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open poems open writing 09/10 - Crespo Foundation

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„Ich weiß nicht, was ein Gedicht ist.“ Oskar Pastior<br />

Und wir, nachdem wir uns über ein halbes Jahr lang in der Literaturwerkstatt Berlin getroffen<br />

haben, wir wissen es natürlich auch nicht – Gott sei Dank! Trotzdem haben wir, alle zusammen,<br />

einiges gelernt über Gedichte – wenn auch womöglich ganz Verschiedenes.<br />

Verschiedenes deshalb, weil die Teilnehmer der Werkstatt, schon aus Altersgründen, ganz<br />

unterschiedliche Absichten mit dem Schreiben von Gedichten verbanden und es manchmal<br />

gar nicht so einfach war, diese unterschiedlichen Ansätze als gleichberechtigt gelten zu lassen<br />

– und da nehme ich mich selbst nicht aus! Wo es für die jüngeren Teilnehmer ungewohnt war,<br />

auf rein formale oder strukturelle Forderungen reagieren zu müssen, ohne sich in die Häfen<br />

der Inhaltlichkeit, des selbst Erlebten oder Empfundenen zurückziehen zu dürfen, so war es<br />

für mich (und einige andere, wie ich glaube) eine überraschende Einsicht, daß es so etwas<br />

wie ein reines, also absichtsloses, regelgeleitetes Schreiben nicht gibt, daß Gedichte immer<br />

„auf etwas hin“ geschrieben sind. Was wir also gelernt haben: daß vieles Platz hat unter dem<br />

Begriff „Gedicht“. Und daß Toleranz ganz wesentlich eine intellektuelle Leistung darstellt.<br />

Wir hatten aber auch die beste Voraussetzung, die es gibt für die Arbeit mit Gedichten: ziemlich<br />

viel Zeit, um uns gegenseitig vorzulesen und zuzuhören. Natürlich wurde auch kritisiert, wurden<br />

Vorschläge gemacht, wurden Texte bewertet und gegeneinander abgewogen, das Wesentliche<br />

scheint mir aber diese Atmosphäre einer gemeinsamen Konzentriertheit zu sein, das<br />

Gefühl, an der selben Sache zu arbeiten, und sei es mit ganz unterschiedlichen Mitteln.<br />

Vielleicht auch das Gefühl, daß das, was man da im stillen Kämmerlein produziert, einen<br />

wirklichen Wert darstellt, gerade in seiner Unverwertbarkeit. Einigen der Teilnehmer waren<br />

unsere Termine dann auch viel zu wenig - sie trafen sich darüber hinaus in anderen Runden<br />

und Zirkeln (und auf Bühnen!), drei oder vier Abende Lyrik pro Woche!<br />

An einem Mittwoch im März hatten wir uns nicht wie üblich am Spätnachmittag getroffen,<br />

sondern schon zum gemeinsamen Frühstück. Dann haben wir uns mit Gedichten beschäftigt,<br />

dann haben wir Kaffee getrunken und Kekse gegessen und wieder über Gedichte<br />

gesprochen, dann hat jeder sein Lieblingsgedicht vorgelesen und was dazu gesagt, dann<br />

sind wir weitergezogen in die benachbarte Gaststätte Malzcafé, haben ein Bier getrunken<br />

und noch ein bißchen über Gedichte gesprochen und womöglich noch ein Bier getrunken, und<br />

dann haben wir uns eine gute Nacht gewünscht. Was war das für ein schöner Tag!<br />

Den Teilnehmern vielen Dank für ihre Offenheit und ihr Engagement, der <strong>Crespo</strong> <strong>Foundation</strong><br />

und der Literaturwerkstatt Berlin, ganz besonders aber Jutta Büchter, allen Dank dafür, daß<br />

sich das beschriebene Glück ereignen konnte – und hoffentlich weiterhin ereignen kann!<br />

ULF STOLTERFOHT<br />

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