open poems open writing 09/10 - Crespo Foundation
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Elen freut sich, wenn dieser oder jener Traum ihr etwas mit<br />
ins Wache gibt, wenn kleine Narben, blaue Flecken von ihr<br />
entdeckt. Sie weiß, dass sie sich nachts im Traume stieß,<br />
vielleicht an Wasser oder auch an Luft. Die Dinge haben dort<br />
nichts Irdisches.<br />
Im Traum könnte die Mutter niemals die Tochter bitten,<br />
sofort die Stube reinzufegen, die Stube braucht dies nicht.<br />
Genauso wie die Mutter keine Worte braucht, sie weiß, dass<br />
Worte nur Konstrukte sind. Dass Elen, dürft sie frei entscheiden,<br />
die Stube nicht Stube genannt, doch Besen und den<br />
Besen Stube. So hätte ein Befehl der Mutter keinen Sinn, da<br />
Elen mit der Stube Besen fegen sollt, was unmöglich erscheint.<br />
Im Traum, da wissen alle, was die Wahrheit ist. Dass<br />
diese nämlich nicht besteht, dass, wenn die Augen zu sind,<br />
der Raum um alles stirbt und lediglich der Weg vom Sinn zum<br />
Hirn die Welt bestimmt. Und da ein jeder dieses weiß, fällt<br />
Falsch und Richtig aus, gibt’s keine Katze, keine Maus. Die<br />
Sinngebung verwest und alles nichtet ab.<br />
Wenn Elen ihren Wahn noch so sehr mag, so mag sie doch<br />
den Atem ihrer Mutter auch, der auf dem alten Canapé noch<br />
heftiger sich aus ihr stößt. Sie mag der Mutter Kälte in der<br />
Hand, die sich auf Elens Stirne legt. Sie mag den Weg von<br />
Mutters Arm zur Stirn am liebsten, denn niemand könnte diesen<br />
Weg, der nichts als still Gebärde ist, ihr nehmen.<br />
Wenn Kastanien retten<br />
Neben Elen in der Kirchbank sitzt die Großmutter, die<br />
schnauft. Die Großmutter, die immer ihr die Socken strickt<br />
und die das Leben so durchschmatzt. Sie hat doch immer ein<br />
Geräusch an sich. Gar zweimal singt sie falsch, doch eigentlich<br />
hat Elen nie an ihre hellen Töne glauben können.<br />
Die Daumendreherei während der Predigt lässt dann das Licht<br />
noch greller gegens bunte Kirchenfenster prallen, sodass man<br />
gar nicht mehr herauszuschauen fähig ist, das Licht bricht<br />
sich noch aus den Strahlen sonst.<br />
Dann lauscht sie wieder nur der kalten Fülle leerer<br />
Kirchen, die eigentlich vollsungen werden müsste, um weiterhin<br />
zu existieren, um nicht vor leisem, immerwährend Seufzen<br />
zu erblassen.<br />
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