonflikte undUnsicherheit in den Ländern des Südens,beschleunigt durch die tragischenEreignisse des 11. Septembers und dieterroristischen Gewaltakte danach, derwachsende Trend im Norden zu militärischerGewaltanwendung und militärischemSicherheitsdenken haben auchdie Hilfsorganisationen nicht unbeeinflusstgelassen. Das plakative Bild vonrapide zunehmendem Chaos und entfesselterGewalt, offener Feindseligkeitund Terror in und aus den Armutsgebietender Welt – ihrem Tätigkeitsgebiet– nährt sich ja durch die täglicheÜbermittlung von Gewaltbildern undihre Dramatisierung durch die Medien.Der Ruf nach mehr Sicherheit, Stabilitätund Erfolg für zivile Hilfe, Wiederaufbauund Entwicklung in KonfliktundNachkriegsgebieten hat auch dieöffentliche Debatte über ihren Schutzund Kooperation mit dem Militär entfacht– zunächst bei den humanitärenOrganisationen, neuerdings auch unterden entwicklungsorientierten Hilfswerken.Während etliche davor zurückschreckenoder zögern, suchen, ja fordernandere den Schutz durch das Militärund kooperieren mit Militäreinheitenihres eigenen Landes oder internationalenTruppen, welche die Lage in1 Rainer Lucht ist Grundsatzreferent der DiakonieKatastrophenhilfe.den Gefahrenregionen nach offiziellemSprachgebrauch ‚stabilisieren’ helfensollen.Im deutschen Falle folgte die kontroverseDebatte der neuen deutschenSicherheitspolitik und den Auslandseinsätzender Bundeswehr vom Balkan(Bosnien, Kosovo, Mazedonien) bis insferne Afghanistan. Letztes Highlight:Der Einsatz von 250 Bundeswehrsoldatenin der afghanischen Provinz Kundus,wo sie zivile Hilfe und Wiederaufbausowie Autorität und Wahl der provisorischenafghanischen Zentralregierungsichern helfen sollen. Es gilt alspolitisch zukunftsweisendes Gemeinschaftsprojektvon vier Bundesministerien2 und propagiert unter dem Motto„keine Entwicklung ohne Sicherheit“Kooperation und komplementäre Aktionvon Militär und zivilen Akteuren. 3Bei den deutschen zivilen Organisationenist dies bisher auf keine großeGegenliebe gestoßen.Zuerst humanitäre und zivileBedenkenEs geht bei den Bedenken natürlichzuerst um humanitäre und zivile Prinzipienund Traditionen der Organisationen.Eine humanitäre Hilfsorganisation,die allen Not leidenden Menschenin Konflikt- und Kriegsgebieten helfenwill – unabhängig von deren ethnischen,religiösen oder politischen Zugehörigkeit– kann das nicht mehrglaubwürdig tun, wenn sie sich unterden erklärten Schutz einer der Konfliktparteienbegibt und mit ihr identifiziertwird. Denn es macht sie zum potentiellenFeind der anderen Seite und versperrtihr den humanitären Zugang zu2 Bundesministerium für Verteidigung, Bundesministeriumdes Inneren, Bundesministeriumfür wirtschaftliche Zusammenarbeit, AuswärtigesAmt3 Vgl. Stefan Klingebiel/Katja Roehder, Entwicklungspolitisch-militärischeSchnittstellen– neue Herausforderungen in Krisen und Post-Konflikt-Situationen, DIE, Bonn 2004den Menschen in deren Einflussgebiet.Darüber hilft auch kein UN-Mandathinweg, wenn das ausländische Militärmit einem parteilichen politischenAuftrag („peace enforcement“, Friedenserzwingunggemäß UN Charta,Kapitel VII) eingreift und innerhalb desLandes so wahrgenommen wird. Umsomehr gilt das, wenn Militär und zivileOrganisationen aus demselben ‚westlichenLager’ stammen und wegen solcherAffinitäten von ‚nichtwestlichen’Gegenparteien besonders verdächtigtwerden. Deshalb plädieren etlicheHilfsorganisationen für Distanz zum‚eigenen’ Militär und bauen auf ‚zivileSicherheit’, nämlich durch ihre unparteilicheund ausgewogene Hilfe Akzeptanzund Schutz von der lokalen Bevölkerungzu bekommen, weil derSchutz durch Militärs erfahrungsgemäßihre Gefährdung eher erhöht und vorallem ihre Glaubwürdigkeit infragestellt.Auch die Entwicklungshilfswerke stehenmit ihrem Ziel sozialer Armutsbekämpfungvor mehreren Dilemmata:Konzentrieren sie ihre Arbeit auf solcheGebiete, wo Militär präsent ist und ihnenSicherheit gibt, droht zivile Armutsbekämpfungsich auf solche Regioneneinzuschränken, die sich dasMilitär aus militärstrategischen Gründenausgewählt hat, wo aber Armut undNot nicht am stärksten sind. ImSchatten militärischer Sicherheit drohensich damit ihre Prioritäten zu verschieben.Außerdem besteht die Gefahr,dass Entwicklungszusammenarbeit inlokaler Kooperation mit Militär fürmilitärische Strategien und Eigeninteressen(‚to win the hearts andminds of people’) vereinnahmt wird.Wenn dazu noch in Konfliktgebietender Eindruck unter der Bevölkerungentsteht, zivile Entwicklungsprojektebegünstigen diejenigen, die auf Seitenoder unter dem Schutz einer militärischenPartei stehen, untergräbt das ihreGlaubwürdigkeit und verstärkt ihre Ge-Social Watch Report Deutschland / 44

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