Stagnierende EntwicklungszusammenarbeitAnmerkungen zum Einzelplan 23 des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und EntwicklungVON KLAUS HEIDEL 1Das Konzept menschlicher Sicherheitverlangt einen umfassenden Sicherheitsbegriff.Diese Einsicht hat schonseit Jahren Eingang in Verlautbarungender deutschen Bundesregierung gefunden.So heißt es in der Koalitionsvereinbarungder Bundestagsfraktionenvon SPD und Bündnis 90/Die Grünenvon 2002:„Die Bundesregierung stützt sich [...]auf einen Sicherheitsbegriff, der auchwirtschaftliche, menschenrechtlicheund entwicklungspolitische Aspekteberücksichtigt“. Folgerichtig erklärteBundeskanzler Gerhard Schröder am29. Oktober 2002 in seiner Regierungserklärung:„Sicherheit ist heute wenigerdenn je mit militärischen Mitteln, geschweigedenn mit militärischen Mittelnallein herzustellen“.Ganz in diesem Sinne bekräftigte dieKoalitionsvereinbarung die Verabredungder ersten UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierungin Monterrey/Mexiko (März 2002), die öffentlicheEntwicklungszusammenarbeit (OfficialDevelopment Assistance, ODA) bis2006 deutlich zu erhöhen. Bis dahin, soschrieben die Koalitionsfraktionen fest,solle der Anteil der deutschen ODA amBruttonationaleinkommen (BNE 2 ), dieso genannte ODA-Quote, auf 0,33 Prozentansteigen. Doch dieser Einzelplan23 des Bundeshaushaltsplanes stagniertseit Jahren: Zwar sind für 2004 knapp16 Millionen Euro mehr als im Vorjahrvorgesehen, doch seit 2001 ist der Etatdes Bunsdesminsiteriums für wirtschaftlicheZusammenarbeit (BMZ) nurum verschwindende 0,4 Prozent gewachsen.Damit stabilisiert sich dieserEtat auf niedrigem Niveau – sein Anteilam Bundeshaushaltsplan 2004 beträgt1 Klaus Heidel ist Mitbegründer und Mitarbeiterbei der <strong>Werkstatt</strong> Ökonomie e.V. und Sprechervon Social Watch Deutschland.2 Seit 1998 wird international anstelle desBruttosozialproduktes (BSP) das fast identischeBruttonationaleinkommen (BNE) verwendet.magere 1,5 Prozent. Die jahrelangrückläufige Entwicklungsfinanzierungspiegelte auch der Verfall der ODA-Quote, die 1985 mit 0,46 Prozent ihrenHöchststand erreicht hatte und bis 1998auf 0,26 Prozent abgesackt war (sieheauch Tabelle 15, S. 54). Im Jahre 2000setzte eine leichte Konsolidierung ein,so dass sie 2003 auf 0,28 Prozentanstieg. Doch dies reicht bei weitemnicht aus, um die Verabredung vonMonterrey einzuhalten:Unterstellt, auch im Jahre 2006 würdeder Anteil des Einzelplanes 23 an dergesamten deutschen ODA wie seit 2000bei rund zwei Dritteln liegen (1998hatte er noch 80,7 Prozent betragen),und weiter angenommen, das BNEwürde jährlich wie 2003 nur um knapp0,5 Prozent wachsen, dann müsste derEinzelplan 23 bis 2006 ein Niveau vonrund 4,6 Milliarden Euro erreichen:Denn bei einem erwarteten BNE vonrund 2.150 Milliarden Euro entsprächeeine ODA-Quote von 0,33 Prozent demNiveau der gesamten deutschen ODAvon rund sieben Milliarden Euro.Damit aber müsste der BMZ-Etat umrund 900 Millionen über dem Niveauvon 2004 liegen.Dies scheint auch die Bundesregierungzu sehen, jedenfalls erklärt sie, es würden„zur Erreichung des 0,33%-Zielsdarüber hinaus die Ausgaben der EUfür Entwicklungspolitik, die der deutschenODA anteilmäßig zugerechnetwerden, ebenso beitragen wie eine stärkereNutzung der Verbundfinanzierungund die Auswirkung der bereits laufendenSchuldenerlasse im Rahmen derEntschuldungsinitiative HIPC II“. 3Kritisch hierzu ist einzuwenden, dasseine ausreichende Ausweitung der EU-Entwicklungszusammenarbeit keinesfallsgesichert ist. Weiter dürften die3 BMZ: Die Finanzressourcen des BMZ. Entwicklungszusammenarbeitim Bundeshaushalt2004,www.bmz.de/about/haushalt/finanzress2004.Umschuldungsmaßnahmen im Rahmender erweiterten HIPC-Initiative (HIPC:Highly Indebted Poor Countries) bis2006 weitgehend abgeschlossen sein,so dass sie nur noch geringfügig zurErhöhung der ODA betragen werden.Auch eine Ausweitung der Entwicklungspartnerschaftmit der Wirtschaft(im Rahmen der Public PrivatePartnership) wird schwerlich die fehlendenMittel aufbringen können.Doch nicht nur die Stagnation desBMZ-Etats widerspricht den Erfordernissen,Maßnahmen zur Gewährleistungmenschlicher Sicherheit zu finanzieren.Dies gilt auch hinsichtlich beträchtlicherVerschiebungen in derStruktur des Einzelplanes 23. Vor allemist daran zu erinnern, dass der BMZ-Etat neue Aufgaben übernommen hat.Im Jahre 2001 wurden erstmals rund100 Millionen Euro für den StabilitätspaktSüdosteuropa im Einzelplan 23veranschlagt. Seither wird dieser Stabilitätspaktebenso wie der Stabilitätspaktfür Afghanistan über den BMZ-Etatfinanziert, ohne dass jedoch dieseÜbernahme zusätzlicher Aufgabendurch eine Aufstockung des Etats ausgeglichenworden wäre. Dass die Mittelfür diese Pakte inzwischen nicht mehrgesondert ausgewiesen werden, undzudem die für die Finanzierung vonVorhaben in Mittel- und Osteuropa(vgl. Abschnitt III der Übersicht überden Einzelplan 23) bestimmten Titelschrittweise in andere Titel aufgelöstwerden sollen, führt ebenso wie dieEinstellung des Titels für das Aktionsprogramm2015 zu einer Verringerungder Transparenz des Einzelplanes 23und vor allem zu einer Verringerungder Mittelbindung zugunsten der „klassischen“Entwicklungsländer inLateinamerika, Afrika und Asien.Social Watch Report Deutschland / 47
Einzelplan 23: (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung)absolute Beträge in Millionen EuroVeränderungTitel 2001 (Ist) 2002 (Ist) 2003 (Soll) 2004 (Soll) 2001 bis 2004in %I. Staatliche Institutionen in Deutschland und (deutsche) FachkräfteBundesministerium Kapitel 2301 42,8 47,1 57,1 55,0 + 28,3%Varia BundesministeriumTitelgruppe06 3,4 3,4 2,7 4,3 + 26,7%685 40, 894 40,Einrichtungen der Entwicklungszusammenarbeit im Inland – Betrieb 831 40 45,4 45,6 46,0 46,8 + 3,0%Deutscher Entwicklungsdienst – Betrieb 687 40, 896 40 68,3 72,7 69,3 71,1 + 4,2%Sächliche Verwaltungsaufgaben (Evaluierung, Forschung, Tagungen usw.) 532 02, 532 04,544 01, 545 01 1,7 2,4 4,3 2,4 + 38,2Zuschüsse an integrierte Fachkräfte und rückkehrende Fachkräfte 685 08 38,9 40,0 45,0 50,0 + 28,6%Varia Fachkräfte 681 02,(Leistungen nach Entwicklungshelfergesetz und Aus- und Weiterbildung) 686 13 5,3 7,1 9,6 10,9 + 105,2%Zwischensumme ZS I 205,8 218,3 234,0 240,5 + 16,9%Anteil ZS I an Einzelplan 23 in Prozent 5,5% 5,8% 6,2% 6,4%II. Bilaterale Entwicklungszusammenarbeit mit Entwicklungsländern (ohne unter III ausgewiesene Mittel)Finanzielle Zusammenarbeit 866 01 1.173,2 1.029,0 1.000,0 982,5 – 16,3%Technische Zusammenarbeit im engeren Sinne 896 03 543,3 575,4 585,0 594,9 + 9,5%Nahrungsmittel-, Not- und Flüchtlingshilfe 687 25 97,1 112,7 71,5 71,5 – 26,4%Aktionsprogramm 2015 687 05 – – 40,0 –Ernährungssicherungsprogramme in Entwicklungsländern 687 08 16,9 18,6 19,0 19,0 + 12,6%Förderung der Sozialstruktur in Entwicklungsländern 687 03 19,0 22,8 26,7 29,7 + 56,4Berufliche Aus- und Fortbildung von Angehörigen der Entwicklungsländer 685 01 73,2 76,7 83,0 90,0 + 22,9%Zwischensumme ZS II 1.922,7 1.835,1 1.825,2 1.787,6 – 7,0%Anteil ZS II an Einzelplan 23 in Prozent 51,0% 49,0% 48,4% 47,2%III. Zusammenarbeit mit Mittel- und Osteuropa und der GUSFörderung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung inMittel- und Osteuropa und in der GUS 687 12 142,5 95,1 58,3 24,5 – 82,8%Beratungshilfe für den Aufbau von Demokratien in Mittel- und Osteuropaund in der GUS (2001: ca. 25,6 aus EP 60) 687 88 40,9 30,2 15,6 8,0 – 80,4%Sonderhilfen (Bulgarien, Rumänien) 866 11 5,1 – 100,0%Zwischensumme ZS III 188,5 125,3 73,8 32,5 – 82,8%Anteil ZS III an Einzelplan 23 in Prozent 5,0% 3,4% 2,0% 0,9%I V. Förderung zivilgesellschaftlicher deutscher AkteureEntwicklungspolitische Bildung 684 01 3,6 5,2 6,7 10,0 + 179,9%Ziviler Friedensdienst 687 02 7,6 10,9 14,3 14,3 + 88,8%Politische Stiftungen 687 04 149,8 164,4 174,0 181,0 + 20,8%Private deutsche Träger 687 06 18,8 23,4 25,0 29,0 + 53,9%Entwicklungspartnerschaft mit der Wirtschaft 687 11 34,2 35,9 35,0 38,5 + 12,7%Kirchen 896 04 144,2 154,8 154,1 161,1 + 11,8%Zwischensumme ZS IV 358,2 394,6 409,1 433,9 + 21,1%Anteil ZS IV an Einzelplan 23 in Prozent 9,5% 10,5% 10,9% 11,5%V. Multilaterale Entwicklungszusammenarbeit (ohne IWF, Weltbank und Regionalbanken)Europäischer Entwicklungsfonds 896 02 296,0 379,7 429,0 468,7 + 58,3%VN-Organisationen u.a. 687 01 71,9 137,9 144,9 155,2 + 116,0%Internationale Ernährungssicherung 687 23, 687 38, 46,2 49,3 47,0 48,0 + 4,0%836 07Weltweiter Umweltschutz 896 09, 2000mit 896 10 59,0 63,0 100,2 90,0 + 52,6%Zwischensumme ZS V 473,0 629,9 721,1 761,9 + 61,1%Anteil ZS V an Einzelplan 23 in Prozent 12,6% 16,8% 19,1% 20,1%VI. IWF, Weltbank und RegionalbankenIWF/Weltbank 666 02 (nur bis 2002),836 02 451,0 342,9 333,5 363,3 – 19,4%Regionalbanken 836 03 bis 836 08,ohne 836 07 167,7 196,6 170,8 163,8 – 2,3%Zwischensumme ZS VI 618,7 539,5 504,4 527,1 – 14,8%Anteil ZS VI an Einzelplan 23 in Prozent 16,4% 14,4% 13,4% 13,9%Summe Einzelplan 23 3.766,8 3.742,5 3.767,5 3.783,4 + 0,4%Anteil Einzelplan 23 am Bundeshaushalt 1,6% 1,5% 1,4% 1,5%Social Watch Report Deutschland / 48
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