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Zeitschrift des Deutschen Olympischen Sportbundes und der ...

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Über das Olympiaklima in Deutschland<br />

N<br />

un also haben die Münchner Brief <strong>und</strong> Siegel bekommen für ihre<br />

Bewerbung um die <strong>Olympischen</strong> Winterspiele 2018. Dieses<br />

Vorhaben ist, wie man weiß, eine große Herausfor<strong>der</strong>ung mit tausend<br />

Fragen, die alle in die eine münden: Erhalten zwei bayerische Gemeinden<br />

noch einmal auf Anhieb den Zuschlag <strong>des</strong> IOC? 1936 war Winterolympia<br />

<strong>der</strong> durch die Nazis zwangsvereinigten Dörfer Garmisch <strong>und</strong><br />

Partenkirchen gleichsam in den Schoss gefallen: Winterwettkämpfe<br />

hatte das IOC damals noch an den Ausrichter <strong>der</strong> Sommerspiele (Berlin)<br />

gekoppelt. Für Sommer 1972 fiel <strong>der</strong> Sieg dem Bewerberneuling<br />

München schon schwerer, am Charisma <strong>der</strong> Überzeugungstäter<br />

Daume <strong>und</strong> Vogel prallte die Konkurrenz jedoch ab. Heutzutage ist<br />

eine Bewerbung ein Hin<strong>der</strong>nislauf son<strong>der</strong>gleichen, Stolpern inbegriffen.<br />

Berchtesgaden (für 1992), Berlin (2000) <strong>und</strong> Leipzig (2012) haben<br />

sich dabei arg weh getan.<br />

Sich dieser Reinfälle vor dem Anlauf Münchens auf das Ziel 2018<br />

bewusst zu werden, erscheint <strong>des</strong>halb angebracht. Hilfestellung bei <strong>der</strong><br />

Rückschau leistet die bemerkenswerte Dissertation <strong>des</strong> Olympiamedaillengewinners<br />

im Schwimmen 1992/1996 <strong>und</strong> heutigen Vizepräsidenten<br />

<strong>der</strong> <strong>Deutschen</strong> <strong>Olympischen</strong> Gesellschaft (DOG), Christian Tröger,<br />

38, aus München. Mit dem Thema "Olympia - im Spannungsfeld von<br />

Mythos <strong>und</strong> Marke" erlangte er vor einem Jahr den Doktorgrad <strong>der</strong><br />

philosophischen Fakultät <strong>der</strong> Universität <strong>des</strong> Saarlands. Plateau <strong>der</strong><br />

Arbeit bildet die Gr<strong>und</strong>satzfrage, ob die "originäre Zielsetzung <strong>der</strong><br />

olympischen Idee in Gefahr gerät, im Verdrängungswettbewerb<br />

ökonomischer <strong>und</strong> machtpolitischer Interessen aus dem Auge verloren<br />

zu werden". Tröger meint, die Frage "<strong>der</strong> dauerhaften Tragfähigkeit<br />

Olympischer Spiele" rücke angesichts <strong>der</strong> "auf ein Ende <strong>der</strong> Aufwärtsentwicklung<br />

hinweisenden Indikatoren" in den Mittelpunkt.<br />

Kern <strong>der</strong> Dissertation jedoch sind die Ergebnisse dreier empirischer<br />

Untersuchungen, die das ehemalige Nationale Olympische Komitee<br />

(NOK) in Zusammenarbeit mit <strong>der</strong> Gesellschaft für Konsumforschung<br />

(GfK) in Nürnberg im Zeitraum zwischen 2002 <strong>und</strong> 2004 durchgeführt<br />

hat, als sich fünf deutsche Städte für die Spiele 2012 interessierten<br />

<strong>und</strong> eine <strong>der</strong> international aussichtslosesten das nationale Ausscheidungsrennen<br />

gewann: Leipzig. Befragt wurden: 5.500 Menschen in<br />

den Regionen <strong>der</strong> Kandidaten Düsseldorf, Hamburg, Stuttgart, Frankfurt<br />

<strong>und</strong> Leipzig zu ihrer Gr<strong>und</strong>einstellung zu Olympia <strong>und</strong> dem<br />

Projekt 2012; die fünf Oberbürgermeister dieser Städte zu ihren hinter<br />

<strong>der</strong> Bewerbung stehenden Beweggründen, zu den Attributen, die sie<br />

mit Olympia verbinden <strong>und</strong> zu den Parametern, die den Mythos<br />

Olympia begrenzen können; schließlich 140 Personen ("Olympia-<br />

Experten") aus den Bereichen Olympia-Athleten, Sportfunktionäre,<br />

Medien <strong>und</strong> Sportstudenten zu Fragen wie: Umgibt die Spiele ein<br />

Mythos? Werden die Spiele als Marke verstanden? Welche Parameter<br />

begrenzen das Gesamtbild Olympias <strong>und</strong> welche Entwicklungslinien<br />

lassen sich feststellen? Wie ist die Einstellung zur deutschen Bewerbung<br />

2012?<br />

Die Auswertung <strong>der</strong> Befragung ergab nicht nur ein repräsentatives,<br />

son<strong>der</strong>n auch ein klares Bild <strong>des</strong>sen, wie die <strong>Deutschen</strong> das olympische<br />

Spannungsfeld zwischen (immer noch existierendem) Mythos <strong>und</strong><br />

(zunehmend relevanteren) Marke definieren. Die Untersuchungsergebnisse<br />

beschreiben zudem treffend das Klima hier zu Lande in Bezug<br />

auf das Faszinosum Olympia. Die wichtigsten Antworten <strong>der</strong> Erhebung,<br />

grob skizziert, sind:<br />

� Olympia besitzt eine klare Alleinstellung, 76 Prozent <strong>der</strong> Athleten<br />

definieren die Teilnahme o<strong>der</strong> den Sieg bei Olympia als höchstes<br />

sportliches Ziel.<br />

� Mehr als 94 Prozent <strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong> Olympia-Experten sagen:<br />

Olympia umgibt ein "ganz beson<strong>der</strong>er" Mythos.<br />

� Olympia wird zunehmend als Marke wahrgenommen.<br />

� Die Olympische Bewegung kann in <strong>der</strong> Bevölkerung auf ein breites<br />

F<strong>und</strong>ament <strong>des</strong> Vertrauens bauen.<br />

� Für die Oberbürgermeister gilt Olympia als Podium zur Darstellung<br />

<strong>der</strong> Vorteile ihrer Stadt <strong>und</strong> als adäquates Instrumentarium zur<br />

Verfolgung ihrer Interessen. Eine Bewerbung führt zur Vermittlung<br />

positiver städtischer Werte <strong>und</strong> zur Generierung ökonomischer<br />

Vorteile.<br />

� Alle drei Befragungsgruppen liefern Zustimmungsraten für Leipzig<br />

von etwa 90 Prozent, aber nur je<strong>der</strong> Fünfte schätzt die internationalen<br />

Erfolgschancen <strong>der</strong> Sachsen höher als 50 Prozent ein (ein frühes<br />

Indiz für die Aussichtslosigkeit <strong>der</strong> Bewerbung).<br />

Auch Bedenkenträger verschaffen sich in <strong>der</strong> Studie Raum. So werden<br />

Problemfel<strong>der</strong> wie Korruption, Doping, zunehmende Kommerzialisierung<br />

<strong>und</strong> Gigantismus als "möglicher Hemmschuh für die Fortsetzung<br />

<strong>der</strong> Erfolgsstory von Olympia" (Tröger) beurteilt. Nur 16 Prozent <strong>der</strong><br />

5.500 aus <strong>der</strong> ersten Befragungsgruppe sehen in <strong>der</strong> anwachsenden<br />

Vermarktung keine Gefährdung <strong>des</strong> Olympiamythos. An das Internationale<br />

Olympische Komitee (IOC) ergehen daher folgende Mahnungen:<br />

Es darf sich mo<strong>der</strong>nen Erkenntnissen <strong>der</strong> marktorientierten<br />

Unternehmensführung nicht länger verschließen. Kurzfristige (wirtschaftliche)<br />

Interessen dürfen das ursprüngliche F<strong>und</strong>ament von<br />

Olympia nicht existenziell gefährden. Das IOC muss alles daran setzen,<br />

sein Sympathiepotenzial zu pflegen. Der Mythos Olympia ist dabei als<br />

ein substantielles Gut zu respektieren.<br />

Mag <strong>der</strong> Inhalt <strong>der</strong> Trögerschen Doktorarbeit, die auch als olympisches<br />

Geschichts- <strong>und</strong> Lesebuch verstanden werden kann, demnächst vier<br />

Jahre alt sein, die in ihr festgehaltenen Ergebnisse sind Beleg für das<br />

Olympiaklima in Deutschland, das auch Richtung 2011, wenn das IOC<br />

sich für 2018 festlegt, kaum an Wirksamkeit verlieren dürfte. Münchens<br />

Bewerber sollten also mal reinschauen in den Band, <strong>der</strong> aus<br />

einem diplomierten Schwimmer einen promovierten gemacht hat.<br />

WADA-Wahrheiten<br />

Michael Gernandt<br />

ass die Politik im Kampf gegen die Doping-Seuche ein unverzichtbarer<br />

Partner <strong>des</strong> Sports ist, kann niemand bestreiten.<br />

Zweifel sind jedoch angebracht, ob die Politik ihre Rolle immer mit <strong>der</strong><br />

notwendigen Kompetenz <strong>und</strong> Konsequenz spielt. Im Zusammenhang<br />

mit <strong>der</strong> Welt-Anti-Doping-Agentur WADA, die bei ihrer dritten Vollver-<br />

OF-KOMMENT<br />

OF-KOMMENTARE<br />

D<br />

ARE 19

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