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open poems open writing 09/10 - Crespo Foundation

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Sie mir, wir haben uns, ich meine, die Lehrer, die Schulleitung,<br />

alle, Gespräche und Nachhilfe, das ganze Programm; er<br />

hat sich zurückgezogen, ich habe ihm endlos gesagt, er soll<br />

endlich Ernst machen, unkonzentriert, keinen Antrieb, aber<br />

Gewalt wirklich nicht. Da können Sie jeden fragen.“ Sie setzt<br />

noch zwei Sätze hinzu, die völlig an ihm vorbeirauschen.<br />

„Sein Zimmer enthält kaum persönliche Dinge“, sagt er.<br />

Sie runzelt die Stirn. „Ich verstehe Sie nicht.“<br />

Er bemerkt, wie sich seine eigenen Hände um die Tasse<br />

verkrampfen, ohne, dass er Einfluss darauf hat.<br />

Er weicht aus. „Können wir die Adresse von seinem Vater<br />

erfahren?“<br />

„Weiß ich nicht“, antwortet sie knapp. „Weg. Seit seiner<br />

Geburt. Sonst noch was?“<br />

Als er zur Schule fährt, um sich eine Wand dort anzusehen,<br />

die Gregor besprüht haben soll, bemerkt er im Haus unmittelbar<br />

gegenüber ein riesiges Plakat im Fenster: Lasst uns<br />

endlich in Ruhe! Momentan darf draußen auf der Straße kein<br />

Kamerateam mehr stehen. Ihm kommt der Blick vor wie der in<br />

eine Geisterstadt. Die Absperrung ist verlegt worden, jetzt<br />

ist sie ein paar hundert Meter weiter vorne. Er geht durch<br />

die Schule, ein Oberstufengymnasium, heute schon wieder<br />

teilweise geöffnet, zumindest schriftliches Abitur für die<br />

älteste Jahrgangsstufe muss trotz allem möglich sein. Im<br />

Moment sitzen die entsprechenden Schüler hinter ihren<br />

Tischen und schreiben die Prüfungen. Gregor hätte noch genau<br />

ein Jahr gehabt; unklar, ob es einen Zusammenhang gibt. Also<br />

erst mal nicht öffentlich erwähnen.<br />

Die Schule ist riesig, neu und modern gestaltet; große,<br />

hohe Fenster, die fast die ganzen Außenwände einnehmen. Die<br />

Sonne blendet ihn; nur dort, wo einzelne Fenster mit Plakaten,<br />

Leistungen der Schüler, verhängt sind, geht er kurzzeitig<br />

durch den Schatten. Er kneift die Augen zusammen.<br />

System, als er angefangen hat zu arbeiten, war es genau<br />

das, was er ekelhaft fand. Fingerspitze statt System; seine<br />

eigene Unmittelbarkeit, Direktheit, manchmal entstand dadurch<br />

eine bis zum Bersten aufgeladene Stimmung. Die Resultate:<br />

So sicher sie sich auch waren, fast nichts war durchzubringen.<br />

Jetzt der Amoklauf. Wieso mache ich das, denkt er. Die<br />

Maschinerie ist in Gang gesetzt, Aufmerksamkeit, Karriere,<br />

es gibt immer nur eine Richtung. Dann irgendwann doch die<br />

Angst vor der Fremdsteuerung.<br />

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