Stenographischer Bericht 227. Sitzung - Deutscher Bundestag
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22570<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 14. Wahlperiode – <strong>227.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 21. März 2002<br />
Der Antrag der Union, der hier zur Debatte steht, ist<br />
mir deshalb etwas zu einseitig ausgerichtet. Meine lieben<br />
Kolleginnen und Kollegen der CDU und CSU, ganz logisch<br />
ist es nämlich nicht, dass Sie in Ihrem Antrag formulieren,<br />
dass die deutschen Auslandsschulen „den deutschen<br />
Unternehmen im Ausland qualifizierte, sprachkundige<br />
und bikulturell ausgebildete Mitarbeiter ... vermitteln,<br />
die auch die wirtschaftlichen Beziehungen durch<br />
emotionale Bindungen zu Deutschland zeitlebens fördern<br />
werden“, und Sie aber gleichzeitig die Regelung im Zuwanderungsgesetz<br />
ablehnen, für Studenten in Deutschland<br />
die Arbeitsmöglichkeiten sowohl während als auch<br />
nach dem Studium zu erleichtern.<br />
Ich plädiere lieber dafür, dass die Gesamtrichtung der<br />
auswärtigen Kulturpolitik, nämlich die dialogische Ausrichtung<br />
der Politik, in den Schulen anfängt. Dies müssen<br />
wir weiter unterstützen. Allerdings geht es hier um Fragen<br />
der Qualität und nicht nur um Quantität.<br />
Natürlich ist auch die Qualität nur mit entsprechenden<br />
Mitteln und Personal zu halten. Aber mir ist noch nicht<br />
bange um die gute Arbeit der Auslandsschulen. Auch in<br />
wirtschaftlich schwierigen Zeiten haben die Lehrer der<br />
Auslandsschulen immer hohes Engagement gezeigt und<br />
waren immer bereit und in der Lage, durch ihren persönlichen<br />
Einsatz Entwicklungen aufzufangen. Und mir ist<br />
auch nicht bange bei den engagierten Schulvereinen, die<br />
Gott sei Dank auch noch von Eltern und örtlichen Firmen<br />
getragen werden.<br />
Das heißt nicht, dass wir getrost die Lasten auf die Lehrer<br />
und andere abwälzen können. Natürlich steht der Bund<br />
hier in einer Verantwortung. Auch die Kooperation von<br />
Einrichtungen vor Ort kann noch verbessert werden. Ich<br />
möchte nur feststellen, dass ich bei meinen Besuchen von<br />
Auslandsschulen immer hochmotivierte Menschen vorgefunden<br />
habe, die ihre Sache mit Elan und Begeisterung<br />
getragen haben. Ich sehe die Zukunft des Auslandsschulwesens<br />
deshalb optimistischer als die Kolleginnen und<br />
Kollegen von der Opposition.<br />
Eines darf allerdings wirklich nicht passieren: Dass die<br />
deutschen Auslandsschulen zu Kaderschmieden der deutschen<br />
Wirtschaft werden. Trotz aller hier und da notwendigen<br />
und richtigen Kooperation mit Unternehmen sind<br />
die deutschen Schulen ein Aushängeschild für Deutschland,<br />
seine Kultur, seine Geschichte, seine Politik und<br />
seine Gesellschaft. Sie haben meiner Meinung nach einen<br />
Bildungs- und einen Ausbildungsauftrag. Sie sind Kulturvermittler<br />
und das sollen sie auch bleiben.<br />
Dr. Heinrich Fink (PDS): Die finanzielle Situation<br />
oder in diesem Falle die „Zukunft der deutschen Auslandsschulen“<br />
stand in der jüngeren Vergangenheit hier<br />
schon mehrfach in Rede – zumeist in ihrer Eigenschaft als<br />
Bestandteil der auswärtigen Kulturpolitik. Es hat dabei<br />
niemanden gegeben, der ihre Rolle nicht zu würdigen gewusst<br />
hätte.<br />
Ich habe noch gut eine Rede des Außenministers zum<br />
Thema Auslandskultur – gehalten im Juli 2000 – im Gedächtnis.<br />
Man könne die Bedeutung der deutschen Bildungs-<br />
und Kulturinstitute im Ausland gar nicht überschätzen,<br />
ließ er uns damals wissen. Wörtlich:<br />
Wir müssen sie<br />
(C)<br />
– die deutschen Schulen im Ausland –<br />
in die Lage versetzen, noch mehr als bisher als Orte<br />
der Begegnung zweier Kulturen in die Gastländer<br />
auszustrahlen. Deshalb brauchen wir auch hier mehr<br />
Geld.<br />
Nun, wie wir inzwischen wissen, ging sein Wunsch,<br />
der mindestens genau so sehr der unsrige – der der Opposition<br />
– war, nicht in Erfüllung. Schlimmer noch, es gab<br />
durchaus schmerzhafte Einschnitte. Und sie sollen sich,<br />
wie in den Haushaltsplänen nachlesbar ist, in den nächsten<br />
Jahren fortsetzen. Man habe die Auslandsschulen von<br />
den allgemeinen Sparzwängen nicht ausschließen können,<br />
hörten wir schon damals vom Außenminister.<br />
Seinerzeit waren es allgemeine Sparzwänge. Jetzt sind<br />
vermutlich noch besondere hinzugekommen, geschuldet<br />
dem so genannten Krieg gegen den Terror. Um einmal die<br />
Relationen zu verdeutlichen: Allein die fragwürdigen<br />
Einsätze am Horn von Afrika und auf der Arabischen<br />
Halbinsel lässt sich Deutschland jeden Monat soviel kosten<br />
wie den deutschen Auslandsschulen im Jahr gestrichen<br />
wird. Ich denke, ich habe dabei eher unter- als übertrieben.<br />
Deshalb mein Vorschlag: Holen Sie die deutsche<br />
Marine vor Djibouti und Somalia nach Hause und lassen<br />
Sie das dadurch gesparte Geld den Lehrern der deutschen<br />
Schulen. Wäre es nicht besser, man lernte in Afrika den<br />
Klang eines deutschen Kanons kennen als den Klang<br />
deutscher Kanonen?<br />
Sosehr ich also die Grundrichtung an dem vorliegenden<br />
Antrag der CDU/CSU unterstreiche – in der Konse-<br />
(D)<br />
quenz, woher das Geld für seine Realisierung leicht zu<br />
nehmen wäre, haben wir, die PDS, und sie, die<br />
CDU/CSU, gewiss diametrale Vorstellungen. Allein<br />
durch den Verzicht auf die Anwendung von oder Drohung<br />
mit militärischer Gewalt in den internationalen Beziehungen<br />
würden genügend Mittel frei, um den deutschen<br />
Schulen auf Dauer den im Antrag geforderten Stellenwert<br />
zu sichern bzw. deutlich zu erhöhen.<br />
Genau dieser Gedanke ist es übrigens auch, den ich unter<br />
den Zielen der Auslandsschulen, die der Antrag auflistet,<br />
vermisse. Denn wenn schon Ziele genannt werden,<br />
dann gehört in eine Reihe neben die Vermittlung von<br />
Grundprinzipien der Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und<br />
Menschenrechte unbedingt auch die Erziehung zu Frieden<br />
und Gewaltverzicht. Andererseits denke ich, dass es<br />
keineswegs die Aufgabe dieser Schulen sein sollte, zur<br />
– wie Sie es bezeichnen – Elitenbildung beizutragen. Deren<br />
tieferer Sinn ist es doch offenbar, im Gastland eine<br />
Lobby für die deutsche Wirtschaft zu schaffen. Oder was<br />
verbirgt sich sonst hinter der Bezeichnung „Sympathieträger<br />
für Deutschland“?<br />
Deshalb bin ich zurückhaltend gegenüber der im Antrag<br />
formulierten Aufforderung an die Bundesregierung,<br />
in Sachen Auslandschulen stärker „mit den Ländern und<br />
der Wirtschaft zusammenzuarbeiten“. Ich denke, die Interessen<br />
der deutschen Exportwirtschaft sind, vorsichtig<br />
ausgedrückt, nicht kongruent mit einigen Aspekten des<br />
auch hier formulierten Bildungsauftrages und würden