EVA KISSEL Die Hand an die Stirn eines Fiebernden Wenn Kastanien retten Gardinen Die Nacht um Verzeihung bitten Weihnacht Adam 72
Die Hand an die Stirn eines Fiebernden Da könnte man ihr Kinderauge ein einzig Mal nicht übergehen, zum ersten Mal könnt’ ihrem Traum geglaubt. Elen liegt meistens wach im Fieber, sie wälzt sich durch die Nacht, indem sie selbige sich um den Körper wickelt mit dieser Dreherei. So schwer ist diese Bettdecke doch nicht, oder ist es die Dunkelheit, die ihre Masse in meinen schwachen Körper schiebt? Und nassen Körper, der scheinbar nichts als schwitzen kann und glühen. Das denkt sie sich und wird so plötzlich nur noch ein Stück Fleisch, das einen Blutkreis trägt. Elen spürt auch den Schädel richtig, wie er mit seiner hohlen Existenz den Kopf rund hält. Ein Jemand hat den Hausarzt hergerufen, sie hat es nicht bemerkt, doch nun steht er auf einmal vor ihr. Ganz ohne weißen Kittel, das Stethoskop nicht um den Hals, nur lose in der Hand, erscheint die Frage nach Elens Befinden schon fast ein bisschen übermütig. Sie würde gerne sagen: Es pocht und wabert, summt in sich zusammen, gibt sich dem Rausch der Ohren hin. Doch fraglich, ob er das verstünde, so sagt sie nur: Es sticht ein bisschen in dem linken Zeh. ‚Ein Stechen in dem linken Zeh‘, das steht wohl eher in dem dicken, abgewetzten Buche, das er da mit sich trägt. Doch schlägt er es nicht nach, er weiß es scheinbar so: „Das Fieber ist sehr hoch und ausgeprägt ist das Delirium. Sie ist im Wahn.“ Elen meint, dass Doktoren nur viel zu kurze Sätze sagen und immer so, als seien die Patienten nicht dabei. Nun gut, versucht er bloß der Mutter zu erklären, die noch die Schürze mit dem Fettfleck trägt, so schnell war wohl der Doktor. Und überhaupt. Vielleicht will Elen ja im Wahn sein. Sie findet diesen Wahn nämlich auch gut. Obwohl sie gar nicht genau weiß, was er bedeutet. Der Wahn, der macht, dass man den Tag als Nacht durchschläft und letztere dafür ein bisschen wacher hält. Der macht, dass man ein bisschen seichter in dem Leben klemmt und ach, welch Träume er erst schenkt! Ein Traum, der nicht vom Schlaf bedingt, man braucht nur Müdigkeit, bestehend aus der Tiefe eines Schachts, sackt man in ihn hinein. In seine Farben, die so gefasst sind. Alles ist möglich dort. Er ist sogar betont und Elen würde diesem Traume all anderm vorziehen. Auch wenn es manchmal schlimm ist, man rennt, kommt nicht vom Fleck und kann nur Stille schreien. 73
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