162Der Quark-Gluon-Phasenübergang der hadronischen MaterieTwisted Mass-Gitter-QCD bei endlicher TemperaturM. Müller-Preussker (für die tmfT-Kollaboration),Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für PhysikKurzgefasst• Das Verhalten hadronischer Materie unter extremenBedingungen, bei hoher Temperatur oderhoher Baryondichte, stellt weltweit einen wichtigen<strong>Forschung</strong>sschwerpunkt der Elementarteilchenphysikdar. Entsprechende exper<strong>im</strong>entelleUntersuchungen werden an den großenBeschleuniger- bzw. Detektoranlagen – RHICam Brookhaven National Laboratory, LHC amCERN, Genf und zukünftig FAIR bei der GSIDarmstadt – durchgeführt.• Man geht davon aus, dass der Übergang von einemQuark-Gluon-Plasma in Zustände, bei denendie Quarks und Gluonen in Hadronen (Proton,Neutron,...) gebunden sind, in frühen Stadiendes Universums durchlaufen wurde. Quark-Gluon-Zustände sollten auch in kosmischen Objektenextrem hoher Massendichte wie in Neutronensternen“eingefroren” sein.• Für hadronische Materie unter exper<strong>im</strong>entell bishernicht erreichten Bedingungen gibt es eineReihe von Modellaussagen. Rechnungenfrom first principles erlaubt allein die auf einemraum-zeitlichen Gitter diskretisierte Quantenchromodynamik(QCD) als Theorie der starkenWechselwirkungen zwischen Quarks undGluonen. Sie gestattet es, die (pseudo-) kritischeÜbergangstemperatur T c und die Zustandsgleichung<strong>im</strong> thermodynamischen Gleichgewichtvorherzusagen. Die dafür notwendigenS<strong>im</strong>ulationen sind extrem aufwändig und verlangenmeist eine Extrapolation zu physikalischrealistischenWerten, insbesondere der Massender up- und down-Quarks.• Im vorliegenden Projekt werden die TemperaturT c für den Übergang und die Zustandsgleichung<strong>im</strong> Rahmen einer speziellen Gitterdiskretisierungder QCD – der Wilson-twisted mass (tm)-Formulierung der fermionischen Freiheitsgrade– best<strong>im</strong>mt. Diese Formulierung zeichnet sichdurch eine automatische Verbesserung hinsichtlichder Unterdrückung der Diskretisierungsfehleraus.• Als erster Schritt der Untersuchungen wardas komplizierte Phasendiagramm der tm-Gitter-QCD aufzuklären. Inzwischen konnte T c für dreiWerte der Pionmasse best<strong>im</strong>mt werden.Die tmfT-Kollaboration (“twisted mass at finite temperature”– Mitglieder sind derzeit F. Burger, E.-M.Ilgenfritz, M. Kirchner und M. Müller-Preussker,Humboldt-Universität zu Berlin; C. Urbach, RheinischeFriedrich-Wilhelms-Universität Bonn; O. Philipsenund L. Zeidlewicz, Goethe-Universität Frankfurtund M.-P. Lombardo, Laboratori Nazionali diFrascati dell’ INFN, Italien) untersucht das thermischeVerhalten der hadronischen Materie untervoller Berücksichtigung der dynamischen Fermion-Freiheitsgrade <strong>im</strong> Rahmen der gitter-diskretisiertenQuantenchromodynamik. Dazu werden S<strong>im</strong>ulationenmit Hilfe der Hybrid-Monte-Carlo-Methodedurchgeführt. Das Ziel ist die Berechnung verschiedenerphysikalischer Größen wie Polyakov-Loop, Quark-Kondensat, Pionnorm, pseudoskalareAbschirmlänge als Funktion der Temperatur,um die Temperatur des Übergangs bzw.Crossover und letztlich die thermodynamischenZustandsgleichungen best<strong>im</strong>men zu können. Dabeisind möglichst realistisch kleine Werte derPion- bzw. der up- und down-Quarkmassen zuerreichen. Die tmfT-Kollaboration hat zur Diskretisierungder fermionischen Felder die sogenannteWilson-tm-Formulierung gewählt. Diese Diskretisierungdes QCD-Wirkungsfunktionals stellt einenalternativen Zugang zu anderen bislang untersuchtenFormulierungen dar, die vor allem verbesserteStaggered- und Wilson-clover <strong>im</strong>proved-Fermion-Wirkungen benutzen. Die Wilson-tm-Formulierungist in S<strong>im</strong>ulationen der European Twisted MassCollaboration (ETMC) bei der Temperatur T = 0seit längerem erfolgreich <strong>im</strong> Einsatz und gut verstanden.Die tmfT-Kollaboration kann auf Ergebnissender ETMC zur Kalibrierung der verwendetenParameter aufbauen.Detaillierte Voraussagen über die Crossover-Natur des Übergangs sowie zur Temperaturabhängigkeitvon Druck und Energiedichte für denFall von zwei und drei leichten Quark-Flavour-Freiheitsgraden konnten von anderen Autoren mitHilfe der Staggered- und der clover <strong>im</strong>proved-Fermionen gewonnen werden. Die Resultate erwiesensich dabei als quantitativ wie auch qualitativstark abhängig von Gitterdiskretisierungseffektenund den erreichten Werten der Pionmasse.Hieraus leitet sich die Notwendigkeit ab, zumeinen bei möglichst kleinen Quark- und Mesonmassensowie bei hinreichend großen Gittervoluminazu s<strong>im</strong>ulieren, und zum anderen aber aucheine Gitter-Formulierung zu verwenden, die es erlaubt,physikalische Observablen ohne Diskretisierungsfehlerniedrigster Ordnung in der Gitterkon-Physik
163κconfinement?Doubler regionthermal transition/crossoversurfacedeconfinementµ ∞confinement0Aoki phaseβ cusp β qu1 st order quenched l<strong>im</strong>itκ c (β, T = 0)βAbbildung 1: Phasendiagram der Gitter-QCD bei endlicher Temperatur für eine Gitterapprox<strong>im</strong>ation mit twistedmass-Fermionen∞stanten a zu best<strong>im</strong>men. Während das Erfüllender ersten Bedingung unumgänglich einen hohenRechenaufwand bedeutet, kann die zweite durchdie Verwendung der Wilson-tm-Fermionen effizientumgesetzt werden (sogenannte automatischeO(a)-Verbesserung).Die erforderlichen explorativen Studien [1] desrelativ komplizierten Phasendiagramms der tm-Gitter-QCD mit zwei flavour-Freiheitsgraden (N f =2) bildeten den ersten Teil des Projektes (sieheAbb. 1 und [2]).Aufbauend auf diesen Ergebnissen, gewonnenauf Gittern der Ausdehnung N 3 s × N t mit N s =16, 24 und N t ≡ 1/(aT) = 8, haben wir S<strong>im</strong>ulationenbei kleineren up-, down-Quarkmassenund somit notwendigerweise auf größeren Gittern(N s = 32, N t = 10, 12) durchgeführt. Auf dieseWeise waren wir nach ersten Machbarkeitsstudienund einem Nachweis der automatischen O(a)-Verbesserung [3] in der Lage, die Temperatur desÜbergangs für drei verschiedene Werte der Pionmassezwischen 300 MeV und 500 MeV zu best<strong>im</strong>men.Dies erlaubt eine Extrapolation zum physikalischenPunkt bei 140 MeV. Der Einfluss der Gitterdiskretisierungerwies sich dabei als relativ klein.Erste Ergebnisse wurden in [4] publiziert.Es besteht <strong>im</strong> weiteren die Absicht, die S<strong>im</strong>ulationenauf den realistischen Fall der N f =2 + 1 + 1 dynamischen Fermionfreiheitsgrade derup-, down-, strange- und charm-Quarks auszudehnen,mit dem Ziel, auch dafür die Temperaturabhängigkeitphysikalischer Größen wie z.B. derEnergiedichte und des Druckes zu berechnen.Mehr zum Thema1. E. M. Ilgenfritz, K. Jansen, M.P. Lombardo,M. Müller-Preussker, M. Petschlies, O. Philipsen,L. Zeidlewicz, PoS LAT2008, 206 (2008),arXiv:0809.5228 [hep-lat].2. E.-M. Ilgenfritz, K. Jansen, M.P. Lombardo,M. Müller-Preussker, M. Petschlies, O. Philipsen,L. Zeidlewicz, Phys. Rev.D80, 094502(2009), arXiv:0905.3112 [hep-lat].3. M. Müller-Preussker, E.-M. Ilgenfritz, K. Jansen,M.P. Lombardo, O. Philipsen, L. Zeidlewicz,M. Kirchner, M. Petschlies, D. Schulze,C. Urbach, PoS LAT2009, 266 (2009), ar-Xiv:0912.0919 [hep-lat].4. F. Burger, E.-M. Ilgenfritz, M. Kirchner,M.P. Lombardo, M. Müller-Preussker, O. Philipsen,C. Urbach, L. Zeidlewicz, arXiv:1009.3758[hep-lat], to appear in PoS LAT2010, (2010).FörderungDeutsche <strong>Forschung</strong>sgemeinschaft (DFG)Physik