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open poems open writing 09/10 - Crespo Foundation

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Wer schreiben möchte, muss in sich einen Drang spüren, der ihn nicht loslässt und immer<br />

wieder neu an den Schreibtisch treibt. Einen inneren Zwang, ein Schreibenmüssen, ein<br />

Nichtanderskönnen. Die bekannte Phrase „Kunst kommt nicht von Können, sondern von<br />

Müssen“ ist völlig zutreffend. Diesen Drang, dieses unbedingte Müssen, das unabdingbar<br />

zum Schreiben dazugehört, kann man weder lernen noch lehrend vermitteln. Er ist da, der<br />

Drang, oder eben nicht.<br />

Die Kurse <strong>open</strong> <strong>writing</strong> sind demnach keine Schriftstellerschmiede, in der neue Schriftsteller<br />

sozusagen am Fließband hergestellt werden. Die Kurse sind vielmehr ein Feld, auf dem sich<br />

junge Leute ausprobieren können und bilden einen wichtigen Rahmen, um etwas über sich<br />

selbst und seine Position zum Schreiben herauszufinden. In den Werkstätten kann man den<br />

Drang, schreiben zu müssen, nicht injizieren, aber jeder kann für sich herausfinden, ob dieser<br />

Drang da ist und wenn ja, wie stark; und man kann ein Talent fürs Schreiben nicht züchten,<br />

aber austesten, wie groß es ist.<br />

Lernen und lehren kann man etwas anderes: Um schreiben zu können, muss man lesen<br />

können, das Geschriebene begutachten, verbessern, verändern. Dies war Hauptteil unserer<br />

Schreibwerkstatt: die Arbeit am Text. Dazu ist es wichtig, analysieren zu können, was genau<br />

bei einem Text gelingt und was nicht. Ist ein Text zäh und langweilig, mag es daran liegen,<br />

dass er zu sehr berichtet und zu wenig szenisch darstellt; um das zu erkennen, muss man<br />

aber erst den Unterschied zwischen „telling“ und „showing“ kennen, zwischen Bericht und<br />

Erzählung. Ist eine Figur eindimensional und blass, mag es an der Figurenzeichnung liegen;<br />

um das zu erkennen, muss man aber erst wissen, welche Möglichkeiten der<br />

Charakterisierung es überhaupt gibt. Stimmt der Ton nicht, mag es an einer falschen<br />

Perspektive liegen; um das zu erkennen, muss man aber erst die Chancen und Gefahren<br />

einer jeden Perspektive kennen und abwägen können.<br />

Wir haben somit einen Fokus auf die Theorie des Schreibens gelegt, auf das literaturwissenschaftliche<br />

Handwerkszeug, wir haben viel über die Texte der Teilnehmer gesprochen, wir<br />

haben in Übungen im Seminar selber Texte verfasst, wir haben einige heftige<br />

Grundsatzdiskussionen geführt, über Aufgaben und Möglichkeiten der Literatur, über die Art<br />

und Weise von Kritik, über Sinn und Unsinn von Bewertungen.<br />

Mein Ansatz war immer der, den Schülern Lust und Freude am Schreiben zu vermitteln, da<br />

ich selber immer mit Lust und Freude schreibe. Und auch diese drei Jahre der Vermittlung<br />

haben mir viel Freude bereitet. Ich danke ganz herzlich der <strong>Crespo</strong> <strong>Foundation</strong>, Frau Ulrike<br />

<strong>Crespo</strong> und Frau Karin Heyl, besonders Katrin Krampe für die Unterstützung der<br />

Organisation und Franziska Lindner für die Betreuung im Literaturhaus.<br />

MARKUS ORTHS<br />

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