Stenographischer Bericht 227. Sitzung - Deutscher Bundestag
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Jochen-Konrad Fromme<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 14. Wahlperiode – <strong>227.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 21. März 2002<br />
chen das deutlich. Wenn laufende Ausgaben, Zinsen, Sozialhilfe<br />
und Personalkosten mit Krediten bestritten werden,<br />
ist das der dramatische Ausdruck der Finanzsituation<br />
der Gemeinden.<br />
In den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen,<br />
in denen die SPD schon lange an der Regierung<br />
ist, ist die Lage besonders dramatisch. Obwohl die<br />
Niedersachsen nur 10 Prozent des Haushaltsvolumens<br />
aufweisen, haben sie 20 Prozent aller Kassenkredite. Der<br />
Bundeskanzler hat schon einmal bewiesen, was er von<br />
den Kommunen hält. Was er in Niedersachsen siebeneinhalb<br />
Jahre lang angerichtet hat, setzt er im Bund durch<br />
Eingriffe in die kommunalen Haushalte nahtlos fort.<br />
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)<br />
Das kommunale Investitionsvolumen liegt weit unter<br />
dem Niveau von 1991. Das macht deutlich, wo die Probleme<br />
liegen. Die Ursachen liegen unter anderem in der<br />
Konjunktur. In der Konjunktur hat diese Bundesregierung<br />
besondere Impulse gegeben. Sie hat dafür gesorgt, dass<br />
wir in Europa nicht mehr die Lokomotive sind, sondern<br />
zum Träger der roten Laterne geworden sind. Das ist doch<br />
das Problem.<br />
(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen und Widerspruch<br />
bei der SPD)<br />
– Mein lieber Bernd Brinkmann, sei ganz vorsichtig mit<br />
deinen Ausdrücken! – 4,3 Millionen Arbeitslose sprechen<br />
doch Bände.<br />
(Susanne Kastner [SPD]: Wie viel hatten Sie<br />
denn?)<br />
Dazu kommt, dass immer mehr soziale Grundlasten<br />
auf die Kommunen konzentriert wurden, ohne dafür einen<br />
finanziellen Ausgleich zu schaffen.<br />
Dem Bund geht es bei allen finanzpolitischen Maßnahmen<br />
auch um die Belange der Kommunen.<br />
Das ist ein Zitat aus Ihrer Antwort auf die Große Anfrage.<br />
Die Praxis ist doch eine andere. Ich nenne nur die neuen<br />
Risiken in Verbindung mit den Integrationskosten im Zusammenhang<br />
mit der Zuwanderung, die Folgen von<br />
PISA, die Zusammenlegung der Sozialhilfe mit der Arbeitslosenhilfe<br />
usw.<br />
Ich zitiere Folgendes:<br />
Das Finanzsystem zwingt Kommunen, denen aufgrund<br />
bundespolitischer Entscheidungen Einnahmen<br />
fehlen oder Ausgaben aufgetragen werden, sich an<br />
die jeweilige Landesregierung zu wenden. Die Bundesregierung<br />
macht es sich allerdings zu leicht, wenn<br />
sie die Finanznöte der Städte und Gemeinden mit einem<br />
Hinweis auf die Finanzverantwortung der Länder<br />
abtut. Für einen Teil der Kommunalhaushalte,<br />
vor allem die Jugend- und Sozialhilfe, ist das Ausgabenvolumen<br />
bundesrechtlich vorgegeben. Zu Recht<br />
fordern für solche Fälle die kommunalen Spitzenverbände,<br />
dass der Bund nach dem Prinzip der Konnexität<br />
zwischen Aufgabenübertragung und Finanzverantwortung<br />
die kommunalen Zweckausgaben trägt,<br />
soweit die kommunalen Verwaltungen kein nennenswertes<br />
Ausführungsermessen haben.<br />
22489<br />
Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Liebe Kolleginnen<br />
und Kollegen, eine gewisse Unruhe ist angesichts<br />
der bevorstehenden Wahl verständlich, aber im Moment<br />
ist der Geräuschpegel so hoch, dass er für den<br />
Redner und diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die<br />
zuhören wollen, nicht mehr erträglich ist. Ich muss darum<br />
bitten, dass die Kolleginnen und Kollegen insbesondere in<br />
den hinteren Reihen die Plätze einnehmen.<br />
Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Meine Damen<br />
und Herren, ich fahre fort.<br />
Mehr noch: Das durch die Finanzkrise angespannte<br />
Verhältnis zwischen den Kommunen und den Ländern<br />
kann nur durch eine Gemeindefinanzreform<br />
verbessert werden, die das Verhältnis von Aufgaben<br />
und Finanzausstattung wieder in Übereinstimmung<br />
bringt.<br />
Das ist ein Originalzitat von Gerhard Schröder aus dem<br />
Jahr 1995. Wo er Recht hat, hat er Recht. Das gilt auch für<br />
seine Äußerung: Bei 4,3 Millionen Arbeitslosen haben<br />
wir es nicht verdient, wiedergewählt zu werden.<br />
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)<br />
Da Sie von den UMTS-Mitteln gesprochen haben,<br />
weise ich darauf hin, dass die Ministerpräsidentin<br />
Simonis, die bekanntlich nicht der CDU angehört, deutlich<br />
gemacht hat, dass Abschreibungen in Höhe von 18 Milliarden<br />
Euro in den kommunalen Kassen landen. Das ist<br />
Ihre Strategie: Sie verbuchen Einnahmen beim Bund und<br />
lassen sich für die Sanierung des Haushalts feiern. Bezahlen<br />
müssen das die Kommunen zum Beispiel an dieser<br />
Stelle und zum Beispiel beim Kindergeld; dort müssen die<br />
Kommunen und Länder gegen die Bestimmungen des<br />
Grundgesetzes jedes Jahr 1,6 Milliarden tragen. Genau<br />
dieses Geld fehlt den Kommunen für Investitionen.<br />
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)<br />
Herr Kollege Scheelen, da Sie sagten, Sie hätten bei der<br />
Unternehmensteuerreform die Kommunen geschont,<br />
verweise ich Sie auf Ziffer 30 der Antwort der Bundesregierung.<br />
Sie haben zu Recht von einem kommunalen Anteil<br />
an den Steuererleichterungen von 12,1 Prozent gesprochen.<br />
Laut Antwort der Bundesregierung beträgt der<br />
Anteil der Kommunen in den Jahren 2001 bis 2006 aber<br />
18,7 Prozent, 10,1 Prozent, 15,2 Prozent, 15,5 Prozent,<br />
19,6 Prozent und 19,3 Prozent. So sieht die Wirklichkeit<br />
bei Ihnen aus. Sie machen vor einem Teil des deutschen<br />
Finanzsystems einfach die Augen zu und nehmen nur die<br />
Zahlen, die Ihnen passen. Sie machen es wie bei der Bundesanstalt<br />
für Arbeit: Sie fertigen eine Statistik aus Ihrer<br />
Sicht an und halten sie für die Realität.<br />
(Harald Friese [SPD]: Herr Jagoda ist doch<br />
CDU-Mitglied oder?)<br />
Ihre eigenen Bürgermeister sagen Ihnen an jedem Tag das<br />
Gegenteil.<br />
Zu Ihrem Argument, Sie beteiligten die Kommunen<br />
laut der gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien<br />
an den Anhörungen, stellt sich natürlich<br />
die Frage, warum Sie immer mehr Fraktionsentwürfe<br />
einbringen, für die dieses Anhörungsverfahren nicht gilt,<br />
(C)<br />
(D)