136Luftwirbel <strong>im</strong> FlugantriebS<strong>im</strong>ulation des Überziehens von Triebwerkseinlaufströmungen mit fortschrittlichenTurbulenzmodellenR. Radespiel, A. Probst, Institut fürStrömungsmechanik, TU BraunschweigKurzgefasst• Strömungsablösungen <strong>im</strong> Einlauf von Triebwerkenkönnen den sicheren Betrieb der Flugantriebegefährden.• Zur Vorhersage solcher Phänomene eignetsich die numerische Strömungss<strong>im</strong>ulation, diemit Hilfe hochwertiger Reynolds-Spannungs-Turbulenzmodelle weiter verbessert werdenkann.• Die Auflösung der zeitlich veränderlichen, dreid<strong>im</strong>ensionalenStrömungsstrukturen erforderteinen hohen Rechenaufwand mit mehr als 100parallelisierten CPU.Trotz der hohen Sicherheitsstandards <strong>im</strong> Flugreiseverkehrbestehen auch heute noch schwer berechenbareProblemstellungen, die Gegenstandaktueller <strong>Forschung</strong> in der Luftfahrt sind. Einhäufiges Phänomen sind unerwartete Windböen,die das Flugzeug erfassen und die Insassen kräftigdurchschütteln können. Noch problematischer alsdas Wohlbefinden der Passagiere ist die Tatsache,dass die zusätzlich angreifenden Luftströmeden so genannten Anstellwinkel des Flugzeugskurzzeitig erheblich vergrößern können. Wird hierbeiein gewisses zulässiges Maß überschritten, solöst die normalerweise an der Wand gebundeneStrömung von der Oberfläche ab. Dadurch entstehenstarke Luftverwirbelungen, die die Flugeigenschaftenbeeinträchtigen können. Das Einsetzenvon Ablösungen infolge einer Anstellwinkelerhöhungwird auch als Überziehen bezeichnet.Strömungsablösungen treten nicht nur an denTragflügeln auf, sondern auch <strong>im</strong> vorderen Einlaufder Flugtriebwerke, die für den notwendigenAntrieb des Flugzeugs sorgen. Dort störendie Luftwirbel die Zuströmung zu den rotierendenSchaufelblättern <strong>im</strong> Inneren des Triebwerksund vermindern seine Schubleistung. Im Extremfallkann es sogar zum Ausfall des gesamtenTriebwerks kommen. Aus diesen Gründen ist eswichtig, das Auftreten und die Auswirkungen vonStrömungsablösungen in Einläufen möglichst genauzu kennen und vorhersagen zu können. Solassen sich bereits in der Entwurfsphase neuerFlugzeuge und Triebwerke Verbesserungen vornehmen,um die Flugsicherheit weiter zu erhöhen.In dem hier vorgestellten Projekt wird die Methodeder numerischen Strömungss<strong>im</strong>ulation zurVorhersage von Einlaufablösungen verwendet unddurch den Einsatz von fortschrittlichen Berechnungssansätzenverbessert. Dabei stellt die Wiedergabeder Turbulenz einen Schlüsselaspektfür die Genauigkeit der S<strong>im</strong>ulationsergebnissedar, da die turbulenten Schwankungsbewegungender Strömung einen wesentlichen Einflussauf den Ort und die Ausdehnung von Ablösungenhaben. Um den andernfalls enormen Rechenaufwandzu begrenzen, werden die turbulentenSchwankungen in der Regel mit Hilfe so genannterTurbulenzmodelle nur angenähert berechnet.Dadurch kann die Genauigkeit der S<strong>im</strong>ulationsergebnissestark leiden. Mit neuartigenReynolds-Spannungsmodellen (RSM), wie sie indiesem Projekt verwendet werden, sind gegenüberherkömmlichen Ansätzen jedoch deutliche Verbesserungenzu erzielen.Um die Genauigkeit und die Anwendbarkeitsolcher Modelle zu erforschen, wurde amInstitut für Strömungsmechanik ein Reynolds-Spannungsmodell in den DLR-TAU Code <strong>im</strong>plementiert[1], [2], der in diesem Projekt als pr<strong>im</strong>äresWerkzeug für die Strömungss<strong>im</strong>ulation eingesetztwird. Zur Beurteilung neuer S<strong>im</strong>ulationsverfahrengreift man üblicherweise auf exper<strong>im</strong>entelleUntersuchungen <strong>im</strong> Windkanal zurück und vergleichtdie Rechenergebnisse mit den Messdaten.Zum Zwecke dieser so genannten Validierungwerden an der UniBW München begleitendeExper<strong>im</strong>ente durchgeführt, in denen eine Triebwerksgondelbei hohen Anstellwinkeln <strong>im</strong> Windkanaluntersucht wird. Die dabei auftretendenStrömungsablösungen werden u.a. durch optischeVerfahren genau vermessen und dienen den S<strong>im</strong>ulationsrechnungenals Vergleichsbasis.Zur Vorbereitung der S<strong>im</strong>ulationen wird ein Rechennetzerzeugt, das das Strömungsgebiet umdie Gondeloberfläche in eine Vielzahl kleiner Zellenunterteilt. Das numerische Verfahren kann dieStrömungsgrößen nämlich nur in diskreten Punktendes Raumes berechnen, die durch den Aufbaudes Rechennetzes vorgegeben sind. Dabe<strong>im</strong>uss sichergestellt werden, dass die räumlicheAuflösung überall ausreicht, um die jeweils auftretendenStrömungsstrukturen erfassen zu können.Bei der vergleichsweise einfachen Geometrie einerTriebwerksgondel genügt hierfür ein Rechennetzmit etwa 5 Mio. Knotenpunkten. Um damit daszeitliche Verhalten der häufig stark schwankendenIngenieurwissenschaften
137Abbildung 1: 3D Wirbelstruktur infolge einer Strömungsablösung <strong>im</strong> Einlauf einer Triebwerksgondel. Links: Anstrichbildaus einem Windkanalexper<strong>im</strong>ent, rechts: Ergebnis einer numerischen S<strong>im</strong>ulation mit einemReynolds-Spannungsmodell, farblich dargestellt ist der Oberflächendruck.Strömungsablösungen zu s<strong>im</strong>ulieren, sind etwa 4Tage Rechenzeit auf 128 CPU-Kernen des <strong>HLRN</strong>erforderlich. Für eine aussagekräftige Beurteilungdes Verfahrens muss jedoch eine größere Anzahlsolcher Rechnungen für einen Bereich von Anstellwinkelnund unterschiedlichen Turbulenzmodellendurchgeführt werden.Mit den verwendeten Methoden konnten bereitsgute S<strong>im</strong>ulationsergebnisse des Überziehensder Triebwerksgondel erzielt werden. Währendherkömmliche Vergleichsmodelle deutlich zu früheund zu große Bereiche mit abgelöster Strömungberechnen, zeigt das Reynolds-Spannungsmodelleine nur leicht verfrühte Ablösung, die sich zudemsehr ähnlich wie <strong>im</strong> Windkanalexper<strong>im</strong>entverhält. Dies ist beispielhaft in Abbildung 1 zu sehen:In dem links dargestellten Anstrichbild ausdem Exper<strong>im</strong>ent zeigt sich eine dreid<strong>im</strong>ensionale,Eulenaugen-artige Wirbelstruktur, die in derrechts dargestellten S<strong>im</strong>ulationsrechnung mit demReynolds-Spannungsmodell gut getroffen wird.Auch die Verteilungen des Oberflächendrucksst<strong>im</strong>men bis auf einen kleinen Versatz <strong>im</strong> Anstellwinkelgut mit den Messungen überein [3].Im weiteren Projektverlauf wird das Berechnungsverfahrenso erweitert, dass ein Teil derturbulenten Schwankungen in der abgelöstenStrömung direkt aufgelöst werden kann. Dieseauch Detached-Eddy-S<strong>im</strong>ulation (DES) genannteMethode erfordert ein nochmals feineres Rechennetzund erhöht damit den Berechnungsaufwanderheblich. Andererseits kann damit der zeitlicheCharakter der wirbelhaften Strömung <strong>im</strong> Triebwerkseinlaufwesentlich genauer erfasst werden.Mehr zum Thema1. Schwamborn, D., Gerhold, T., Heinrich, R.: TheDLR TAU-Code: recent applications in researchand industry. In: Wesseling, P., Onate, E., Periaux,J., (ed.). European conference on computationalfluid dynamics, ECCOMAS CFD, 2006.2. Probst, A., Radespiel, R.: Implementation andExtension of a Near-Wall Reynolds-Stress Modelfor Application to Aerodynamic Flows on UnstructuredMeshes. AIAA-2008-770, 2008.3. Probst, A., Schulze, S., Radespiel, R., Kähler,C.: Numerical and Exper<strong>im</strong>ental Investigation aof a Stalling Flow-Through Nacelle. In: Notes onNumerical Fluid Mechanics and MultidisciplinaryDesign, Vol. 112, 2010.FörderungDFG-Forschergruppe FOR 1066, Numerische S<strong>im</strong>ulationdes Überziehens von TriebwerkseinläufenIngenieurwissenschaften