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Stenographischer Bericht 227. Sitzung - Deutscher Bundestag

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22580<br />

<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 14. Wahlperiode – <strong>227.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 21. März 2002<br />

gegensätzlicher Positionen belegt, wie vorsichtig wir mit<br />

übereilten gesetzgeberischen Schritten sein müssen.<br />

Der <strong>Bericht</strong> der Kommission hat deutlich aufgezeigt,<br />

dass es juristisch außerordentlich schwierig ist, Instrumente<br />

zu schaffen, die Einzelne schützen. In der Tat dramatisiert<br />

die Union die Lage. Ich kann mich hier ausdrücklich auf die<br />

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Familie, Senioren,<br />

Frauen und Jugend vom 7. Februar 2001 beziehen.<br />

Eine von der Union geforderte „umgehende“ Umsetzung<br />

von Schutzinstrumenten ist von daher problematisch.<br />

Die Bundesregierung hat die Hände durchaus nicht in<br />

den Schoß gelegt. Das Bundesverwaltungsamt baut die<br />

Infrastruktur für eine öffentliche Aufklärung und Hilfe für<br />

ratsuchende Menschen und öffentliche Stellen auf. Hoffentlich<br />

kommt es bald dazu, dass auch Auskünfte an<br />

Dritte gegeben werden. Das ist im Moment noch nicht der<br />

Fall. Ich verweise auch auf das Modellprogramm zur Ausbildung<br />

von Beratern, das mit 1,8 Millionen DM für die<br />

Jahre bis 2003 ausgestattet ist.<br />

Abschließend möchte ich unsere Forderung nach Einrichtung<br />

einer Stiftung zur Gewinnung fundierter Kenntnisse<br />

über neue religiöse und weltanschauliche Bewegungen<br />

erneuern. Diese Stiftung soll die Konflikte im<br />

Zusammenhang mit den neuen religiösen und weltanschaulichen<br />

Gemeinschaften untersuchen.<br />

Diese öffentlich-rechtliche Einrichtung soll darüber hinaus<br />

allgemein zugängliche Informationen über diese Organisationen<br />

dokumentieren und Maßnahmen zur Konfliktvermeidung<br />

und Konfliktschlichtung entwickeln.<br />

Wir brauchen darüber hinaus mehr Beratungsstellen<br />

für die Betroffenen selbst, aber auch für deren Angehörige.<br />

Wir müssen diese Menschen stärken, ihnen<br />

Hilfe zur Selbsthilfe leisten.<br />

Ulla Jelpke (PDS): Die Arbeit der Enquete-Kommission<br />

„So genannte Sekten und Psychogruppen“ ist von<br />

vielen Menschen verfolgt worden. Insbesondere die Opfer<br />

dieser Gruppen, ihre Angehörigen und Freunde haben<br />

zu Recht erwartet, dass etwas geschieht.<br />

Ich will hier gar nicht dramatisieren, was in dem vorliegenden<br />

Antrag der CDU/CSU anklingt, in dem die Beobachtung<br />

von Scientology durch den Verfassungsschutz<br />

verlangt wird. Dagegen waren und sind wir weiter. Wenn<br />

diese Behörde auf Sekten angesetzt würde, dann hätten<br />

wir in ein paar Jahren womöglich den nächsten V-Leute-<br />

Skandal, diesmal bei Scientology und wären ansonsten<br />

keinen Millimeter weiter.<br />

Wie ernst das Thema aber auch weiterhin zu nehmen<br />

ist, zeigt ein Blick auf die Satanisten-Szene. Hier machen<br />

sich rechtsextreme Ideologien und Politiken breit. Hier erfahren<br />

wir von schweren Verbrechen. Erst kürzlich wurde<br />

aus Berlin von einem Selbstmord von zwei Frauen berichtet,<br />

die angeblich in dieser Szene verkehrten. Ich<br />

könnte andere Fälle nennen, auch von anderen Sekten,<br />

aber dazu reicht meine Redezeit nicht.<br />

Ich habe mich heute beim Bundesverwaltungsamt in<br />

Köln erkundigt. Dort ist, wie auch in der Beschlussempfehlung<br />

des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen<br />

und Jugend beschrieben, – ich zitiere – „eine Stelle gemacht<br />

worden, die öffentliche Aufklärung leiste und den Ratsuchenden<br />

– seien es Einzelpersonen, Initiativen, Kommunen<br />

oder Länderbehörden – zur Seite stehen könne.“<br />

Diese Stelle ist mit 2,5 Personen besetzt. Außer einer<br />

Broschüre zu Scientology liegt dort keinerlei Informationsmaterial<br />

vor. Beratung für Einzelpersonen, Hilfesuchende<br />

oder dergleichen können diese Beschäftigten<br />

selbstverständlich nicht leisten. Sogar eine schlichte Informationsschrift,<br />

die zum Beispiel in Schulen oder<br />

Behörden ausliegt, über Sekten unterrichtet und Opfern<br />

erklärt, wie und wo sie Hilfe bekommen, fehlt bis heute.<br />

Mehr noch: nichtstaatliche Gruppen wie Selbsthilfegruppen<br />

der Opfer bekommen keinen Pfennig. Ich zitiere<br />

aus der Beschlussvorlage des Familienausschusses: „Man<br />

wolle weiter die Möglichkeiten zur Förderung nichtstaatlicher<br />

Beratungsgruppen prüfen. Für diese Förderung<br />

müsse es eine gesetzliche Grundlage geben.“ Diese gesetzliche<br />

Grundlage gibt es also bis heute nicht.<br />

Ansonsten finde ich in der Vorlage nur schöne Worte.<br />

Man wolle prüfen, wie der Schutz gegen so genannte Pyramidenspiele<br />

verbessert werden könne. Man denke über<br />

ein Lebenshilfebewältigungsgesetz nach. Na klasse. Wie<br />

weit sind sie beim Nachdenken inzwischen gekommen?<br />

Das Einzige, was real übrig bleibt, ist das Modellprojekt<br />

zur Ausbildung von Beratern im psychosozialen Umfeld,<br />

das bis Juni 2003 läuft und von dem wir frühestens im<br />

Herbst 2003 Ergebnisse bekommen. Ich finde, so können<br />

Sie nicht mit den Betroffenen umgehen.<br />

Es geht mir, das will ich deutlich sagen, nicht um schärfere<br />

Strafgesetze gegen diese so genannten Psychogruppen<br />

und Sekten und schon gar nicht um deren Bespitzelung<br />

durch Verfassungsschutzämter. Auch wenn viele<br />

dieser Gruppen antidemokratische, rassistische oder antisemitische<br />

Tendenzen aufweisen, ist ein Ausbau des<br />

Überwachungsstaates nicht die richtige Antwort. Aber die<br />

Opfer dieser Sekten erwarten mit Recht Taten. Sie wollen<br />

Hilfe. Und die Öffentlichkeit fordert zu Recht Aufklärung<br />

über diese Gruppen. Beides findet derzeit nicht statt.<br />

Zum Schluss: Der <strong>Bericht</strong> des Familienausschusses,<br />

über den wir heute diskutieren, stammt vom Februar<br />

2001. Er ist also mehr als ein Jahr alt. Schon allein das<br />

zeigt, wie unernsthaft Sie mit dem Thema umgehen. Sie<br />

haben schlicht und einfach versagt.<br />

Anlage 7<br />

Zu Protokoll gegebene Reden<br />

zur Beratung<br />

– des Antrags: Vorsorgepolitik für gesundheitsverträglichen<br />

Mobilfunk<br />

– der Großen Anfrage: Auswirkungen elektromagnetischer<br />

Felder, insbesondere des Mobilfunks<br />

(Tagesordnungspunkt 16 a und b)<br />

Marlene Rupprecht, (SPD): Handys sind in den letzten<br />

Jahren zum Gebrauchsgut Nummer eins für alle Generationen<br />

geworden. Macht uns die Bequemlichkeit, an<br />

(C)<br />

(D)

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