Stenographischer Bericht 227. Sitzung - Deutscher Bundestag
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22522<br />
Dr. Rainer Wend<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 14. Wahlperiode – <strong>227.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 21. März 2002<br />
Das ist Ihr zielgerichtetes Handeln: minütliche Unklarheit<br />
über Ihre Wirtschaftspolitik.<br />
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/<br />
DIE GRÜNEN)<br />
Ich will gerne auf die Themen Flexibilisierung der<br />
Arbeitsmärkte, Kündigungsschutz und angebliche<br />
Überregulierung zu sprechen kommen. Ich will Ihnen einmal<br />
eines sagen: Wir glauben, dass es, was Innovation,<br />
Modernisierung und Flexibilisierung in verschiedenen<br />
Bereichen der Wirtschaft und des Arbeitsmarkts angeht,<br />
durchaus Nachholbedarf gibt.<br />
(Gudrun Kopp [FDP]: Aha!)<br />
In aller Klarheit sage ich Ihnen aber auch: Wer diese<br />
Dinge nutzen will, um Arbeitnehmerrechte, die sich<br />
über Jahrzehnte in unserer Republik bewährt haben, abzuschaffen,<br />
um zu erreichen, dass sich Arbeitnehmer, Betriebsräte<br />
und ihre Interessenvertretungen ausschließlich<br />
einem Diktat von Unternehmern beugen, wer die Errungenschaften<br />
der sozialen Marktwirtschaft der letzten zehn<br />
Jahre jetzt opfern will, der wird mit der Sozialdemokratie<br />
niemals eine gemeinsame Politik machen können.<br />
(Beifall bei der SPD – Dr. Hansjürgen Doss<br />
[CDU/CSU]: Sie haben keine Ahnung! – Hans<br />
Michelbach [CDU/CSU]: Sie sind ein Unternehmerhasser!)<br />
Sie dürfen Betriebsverfassung, Kündigungsschutz und<br />
soziale Sicherheit für Arbeitnehmer nicht immer nur ausschließlich<br />
als Kostenfaktor sehen. Dass unsere Wirtschaft<br />
und unsere Gesellschaft so stabil sind, hängt auch<br />
damit zusammen,<br />
(Dr. Hansjürgen Doss [CDU/CSU]: Dass wir<br />
so lange regiert haben!)<br />
dass wir starke Betriebsräte und starke Gewerkschaften<br />
haben. Wir haben nicht die Absicht, an dieser Situation etwas<br />
zu ändern.<br />
(Beifall bei der SPD – Hans Michelbach<br />
[CDU/CSU]: Klassenkämpfer und Mittelstandsvernichter!)<br />
Wenn wir zu Recht feststellen, dass wir den Mittelstand<br />
in Deutschland in besonderer Weise fördern, dann sagt<br />
das über den Mittelstand nur zum Teil etwas aus. Entscheidend<br />
ist die Frage der Rahmenbedingungen.<br />
(Dr. Hansjürgen Doss [CDU/CSU]: Schädigen<br />
tun Sie!)<br />
Verehrter Herr Doss, es ist einfach nicht richtig, wenn Sie<br />
sagen, die Steuerpolitik benachteilige den Mittelstand.<br />
Die Wahrheit ist doch: Wir haben durch die faktische Verrechnungsmöglichkeit<br />
der Gewerbesteuer- mit der Einkommensteuerschuld<br />
einen Wunsch des Mittelstandes,<br />
der seit Jahren und Jahrzehnten an die Politik herangetragen<br />
wurde, erfüllt und damit das getan, was Sie, meine<br />
Damen und Herren von der Union, über Jahrzehnte nicht<br />
zustande gebracht haben.<br />
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/<br />
DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]:<br />
Warum gehen dann so viele Unternehmen<br />
Pleite?)<br />
Die Reinvestitionsrücklage, die wir als Mittelstandskomponente<br />
hinzugefügt haben, entlastet die kleinen und<br />
mittleren Unternehmen.<br />
(Dirk Niebel [FDP]: Das hat Rainer Brüderle<br />
in Rheinland-Pfalz durchgesetzt!)<br />
– Ich freue mich ja über Rheinland-Pfalz. Insbesondere<br />
freue ich mich, wenn Sie bei der Zuwanderungsregelung,<br />
über die am Freitag im Bundesrat entschieden wird, in<br />
derselben Weise wie bei der Steuerreform behilflich sind.<br />
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)<br />
Finanzierungsmöglichkeiten für den Mittelstand sind<br />
etwas ganz Entscheidendes. Basel II ist von der Staatssekretärin<br />
angesprochen worden. Ich möchte in diesem Zusammenhang<br />
aber hinzufügen: Bei der Finanzierung des<br />
Mittelstandes sind auch die privaten und öffentlichen Kreditinstitute<br />
gefragt. Gerade in jüngster Zeit haben die Klagen<br />
kleiner Unternehmen über zunehmende Schwierigkeiten<br />
bei der Kreditbeschaffung über die Hausbanken<br />
zugenommen. Auf gut Deutsch gesagt: Die großen Privatbanken<br />
ziehen sich aus der Mittelstandsförderung zunehmend<br />
zurück. Das ist ein Skandal, den wir nicht tatenlos<br />
hinnehmen können.<br />
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten<br />
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)<br />
Ich begrüße es deshalb ausdrücklich, dass das Bundeswirtschaftsministerium<br />
mit den Vertretern der Kreditwirtschaft<br />
intensive Gespräche führt, um darauf hinzuwirken,<br />
dass die Mittelstandsfinanzierung auch in Zukunft zu den<br />
Kerngeschäften der Kreditwirtschaft gehört. Die Sparkassen<br />
und Volksbanken vor Ort, das sind die Institute, die<br />
Existenzgründern und dem Mittelstand helfen. Wir wollen<br />
deshalb auf der europäischen Ebene alles dafür tun,<br />
dass die Finanzierungsstrukturen über Sparkassen und<br />
Volksbanken in Deutschland erhalten werden können.<br />
Ein Schwerpunkt unserer Förderung liegt in der Unterstützung<br />
von Existenzgründern. Wir brauchen mehr Unternehmer;<br />
denn die Arbeitsplätze der Zukunft werden<br />
zum großen Teil in Unternehmen entstehen, die es noch<br />
gar nicht gibt. Um das Entstehen neuer Unternehmen zu<br />
fördern und damit vor allem Arbeitsplätze zu schaffen,<br />
stellt die Bundesregierung gezielte Finanzierungshilfen<br />
und Beratungsmaßnahmen zur Verfügung.<br />
Die Grundlagen für selbstständiges Handeln und unternehmerisches<br />
Denken müssen bereits im Bildungssystem<br />
gelegt werden. Bundesregierung und SPD-<strong>Bundestag</strong>sfraktion<br />
unterstützen deshalb mit großem Nachdruck,<br />
dass das Wissen über die Selbstständigkeit bereits in der<br />
Ausbildung vermittelt wird. In Zusammenarbeit mit der<br />
Deutschen Ausgleichsbank und anderen Unternehmen<br />
wurden deshalb an deutschen Universitäten 42 neue Lehrstühle<br />
für Existenzgründungen eingerichtet. Das ist weitaus<br />
wichtiger als jede verbalradikale Rhetorik, die in den<br />
letzten Jahren und Jahrzehnten nicht zu praktischen Ergebnissen<br />
geführt hat.<br />
Neben den allgemeinen Fördermaßnahmen für die<br />
Gründung einer selbstständigen Existenz kommt dem<br />
Meister-BAföG besondere Bedeutung zu. Diese Fördermaßnahme<br />
ist bekanntlich unter der alten Bundesregie-<br />
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