open poems open writing 09/10 - Crespo Foundation
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Adam<br />
Elen kennt einen Jungen, den sie nicht mögen will. Sie will<br />
ihn nicht mögen, weil man ihn Adam nennt. Elen will keinen<br />
mögen, der Adam heißt, der in seinem Namen so viel an<br />
Wohlklang staut, dass andre Wörter drunter leiden müssen.<br />
Elen hat es schon ausprobiert. Sie nahm ein Blatt und schrieb<br />
„Schwalbe“ darauf mit sorgfältiger Schrift. Sie sagte es<br />
laut auf, vielleicht dreimal. Es war kein schlechtes Wort,<br />
sie würde sagen Note zwei. Doch als sie das Wort Adam dann<br />
daneben schrieb, verlor das Schwalbenwort, was Wörter nur<br />
verlieren können. Sie sagte Schwalbe Adam Schwalbe Adam,<br />
doch dann hörte sie auf, damit der Name dem einst schönen<br />
Vogel nicht noch mehr seines Klangs entriss, damit der Vogel<br />
nicht noch durchsichtiger, noch nesthockiger wurde.<br />
Manchmal scheint Adam diese Empfindlichkeit, die sein Name<br />
hervorbringt, auch zu spüren, wenn er am Ende eines Briefes<br />
schreibt, mit liebem Gruß A., um seinem Brief nicht alles zu<br />
entnehmen, was er davor ihm gab.<br />
Und noch etwas: Elen will keinen Menschen gerne mögen,<br />
den sie nie fragen könnte, ob sie an seine Schläfe einmal<br />
langen dürfe, und das konnte sie viele Leute fragen. Ein<br />
jeder, Vater, Mutter würde sagen: In Ordnung, wenn du meinst.<br />
Alle würden kurz stutzen, die Geste über sich ergehen lassen<br />
und dann im nächsten Augenblick das eben grad Geschehene<br />
vergessen.<br />
Doch nicht so Adam. Das sanfte Streifen an der Schläfe,<br />
auch noch so leicht nur und vergänglich, würde für ihn zur<br />
Narbe werden, die sich nicht schließt. Ihm würde dieser kaum<br />
vorhandene Druck nicht gehen, er würd sein Herz im Kopfe<br />
immer schlagen hören und auch des Herzes Echo. Er könnte die<br />
Gebärde nicht ertragen und nur aus diesem einen Grund: Adam<br />
wäre der Einzige, der diese ernst nähme, der sie verehrte,<br />
pflegte und versorgte. Doch Elen weiß, dass das nicht möglich<br />
ist, dass man Momente, Weilen nie unterschätzen sollte.<br />
Man sollte sie vergehen lassen, denn dazu sind sie da,<br />
daraus bestehen sie. Und da ist es schon wieder. Adam nimmt<br />
einer Sache ihren Wert. Er nimmt, wenn er Elens Geste behalten<br />
will, dem Augenblick den Glanz. Und das steht ihm nicht<br />
zu. Das steht niemandem zu.<br />
Es ist ganz einfach so, dass Elen niemanden mögen will,<br />
der manchmal einen Teebeutel im Haare hängen hat, weil es<br />
gut riecht. Der gerne wissen will, wie schwer sein Kopf ist<br />
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