Stenographischer Bericht 227. Sitzung - Deutscher Bundestag
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(A)<br />
(B)<br />
duktregisters ist nun geplant. Das ist ein erster Schritt in<br />
Richtung eines umfassenden Biozidinformationssystems.<br />
Zur Entlastung von Behörden wäre aber daneben die<br />
Installation eines Biozid-Beirates sinnvoll gewesen. Hier<br />
könnten auch Verbraucherverbände mitarbeiten, die sonst<br />
völlig außen vor sind.<br />
Biozide in Textilien sind schlicht überflüssig. Zudem<br />
halten wir eine Deklarationspflicht für biozidausgerüstete<br />
Produkte für notwendig. Damit konnten sich die Verbraucherschützer<br />
leider nicht durchsetzen.<br />
Ein zentrales Problem scheint uns die fehlende genaue<br />
Definition von „Bioziden mit niedrigem Risikopotenzial“.<br />
Die leistet weder die Richtlinie noch der Gesetzesentwurf.<br />
In der Richtlinie heißt es lediglich, dass Wirkstoffe<br />
nicht in den Anhang IA aufgenommen werden<br />
dürfen, wenn sie als krebserzeugend, erbgutverändernd,<br />
fortpflanzungsgefährdend, sensibilisierend oder bioakkumulierend<br />
und schwer abbaubar eingestuft sind. Wenn im<br />
Umkehrschluss alle Biozid-Wirkstoffe, die keine entsprechende<br />
Einstufung erhalten haben, als Biozid-Wirkstoffe<br />
mit niedrigem Risikopotenzial in den Anhang aufgenommen<br />
werden können, so wäre dies auf keinen Fall im<br />
Sinne des Verbraucherschutzes.<br />
Kritisch sehen wir zudem die bis zu 10-jährige Übergangszeit<br />
für Altbiozide. Hier müsste der Zeitraum drastisch<br />
verkürzt werden. Handlungsbedarf sehen wir insbesondere<br />
bei Holzschutzmitteln und Pyrethroiden. Für Altbiozide fordern<br />
wir zumindest eine Nachweispflicht sowie eine Anzeigepflicht<br />
für den großflächigen Einsatz. Die Verordnungen<br />
auf der Grundlage des Biozid-Gesetzes müssten außerdem<br />
eine Anzeige –, möglicherweise sogar eine Zulassungspflicht<br />
für großflächigen Anwendung enthalten.<br />
Der Einsatz im privaten Haushalt durch Laien – das hat<br />
die Anhörung gezeigt – ist nur bei Beschränkung der Anwendungen<br />
auf Köderdosen, Klebemittel und ähnliche<br />
Produkte sinnvoll. Auch hier könnte künftig noch nachgebessert<br />
werden.<br />
Die Wirtschaft sieht große Gefahren für KMU, weil die<br />
Kosten für die Zulassung, aber auch schon für die Notifizierung<br />
zu hoch lägen. Doch wir sind der Meinung, dass<br />
die Zulassungskosten als Fixkosten eines Produktes, etwa<br />
wie Lohn- und Rohstoffkosten, von den Firmen kalkuliert<br />
werden müssen. Das diese Internalisierung vor der Tür<br />
steht, ist den Firmen im Übrigen seit langem bekannt.<br />
Anlage 6<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 14. Wahlperiode – <strong>227.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 21. März 2002 22579<br />
Zu Protokoll gegebene Reden<br />
zur Beratung der Beschlussempfehlung und des<br />
<strong>Bericht</strong>s zu den Anträgen:<br />
– Fortführung der Beratungen zum Endbericht<br />
der Enquete-Kommission „So genannte Sekten<br />
und Psychogruppen“<br />
– Endbericht der Enquete-Kommission „So genannte<br />
Sekten und Psychogruppen“<br />
(Tagesordnungspunkt 15)<br />
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):<br />
Der Titel der damaligen Enquete-Kommission „So genannte<br />
Sekten und Psychogruppen“ verrät schon die<br />
Schwierigkeit des Themas selbst. Die Begriffe sind unklar<br />
und widersprüchlich. Die Gefahr staatlicher Überreaktionen<br />
oder Versäumnisse ist groß. Dennoch gebührt auch aus<br />
heutiger Sicht der Enquete-Kommission durchaus Dank für<br />
ihren <strong>Bericht</strong>. Gemeinsam mit den Sondervoten verschafft<br />
er einen ausgezeichneten Überblick über die Problematik.<br />
Ich möchte hier besonders das Sondervotum meiner Fraktion<br />
durch die Kollegin Köster-Loßack hervorheben.<br />
Wir sind skeptisch, wenn beispielsweise schon bei der<br />
Analyse der Probleme nicht zwischen den neuen religiösen<br />
Bewegungen und religiösen Minderheiten, den so genannten<br />
Sekten und Psychogruppen und Psychomarkt unterschieden<br />
wird. Das zeigt sich auch in der häufigen<br />
Verwendung des Begriffs „Sekte“. Das kommt oft bereits<br />
einer Vorverurteilung gleich. Wir sollten diesen Begriff<br />
von daher nach Möglichkeit in öffentlichen Verlautbarungen<br />
vermeiden. Ein Generalverdacht gegen alle Mitglieder<br />
hilft uns nicht weiter.<br />
Wir sollten nicht den Eindruck erwecken, als gingen<br />
die Gefahren dieser neuen religiösen und weltanschaulichen<br />
Gruppen über das hinaus, was in vergleichbaren sozialen<br />
Zusammenhängen leider zu beobachten ist. Das<br />
heißt natürlich nicht, dass wir in diesen Feldern keine<br />
massiven Konflikte sehen würden. Allerdings muss sich<br />
der Staat immer wieder die Grenzen seiner Handlungsmöglichkeiten<br />
vor Augen führen. In einer pluralistischen<br />
Gesellschaft müssen bestimmte Konflikte ertragen werden.<br />
In den Bereichen, wo es zu ernsthaften Übertretungen<br />
kommt, müssen allerdings die Gesetze klar und entschlossen<br />
angewendet werden. Wir müssen zur Kenntnis<br />
nehmen, dass diese religiösen und weltanschaulichen Bewegungen<br />
in allen modernen Staaten auftreten. Angesichts<br />
der Pluralität unserer Gesellschaft kann der Staat<br />
Einzelne nur beschränkt davon abhalten, die Hinwendung<br />
zu derartigen Gruppen zu vollziehen.<br />
Die Entschlossenheit, klare Grenzen auch gegenüber religiösen<br />
Gruppierungen zu ziehen, hat die rot-grüne Koalition<br />
zuletzt bei der Änderung des Vereinsrechts bewiesen.<br />
Wir haben die rechtliche Grundlage für ein Verbot dieser<br />
Vereine geschaffen. Das unverzügliche Vorgehen gegen die<br />
Gruppe um Metin Kaplan war erforderlich und auch verhältnismäßig.<br />
Von diesen Leuten ging eine massive Gefahr<br />
für die öffentliche Sicherheit aus. In solchen Fällen ist Handeln<br />
geboten. Ansonsten ist Übereifer fehl am Platz.<br />
Die Grenzen staatlichen Handelns zeigt indes eine Entscheidung<br />
des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahre<br />
1992 auf. Dort wird die Verfassungswidrigkeit der staatlichen<br />
Förderung eines Vereins zu Öffentlichkeitsaufklärung<br />
über neue religiöse Bewegungen festgestellt. Der<br />
Staat darf eben nicht – so das Bundesverwaltungsgericht –<br />
ohne weiteres in die Grundrechte der betroffenen Gemeinschaften<br />
eingreifen. Auch diesen Gruppen steht, ob<br />
wir sie nun schätzen oder nicht, das Grundrecht der Glaubensfreiheit<br />
zu. Der Exekutive sind hier Grenzen gesetzt.<br />
Diese Erwägungen auf der Grundlage der Diskussionen<br />
in der Enquete-Kommission mahnen uns zu einer umsichtigen<br />
Behandlung des Themas. Gerade die Vielzahl sehr<br />
(C)<br />
(D)