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open poems open writing 09/10 - Crespo Foundation

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Als wir wieder zuhause sind, schnappe ich Tobi und schubse<br />

ihn in den begehbaren Kleiderschrank der Mutter. „Seit wann<br />

können die kein Auto mehr fahren?“, flüstere ich. „Seit wann<br />

können die nicht mehr bestellen, seit wann geht Papa nicht<br />

mehr in den Supermarkt. Was ist hier los?“<br />

Tobi zuckt die Achseln und hört gar nicht zu. „Flipp jetzt<br />

nicht aus“, sagt er, „aber die Badewanne ist weg.“<br />

Ich renne ins Badezimmer, ich untersuche die schmutzigen<br />

Kacheln, ich flippe aus, ich drohe, die Polizei zu rufen, ich<br />

rufe die Polizei. Die Polizei weiß nicht weiter. „Und was<br />

ist sonst noch verschwunden?“, fragt der ratlose Polizist.<br />

Stolz produziert Tobi seine Liste. Ein Hauch fachmännischer<br />

Taktkraft funkelt in seinen Augen.<br />

„Komisch“, sagt der Polizist. „Telefonbücher?“<br />

Wir schütteln ratlos die Köpfe. Beiläufig erwähnt Tobi<br />

Carl, und der Polizist verspricht, „der Sache auf den Grund<br />

zu gehen.“<br />

Tobi hält Plastikgabel und Messer in den Fäusten und sagt:<br />

„Darüber haben wir schon hundert Mal gesprochen. Nicht schon<br />

wieder.“<br />

„Ich würde das nur mal gern gedanklich durchspielen“,<br />

sage ich.<br />

„Wir ziehen nicht aus“, sagt die Mutter. „Da gibt es nichts<br />

durchzuspielen, wir bleiben hier.“<br />

Nicht zum ersten Mal erwähne ich: Das Haus ist zu groß,<br />

die Heizkosten sind unbezahlbar, weder Tobi noch ich wohnen<br />

in der Nähe, der Vater wird schon bald die Treppe nicht mehr<br />

laufen können. „Und jetzt auch noch das“, sage ich.<br />

Tobi schaut mich misstrauisch an, so als verdächtige er<br />

mich, in das Verschwinden von Waschmaschine, Telefonbüchern<br />

und Schüsseln involviert gewesen zu sein, nur um noch ein<br />

Argument mehr auf meiner Seite zu haben.<br />

„Hast du was damit zu tun?“, fragt er.<br />

„Jetzt reicht’s aber!“, sage ich.<br />

Die Mutter hebt beschwichtigend die Hände. „Wir verstehen<br />

ja. Wir sehen das ja ein. Aber wir können hier nicht weg.<br />

Wenn ich mir vorstelle, dass hier jemand Fremdes wohnt.“<br />

Ich schüttele den Kopf, als sei ich mir meiner Sache<br />

sicher, tatsächlich bin ich mir gar nicht sicher. Ich will<br />

nach Hause, nur weiß ich nicht, wo das sein soll.<br />

„Also wegen dem Fernseher“, sagt die Mutter. „Eben war er<br />

noch da.“<br />

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