Stenographischer Bericht 227. Sitzung - Deutscher Bundestag
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Peter Hintze<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 14. Wahlperiode – <strong>227.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 21. März 2002<br />
Ihnen gern: Der Vorschlag des Bundeskanzlers löst in mir<br />
unterschiedliche Gefühle aus.<br />
(Zuruf von der SPD: Gefühle? – Zuruf von der PDS:<br />
Lassen Sie uns an Ihren Gefühlen teilhaben!)<br />
Auf der einen Seite habe ich das Gefühl, dass die eigentliche<br />
Europapolitik bei Ihnen, Herr Fischer, sogar etwas<br />
besser aufgehoben ist als bei Herrn Schröder,<br />
(Zuruf von der SPD: Was für ein tolles Lob! –<br />
Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Ich schließe<br />
mich dieser Auffassung vollinhaltlich an!)<br />
der jetzt wieder in seine alte Rolle als niedersächsischer<br />
Ministerpräsident zurückfällt, in der er schon gegen Europa<br />
polemisiert hat. Was das Anliegen und auch was die<br />
Beamten angeht, so habe ich das Gefühl: Im Auswärtigen<br />
Amt hat man ein Herz für die Europapolitik.<br />
(Joachim Poß [SPD]: Besser ein Herz als ein<br />
Merz! – Detlev von Larcher [SPD]: Ja, wie<br />
denn nun?)<br />
Auf der anderen Seite natürlich kommt der Bundeskanzler<br />
mit seinem Vorschlag einem Gedanken nach, den<br />
der Deutsche <strong>Bundestag</strong>, übrigens durch Änderung des<br />
Grundgesetzes, schon vor Jahren umgesetzt hat. Die Trennung<br />
zwischen der Außenpolitik und der Europapolitik<br />
hat der <strong>Bundestag</strong> auch in der Organisation der parlamentarischen<br />
Arbeit durch Einführung des Europaausschusses<br />
deutlich gemacht. Insofern hinkt die Regierung dem <strong>Bundestag</strong><br />
hinterher, wenn sie erst jetzt erkennt: Europapolitik<br />
ist etwas anderes als Außenpolitik.<br />
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –<br />
Detlev von Larcher [SPD]: Dann sagen Sie<br />
doch, was Sie machen wollen! Sie reden da<br />
durcheinander!)<br />
Natürlich geht es in der Europapolitik im Wesentlichen<br />
um die Fragen der Innenpolitik, der Wirtschaftspolitik<br />
und der Finanzpolitik, also um Fragen, die in der Bundesregierung<br />
logischerweise nicht das Auswärtige Amt<br />
koordiniert;<br />
(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Das versteht<br />
der Außenminister nicht!)<br />
für diese Koordination ist der Kanzler höchstpersönlich<br />
verantwortlich. Uns macht allerdings Sorge, wie der Bundeskanzler<br />
diese Verantwortung im Moment wahrnimmt.<br />
Wodurch zeichnet er sich da aus? Er zeichnet sich dadurch<br />
aus, dass er in der Europapolitik in nationalstaatlichen<br />
Egoismus zurückfällt. Seine wesentlichen Initiativen in<br />
den letzten Wochen und Monaten waren Angriffe gegen<br />
die Kommission, und zwar gegen den Wettbewerbskommissar,<br />
gegen den Binnenmarktkommissar und gegen den<br />
Währungskommissar. Diese drei Kommissare – Monti,<br />
Bolkestein und Solbes – tragen für das Funktionieren des<br />
Binnenmarkts die Verantwortung. Deutschland müsste<br />
das allergrößte Interesse daran haben, dass diese Kommissare<br />
in Schutz genommen, in ihrer Aufgabe unterstützt<br />
und nicht daran gehindert werden, einen Binnenmarkt mit<br />
fairen Wettbewerbsbedingungen aufrechtzuerhalten.<br />
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –<br />
Joseph Fischer, Bundesminister: Nun mal nicht<br />
übertreiben!)<br />
Heute Morgen ist der Fall Philipp Holzmann angesprochen<br />
worden. Da muss man einmal eine klare und<br />
nüchterne Unterscheidung treffen. Natürlich verstehen wir<br />
jeden Arbeitnehmer und jede Arbeitnehmerin, der oder die<br />
Sorge um den Arbeitsplatz hat und den Wunsch hat, dass<br />
der Arbeitsplatz erhalten bleibt, wie auch immer. Unser<br />
Vorwurf ist, dass die Politik dieser Regierung eher zur Zerstörung<br />
von Arbeitsplätzen als zu ihrem Erhalt führt.<br />
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU –<br />
Joachim Poß [SPD]: Das ist ja ungeheuerlich! –<br />
Günter Gloser [SPD]: Du sollst nicht falsch<br />
Zeugnis ablegen wider deinen Nächsten!)<br />
Dabei ist nicht nur der Versuch gescheitert, Arbeitsplätze<br />
bei einem Großunternehmen zulasten von mittelständischen<br />
Unternehmen zu erhalten.<br />
(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Sehr richtig!)<br />
Die Kanzleraktion „Philipp Holzmann“ war sogar so ungelenk<br />
angelegt, dass Arbeitsplätze sowohl im Mittelstand<br />
als auch bei Holzmann selbst gefährdet wurden. Das<br />
ist eine total verfehlte Politik.<br />
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –<br />
Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das ist der<br />
Grund!)<br />
Wenn der Bundeskanzler sagt, es müsse jetzt Industriepolitik<br />
gemacht werden und man dürfe sich nicht an<br />
ordnungspolitischen Leitlinien orientieren,<br />
(Joachim Poß [SPD]: Das hat er nicht gesagt!)<br />
dann muss ich fragen: Was für eine Politik sichert eigentlich<br />
eine industrielle Entwicklung in Europa? Was für eine<br />
Politik sichert Arbeitsplätze? Die Antwort lautet: nur eine<br />
Politik, die gegen die ordnungspolitischen Leitsätze der<br />
sozialen Marktwirtschaft nicht so krass verstößt, wie das<br />
bei der Politik der rot-grünen Regierung dauerhaft der<br />
Fall ist.<br />
Ich möchte gern einen weiteren Punkt ansprechen. Wir<br />
stehen vor der Osterweiterung der Europäischen<br />
Union. Das ist eine große Herausforderung, eine ökonomische,<br />
eine politische und auch eine moralische Herausforderung,<br />
der wir uns stellen werden. Nun hat der ungarische<br />
Ministerpräsident Viktor Orbán vor kurzem darauf<br />
hingewiesen, dass sich eine Mitgliedschaft in der Europäischen<br />
Union mit einem Ja zu Vertreibungsdekreten nicht<br />
verträgt.<br />
( V o r s i t z : Vizepräsidentin Petra Bläss)<br />
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />
wir wünschen von ganzem Herzen den Beitritt<br />
Tschechiens zur Europäischen Union. Wir wissen um die<br />
Rolle der tschechischen Bevölkerung im Freiheitskampf<br />
gegen den Kommunismus. Deshalb empfinden wir den<br />
Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union als einen<br />
großen Gewinn.<br />
(Beifall bei der CDU/CSU)<br />
Auf der anderen Seite müssen wir aber auch sagen: Unrecht<br />
muss Unrecht genannt werden dürfen. Die Benes-<br />
Dekrete verstoßen gegen allgemein gültige Menschenrechtsstandards.<br />
Wenn der frühere tschechische Premier<br />
(C)<br />
(D)