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open poems open writing 09/10 - Crespo Foundation

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Die Brücke<br />

Vor einigen Jahren hatte ein Kollege aus dem Gemeinderat<br />

die Hand gehoben und um eine Abstimmung gebeten. Es war das<br />

jüngste Mitglied im Rat. Er war sehr strebsam und bekannt für<br />

seine Beobachtungsgabe. Er wollte darüber abstimmen lassen,<br />

ob die Brücke am Rand unseres Dorfes endlich fertiggestellt<br />

werden sollte. Wir hatten die Baustelle seit dem letzten<br />

Winter vernachlässigt. Wegen des Baus der ersten Automobile,<br />

sagte er. Das würde die Anbindung des Dorfs an das Umland<br />

verbessern. Der Vorschlag sorgte für Unruhe. Wir übrigen<br />

Mitglieder fanden es typisch für einen jungen Mann, so überstürzt<br />

zu handeln, nur weil irgendwo irgendwelche Fahrzeuge<br />

gebaut wurden. Sicher, einige von uns benutzten schon solche<br />

Maschinen für Landwirtschaft oder Transport. Doch auf<br />

den Straßen sah man eher selten diese Automobile fahren und<br />

Hilfe von außerhalb oder Anbindung brauchte man hier sowieso<br />

nicht. Ich stand auf und erklärte den übrigen Mitgliedern,<br />

dass es keinen Grund gebe, die Fertigstellung der Brücke zu<br />

veranlassen. Allein wegen der Kosten sei es eine nicht zu<br />

tragende Maßnahme. Am Abend glaubte ich bereits, die Brücke<br />

vergessen zu haben.<br />

Weil unsere Stadt jedoch in der Nähe einer bekannten<br />

Handelsroute liegt und diese wegen Steinschlags gesperrt<br />

werden musste, fuhr an jenem Tag schon das dritte Mobil über<br />

unseren Markt. Durch die breiteren Gassen kamen sie ohne<br />

Probleme, doch als sie den Markt durchfuhren und den Fluss<br />

an der Grenze der Stadt erreichten, mussten sie anhalten.<br />

Aufgeregt stiegen die Fahrer aus den Fahrzeugen und ließen<br />

sich schnell den Weg zur nächsten Brücke erklären. Alle<br />

waren wütend über die verlorene Zeit. Der letzte Fahrer<br />

hielt auf die Brücke zu, überhörte alle Rufe der Umstehenden,<br />

übersah alle Warnschilder und durchbrach die<br />

Absperrung. Hinter dieser waren Holz und Steine gelagert,<br />

die den Wagen stoppten. Die Menschen um mich herum begannen<br />

zu schreien und alle zeigten auf das Wasser unter uns.<br />

Jemand war von der Brücke gefallen und sein Körper trieb<br />

leblos im Wasser. Wer es war, konnte man nicht sagen, da er<br />

mit dem Gesicht nach unten trieb. Auch nicht, was er auf der<br />

Baustelle gemacht hatte. Ich rief den Leuten zu, sie sollten<br />

nicht so herumstehen, sondern sich um den Mann im Wasser<br />

kümmern, und einige liefen zum Fluss hinunter. Daraufhin<br />

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