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Stenographischer Bericht 227. Sitzung - Deutscher Bundestag

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22448<br />

Friedrich Merz<br />

<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 14. Wahlperiode – <strong>227.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 21. März 2002<br />

Aber – ich will das vorweg sagen, damit kein Missverständnis<br />

entsteht – wir brauchen doch keine Industriepolitik.<br />

Vor allem brauchen wir keine Industriepolitik, wie<br />

Sie, Herr Bundeskanzler, sie uns heute Morgen vermittelt<br />

haben.<br />

(Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Sie haben<br />

es doch gar nicht verstanden!)<br />

Ich will dazu einige Anmerkungen machen: Wir brauchen<br />

eine langfristig angelegte und stetige Wirtschaftspolitik,<br />

(Zurufe von der SPD: Ach!)<br />

die sich auf die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit<br />

aller Unternehmen und nicht nur der Großen in Deutschland<br />

konzentriert.<br />

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)<br />

Herr Bundeskanzler, es wirft ein bezeichnendes Licht auf<br />

die Wirtschaftspolitik und auf die Industriepolitik, so wie<br />

Sie sie verstehen, dass heute Morgen in Ihrer Regierungserklärung<br />

bei diesem Thema – das Thema ist die Dynamik<br />

der wirtschaftlichen Entwicklung in Europa und damit<br />

auch die Dynamik der wirtschaftlichen Entwicklung in<br />

Deutschland – vom deutschen Mittelstand mit keinem<br />

einzigen Wort die Rede war.<br />

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –<br />

Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-<br />

NEN]: Basel II war doch Mittelstandspolitik!<br />

Das ist doch Quatsch, was der erzählt!)<br />

Ihre Regierungserklärung vom heutigen Tag atmet genauso<br />

wie Ihre Wirtschaftspolitik, Herr Bundeskanzler, den<br />

Geist des Interventionismus und des Protektionismus. Sie<br />

atmet den Geist der staatlichen Unternehmensplaner am<br />

grünen Tisch, die von abgrundtiefem Misstrauen gegenüber<br />

eigenverantwortlichen Unternehmern geprägt sind<br />

(Dr. Norbert Wieczorek [SPD]: Gegenüber der<br />

bayerischen Politik der Landesanstalt für Aufbaufinanzierung<br />

und dem, was der Ministerpräsident<br />

da macht!)<br />

und die den großen industriellen Einheiten, die in kollektiven<br />

Gremien gesteuert und kontrolliert werden, das Wort<br />

reden. Das ist Ihre Vorstellung von Wirtschaftspolitik.<br />

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –<br />

Hans Georg Wagner [SPD]: Bayern!)<br />

Da Sie darüber so fröhlich lachen, Herr Bundeskanzler,<br />

möchte ich Ihnen Folgendes sagen – ich weiß nicht, ob Sie<br />

schon Gelegenheit hatten, heute Morgen die Zeitungen zu<br />

lesen –: Vermutlich wird an diesem Tag, vielleicht gerade<br />

in dieser Stunde, das von Ihnen vor zweieinhalb Jahren so<br />

spektakulär – angeblich – gerettete Unternehmen Philipp<br />

Holzmann in Frankfurt Konkurs anmelden.<br />

(Gerhard Schröder, Bundeskanzler: Das freut<br />

Sie!? – Alfred Hartenbach [SPD]: Da freuen Sie<br />

sich wohl! Sie sollten sich schämen, Herr<br />

Merz! – Dietmar Nietan [SPD]: Freuen Sie sich<br />

darüber?)<br />

– Herr Bundeskanzler, der Zwischenruf, den Sie gerade<br />

gemacht haben, nämlich „Das freut Sie!?“, ist wirklich<br />

entlarvend. Ich will Ihnen einmal sagen, was Sie in den<br />

zweieinhalb Jahren offensichtlich übersehen haben: Die<br />

Rettungsaktion, die Sie damals so spektakulär vor den<br />

Fernsehkameras der Republik<br />

(Hans Georg Wagner [SPD]: Mit Herrn Koch!)<br />

unternommen haben, ist bis heute nicht gelungen. Sie ist<br />

ein Verstoß gegen geltendes Tarifrecht und gegen geltende<br />

europäische Beihilferegeln gewesen; darüber haben<br />

Sie sich locker hinweggesetzt.<br />

(Dr. Norbert Wieczorek [SPD]: Genehmigt!)<br />

In der Zwischenzeit, seit gut zwei Jahren, sind in<br />

Deutschland mehrere Hundert Unternehmen der Bauwirtschaft<br />

in Konkurs gegangen. Es sind fast 100 000 Arbeitsplätze<br />

verloren gegangen. Sie sind zum Teil verloren gegangen,<br />

weil das Unternehmen Philipp Holzmann mit<br />

Ihrer Hilfe, mit Ihrer Industriepolitik in Deutschland<br />

Löhne hat zahlen können, die kein anderes Unternehmen<br />

zahlen konnte.<br />

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der<br />

FDP – Christoph Moosbauer [SPD]: Das ist<br />

doch dummes Zeug!)<br />

Mit Ihrer Industriepolitik, Herr Bundeskanzler, haben<br />

Sie Philipp Holzmann eben nicht retten können.<br />

(Dietmar Nietan [SPD]: Sie haben auch viel für<br />

die Rettung getan! – Gegenruf des Abg.<br />

Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Haben Sie mal<br />

die Konsequenzen bedacht?)<br />

Ich sage Ihnen jetzt einmal – das mag Ihnen nicht gefallen<br />

und vielleicht machen Sie auch parteipolitisch Gebrauch<br />

davon –: Es wäre für den Mittelstand und für die<br />

Bauindustrie in Deutschland besser gewesen, wenn man<br />

dieses Unternehmen dem Schicksal überlassen hätte, auf<br />

das es heute wieder zusteuert.<br />

(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-<br />

NEN]: Was macht Herr Ministerpräsident<br />

Koch, Herr Kollege? – Dietmar Nietan [SPD]:<br />

Sagen Sie das mal den Kolleginnen und Kollegen!<br />

Gehen Sie mal in die Betriebsversammlung<br />

von Holzmann!)<br />

In der Zwischenzeit hätten andere Arbeitsplätze in<br />

Deutschland, gerade in der Bauindustrie, gerettet werden<br />

können.<br />

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten<br />

der FDP – Widerspruch bei der SPD)<br />

– Meine Damen und Herren, die Sie dazwischenrufen, Sie<br />

wissen aus Ihren Wahlkreisen, wie wahr das ist. Bei den<br />

mittelständischen Unternehmen, die in der Zwischenzeit<br />

Pleite gegangen sind, ist kein Bundeskanzler da gewesen,<br />

ist kein Außenminister da gewesen, ist kein Industriepolitiker<br />

dieser Bundesregierung da gewesen.<br />

(Dietmar Nietan [SPD]: Ist kein Herr Merz da<br />

gewesen!)<br />

Ihre Arbeitsteilung ist wie folgt: Wenn der Große Pleite<br />

geht, kommt der Bundeskanzler; wenn der Kleine Pleite<br />

geht, kommt der Konkursverwalter. Das ist Ihre Wirtschaftspolitik,<br />

meine Damen und Herren.<br />

(C)<br />

(D)

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