92Legt die globale Erwärmung eine Pause ein?S<strong>im</strong>ulation des vergangenen, heutigen und zukünftigen Kl<strong>im</strong>asM. Latif, N.S. Keenlyside, IFM-GEOMAR,Leibniz-Institut für Meereswissenschaften an derUniversität KielKurzgefasst• Die globale Erwärmung ist Realität• Kurzfristige natürliche Schwankungen überlagernden langfristigen Erwärmungstrend• Ein besseres Verständnis der Ursache der kurzfristigenSchwankungen kann mit Hilfe von Kl<strong>im</strong>amodellengewonnen werden• Anhand des vergangenen Kl<strong>im</strong>as kann man dieModelle überprüfen• Verbesserte Kl<strong>im</strong>avorhersagen für die nächstenJahrzehnte sind möglichDer globale Kl<strong>im</strong>awandel steht <strong>im</strong> Blickpunkt desöffentlichen Interesses. Wir Menschen entlassenseit Beginn der Industrialisierung große Mengendes Treibhausgases Kohlendioxid (CO 2 ) in die Atmosphäre,wodurch sich die Erde aufheizt. DieTemperatur der Erde zeigt einen offensichtlichenErwärmungstrend von gut 0,7°C während des 20.Jahrhunderts. Die Auswirkungen der Erwärmungsind unübersehbar: So zieht sich das Eis der Erdebeispielsweise <strong>im</strong>mer mehr zurück. Die arktischeEisbedeckung hat sich allein während der letzten30 Jahre um etwa 30% verringert. Die Gebirgsgletscherschrumpfen in allen Breitenzonen und derMeeresspiegel ist während des 20. Jahrhundertsum knapp 20 Zent<strong>im</strong>eter gestiegen, um nur einigeÄnderungen zu nennen.Eine inhärente Eigenschaft des Kl<strong>im</strong>as istseine große Schwankungsbreite. Die Temperaturder Erde zeigt daher neben dem langfristigenErwärmungstrend ausgeprägte Schwankungenauf kürzeren Zeitskalen, von Jahr zu Jahrund von Jahrzehnt zu Jahrzehnt. Das Kl<strong>im</strong>asystemunterliegt vielfältigen natürlichen Einflüssen,woraus sich die irreguläre Temperaturentwicklungerklärt. Es verwundert daher nicht, dass es seit1998 keinen neuen Temperaturrekord gegeben hatund das Kl<strong>im</strong>a eine Art Atempause“ durchläuft.”Die oftmals zyklischen natürlichen Kl<strong>im</strong>aschwankungenkönnen den von uns Menschen hervorgerufenenErwärmungstrend kurzzeitig bremsen oderbeschleunigen. Wir können daher nicht erwarten,dass es jedes Jahr neue Temperaturrekorde zuverzeichnen gibt.Eine wichtige Aufgabe der Kl<strong>im</strong>aforschung bestehtdarin, die Dynamik der natürlichen Kl<strong>im</strong>aschwankungenzu verstehen und ihre Vorhersagbarkeitzu untersuchen. Man unterscheidet prinzipiellinterne und externe Kl<strong>im</strong>aschwankungen. InterneSchwankungen sind der chaotischen Naturdes Kl<strong>im</strong>as geschuldet. Zu den internen Kl<strong>im</strong>aschwankungenzählt man beispielsweise langperiodischeSchwankungen der Winde und Meeresströmungen,die durch Wechselwirkungen zwischender Atmosphäre und dem Ozean hervorgerufenwerden, ohne dass es eines äußeren Antriebsbedarf. Änderungen der Randbedingungen sinddie Ursache externer Schwankungen. Vulkanausbrücheoder Änderungen der Solarkonstante beeinflussendie Strahlungsbilanz der Atmosphäre,ein wichtiger Antrieb für das Kl<strong>im</strong>a.Das Projekt befasst sich mit der Dynamiknatürlicher Kl<strong>im</strong>aschwankungen und mit Vorhersagenzum globalen Kl<strong>im</strong>awandel. Die natürlichenSchwankungen werden neben dem Anstieg derTreibhausgaskonzentrationen die Kl<strong>im</strong>aentwicklungwährend der nächsten Jahrzehnte <strong>im</strong> erheblichenMaße mit best<strong>im</strong>men, insbesondereauf der regionalen Skala. Das Ziel ist es,die Vorhersagen zum globalen Kl<strong>im</strong>awandel dadurchzu verbessern, auch die kurzfristigennatürlichen Kl<strong>im</strong>aschwankungen vorherzusagen,die dem langfristigen durch den Menschen verursachtenErwärmungstrend überlagert sind. Dazuist es notwendig, auch das Kl<strong>im</strong>a der Vergangenheitzu verstehen, dass ein breites Spektrum vonFluktuationen aufweist. Die Mittelalterliche Warmzeitoder die Kleine Eiszeit sind Beispiele.Komplexe Kl<strong>im</strong>amodelle sind hilfreiche Werkzeuge,um die Kl<strong>im</strong>averänderlichkeit zu verstehenund kurzfristige Fluktuationen vorherzusagen.Die Modelle haben inzwischen einen Standard erreicht,der es rechtfertigt, mit ihnen die Dynamikder natürlichen Kl<strong>im</strong>aschwankungen zu untersuchen.In sog. Kontrolls<strong>im</strong>ulation kann man etwa dieinterne Kl<strong>im</strong>avariabilität studieren und deren Statistikmit Beobachtungen der letzten Jahrhundertevergleichen. Anderseits kann man die Modellemir externen Antrieben, etwa mit Schwankungender Solarkonstante, ”füttern“ und die Reaktion desKl<strong>im</strong>asystems s<strong>im</strong>ulieren. Die Ergebnisse liefernwertvolle Hinweise auf den natürlichen ”Rauschpegel“des Kl<strong>im</strong>as und auf die potentielle Vorhersagbarkeitvon kurzfristigen Kl<strong>im</strong>aschwankungen. Insbesonderezeigen die Modelle, dass die kurzfristigenzwischenjährlichen und dekadischen Schwankungenin gewissem Maße vorhersagbar sind.Bisherige Rechnungen zum globalen Wandel,wie die <strong>im</strong> letzten Bericht des UNO Kl<strong>im</strong>aratsGeowissenschaften
93Abbildung 1: Die Abbildung zeigt die Vorhersage (grün) von Keenlyside und Kollegen aus dem Jahr 2008. Danacherhöht sich die globale Temperatur der Erde <strong>im</strong> Vergleich zu der Vorhersage ohne die Einbeziehungdes aktuellen Kl<strong>im</strong>azustands (schwarz) zunächst weniger schnell, um danach beschleunigt voranzuschreiten.(IPCC) 2007 veröffentlichten, hat man unter Annahmebest<strong>im</strong>mter zukünftiger atmosphärischerTreibhausgasentwicklungen durchgeführt. DieseStrategie ist gerechtfertigt, solange man an derlangfristigen Entwicklung des Kl<strong>im</strong>as etwa bis zumEnde dieses Jahrhunderts interessiert ist. Umauch die kurzfristige Entwicklung in den kommendenJahren vorherzusagen, müssen die Modellezusätzliche Informationen über die natürlichenKl<strong>im</strong>aschwankungen erhalten, insbesondere überdie Schwankungen der Meeresströmungen. DasFehlen entsprechender Messungen hat das bisherverhindert. Wir haben eine Methode entwickelt,um die Strömungen aus den Meeresoberflächentemperaturenabzuleiten. Letztere sindfür die vergangenen 50 Jahre gut bekannt.Mit dieser zusätzlichen Information lassen sichdann mit den Kl<strong>im</strong>amodellen auch die kurzfristigennatürlichen Kl<strong>im</strong>aschwankungen vorhersagen,welche die langfristige, anthropogene Erwärmungüberlagern.Die so verfeinerten Vorhersagen lassen vermuten,dass sich die globale Erwärmung in den kommendenJahren etwas abschwächt. Ab der Mittedes Jahrzehnts wird es entsprechend der Vorhersagendann wieder eine beschleunigte Erwärmunggeben, weil die natürlichen Schwankungen vermutlichin ihre positive Phase umschlagen werden.Die Modelle weisen allerdings auch nocherhebliche Schwächen auf, die u.a. daraufzurückzuführen sind, dass sie noch recht grobauslösendsind. Das <strong>HLRN</strong> bietet die Möglichkeit,die horizontale Auflösung von derzeit knapp 400Kilometer auf 50 Kilometer global zu erhöhen, wasregional detailliertere Vorhersagen zulässt. In einigenJahren sind dann vermutlich Rechnungenmit einer globalen Auflösung von 10 Kilometermöglich. Dann wird man auch kleinräumige Prozessewie die mesoskaligen Wirbel <strong>im</strong> Meer aufzulösenkönnen, die einen wichtigen Einfluss aufdas großräumige Stromsystem, wie den Golfstrom,ausüben.Mehr zum Thema1. Keenlyside, N. S., M. Latif, J. Jungclaus, L.Kornblueh, and E. Roeckner, 2008: AdvancingDecadal-Scale Cl<strong>im</strong>ate Prediction in the NorthAtlantic Sector. Nature, 453, 84-88.2. Park, W., N. S. Keenlyside, M. Latif, A. Ströh, R.Redler, E. Roeckner, and G. Madec (2009): TropicalPacific cl<strong>im</strong>ate and its response to globalwarming in the Kiel Cl<strong>im</strong>ate Model. J. Cl<strong>im</strong>ate,22 (1), 71-92, DOI: 10.1175/2008JCLI2261.1.FörderungEuropäische Union (Dynamite und Ensembles)Geowissenschaften