Stenographischer Bericht 227. Sitzung - Deutscher Bundestag
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22484<br />
Cem Özdemir<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 14. Wahlperiode – <strong>227.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 21. März 2002<br />
Ähnliches gilt für die Wasserwirtschaft. Wasser ist ein<br />
nicht ersetzbares Lebensmittel und unglaublich wertvoll.<br />
Daher eignet sich dieser Bereich auch nicht für Privatisierungen.<br />
Auch hier müssen wir mit den Kommunen<br />
gemeinsam an einem Strang ziehen.<br />
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-<br />
SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)<br />
Ich möchte zum Schluss noch einmal auf den jetzt eingerichteten<br />
Verfassungskonvent unter Führung von<br />
Giscard d’Estaing eingehen. Wahrscheinlich wissen nur<br />
wenige, dass Giscard d’Estaing wie kein anderer für dieses<br />
Amt geeignet ist. Er ist nämlich auch Präsident des<br />
Rates der Gemeinden und Regionen Europas,<br />
(Albert Deß [CDU/CSU]: Ein konservativer<br />
Politiker!)<br />
des ältesten europäischen Städtenetzwerkes. Ich bin mir<br />
daher ziemlich sicher, dass die Interessen der Kommunen<br />
im europäischen Verfassungskonvent gut aufgehoben<br />
sind.<br />
(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Jedenfalls<br />
besser als bei dieser Koalition!)<br />
Dadurch werden die Rechte der Kommunen gestärkt<br />
werden.<br />
Die Koalition – Herr Kollege, machen Sie sich darüber<br />
keine Sorgen – hat bereits deutlich gemacht, dass sie den<br />
Konvent auf alle nur erdenkliche Weise unterstützen wird.<br />
Ich glaube, dies ist auch für den Einigungsprozess sehr<br />
wichtig.<br />
Dabei geht es auch um die Anhörungsrechte von Kommunen,<br />
die in Deutschland bereits bestehen. Ich halte die<br />
Regelung in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der<br />
Bundesministerien, die eine obligatorische Anhörung<br />
vorsieht, für sehr vernünftig. Dies ist ein gutes Beispiel,<br />
welches es in Europa nachzuahmen gilt. Ähnliches gilt für<br />
die Frage des Klagerechts vor dem Europäischen Gerichtshof.<br />
Auch dies ist ganz wichtig für die Stärkung der<br />
Kommunen.<br />
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wissen, dass der<br />
Nationalstaat zunehmend weniger Heimat bieten kann.<br />
Wir haben hier in Berlin – die meisten von uns kommen<br />
ja nicht aus Berlin – gelernt, wie es ist, sich eine neue Heimat<br />
zu schaffen. Für mich ist dies die schwäbische Butterbrezel,<br />
die ich hier kaufe. Für die anderen sind es der<br />
rheinische Karneval sowie die Ständige Vertretung, die sie<br />
hierher gebracht haben.<br />
Jeder von uns weiß: In den Kommunen wird Demokratie<br />
praktiziert. Ohne die starken und unabhängigen<br />
Kommunen gibt es keine Demokratie.<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN<br />
und bei der SPD)<br />
Vizepräsidentin Petra Bläss: Jetzt spricht der Kollege<br />
Dr. Uwe-Jens Rössel für die PDS-Fraktion.<br />
Dr. Uwe-Jens Rössel (PDS): Frau Präsidentin! Liebe<br />
Kolleginnen und Kollegen! Kollege Özdemir, ich stimme<br />
natürlich mit Ihnen darin überein, dass die Kommunalpolitik<br />
die hohe Schule der Demokratie ist. Aber dann<br />
passt es doch nicht in die Landschaft, dass die überwiegende<br />
Mehrzahl der Städte, Gemeinden und Landkreise in<br />
der Bundesrepublik Deutschland unter einer akuten<br />
Finanznot leidet und sich diese Not sogar weiter zugespitzt<br />
hat.<br />
(Beifall bei der PDS)<br />
Die Finanzmisere der Gemeinden schadet dem sozialen<br />
Klima in den Städten und Gemeinden. Sie ist wirtschaftsfeindlich,<br />
denn sie bremst die Unternehmen in ihrer<br />
Eigeninitiative. Sie ist aber auch demokratiefeindlich.<br />
Ein Bürgermeister, eine Bürgermeisterin, die über immer<br />
weniger Geld zur Lösung der Probleme verfügt,<br />
(Susanne Kastner [SPD]: Davon verstehen Sie<br />
besonders viel!)<br />
ist diskreditiert. Damit hat auch die nachlassende Wahlbeteiligung<br />
in den Kommunen etwas zu tun. Hier müssen<br />
wir uns alle etwas einfallen lassen.<br />
(Beifall bei der PDS)<br />
Für das Finanzdesaster der Kommunen gibt es viele<br />
Ursachen. Klar ist aber eines: Bund und Länder haben ein<br />
gerüttelt Maß Anteil daran. Dies hat auch die Debatte gezeigt.<br />
Eine Reform der Kommunalfinanzen ist dringend<br />
geboten und dürfte eines der aktuellen, nicht mehr aufschiebbaren<br />
finanz- und steuerpolitischen Projekte in der<br />
Gegenwart und der Zukunft sein.<br />
Die PDS-Fraktion ist im Übrigen die einzige Fraktion<br />
im Deutschen <strong>Bundestag</strong>, die ein Konzept in das Parlament<br />
eingebracht hat und dies auch laufend weiter konkretisiert.<br />
(Beifall bei der PDS)<br />
Wir setzen uns dafür ein, dass die Kommunen dauerhaft<br />
eigene, stabile Steuereinnahmen haben und dass sie darüber<br />
weitestgehend selbst verfügen können. Die Erhöhung<br />
der so genannten Gewerbesteuerumlage, die an Bund<br />
und Land fließt, muss sofort rückgängig gemacht werden.<br />
(Beifall bei der PDS)<br />
Die frei werdenden Mittel könnten angemessen für Investitionen<br />
und zur Verbesserung der sozialen Lage in den<br />
Städten, Gemeinden und Landkreisen genutzt werden.<br />
Wir wollen die Modernisierung einer wirtschaftskraftbezogenen<br />
Steuer für die Städte und Gemeinden. Wir wollen,<br />
dass die Unternehmen diese Steuer nach ihrer Leistungsfähigkeit<br />
zahlen.<br />
(Beifall bei Abgeordneten der PDS)<br />
Wir alle müssen uns einhellig dagegen wehren, dass der<br />
Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Breuer, einerseits<br />
einen Gewinn von 650 Millionen Euro verkündet und das<br />
Institut andererseits mitteilt, dass kein Pfennig Gewerbesteuer<br />
an die Stadt Frankfurt am Main gezahlt wird. Diese<br />
Zustände dürfen wir uns nicht mehr gefallen lassen.<br />
(Beifall bei der PDS sowie der Abg. Rita<br />
Streb-Hesse [SPD])<br />
(C)<br />
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