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Zeitschrift des Deutschen Olympischen Sportbundes und der ...

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Mensch <strong>und</strong> Sensation - Übertreibung <strong>und</strong> Übermaß - woll(t)en<br />

wir das nicht? Dem Zirkus Hochleistungssport war das geneigte<br />

Publikum immer sehr zugetan. Auch <strong>der</strong> Staat, <strong>der</strong> sich gerne im<br />

Medaillensegen sonnt. Doch welchen Sport hätten wir denn<br />

gern? Den erfolgreichen <strong>und</strong> sauberen natürlich, möglichst mit<br />

Rekorden. Gerade Politiker <strong>und</strong> Funktionäre for<strong>der</strong>ten <strong>und</strong> for<strong>der</strong>n<br />

immer lautstark den ehrlichen Sport. Geradezu grotesk mutete<br />

dieser Anspruch in den Zeiten <strong>des</strong> Kalten Krieges an, als auch im<br />

Sport ein Wettrüsten zwischen Ost <strong>und</strong> West lief: Internationales<br />

Prestige dank <strong>des</strong> Medaillenspiegels galt nicht nur für die kleine<br />

DDR. Nie wurde damals genau hingeschaut - <strong>und</strong> Funktionäre<br />

<strong>und</strong> Politiker wollten es auch nicht wissen - was beispielsweise<br />

Sportmediziner - auch im Westen - mit Athleten <strong>und</strong> Athletinnen<br />

anstellten. Was hat sich an dieser Einstellung geän<strong>der</strong>t? Heute<br />

sind vor allem wirtschaftliche <strong>und</strong> Machtinteressen <strong>der</strong> Sportverbände,<br />

aber auch <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> die Triebfe<strong>der</strong> für Illegalität im Sport.<br />

Das System Hochleistungssport kann <strong>des</strong>halb nach hehren Regeln<br />

kaum noch funktionieren - <strong>und</strong> die Jahre lang gepriesene deutsche<br />

Antidopingkampagne erscheint nachträglich angesichts <strong>der</strong><br />

Umsetzung sogar naiv. War es mehr als Alibi <strong>und</strong> Selbstbeweihräucherung?<br />

Der Global Player kämpft heute auch im Sport mit<br />

harten, teilweise unfairen Bandagen. Nur wenige trauten sich laut<br />

<strong>und</strong> offen auf Missstände aufmerksam zu machen. Und es waren<br />

immer Außenstehende wie etwa <strong>der</strong> Philosoph Hans Lenk, <strong>der</strong><br />

schon vor dreißig Jahren über die unsäglichen Folgen <strong>des</strong><br />

Dopings <strong>und</strong> Werteverfalls sinnierte. O<strong>der</strong> <strong>der</strong> Molekularbiologe<br />

Werner Franke, <strong>der</strong> wie kaum ein an<strong>der</strong>er über Fachwissen in<br />

Sachen Doping verfügt. Jahrelang wurde er ausgegrenzt <strong>und</strong> als<br />

Totengräber <strong>des</strong> Sports angefeindet. Doch heute, <strong>der</strong> Not gehorchend,<br />

aber auch um das ernsthafte Bemühen <strong>der</strong> Problemlösung<br />

zu unterstreichen, wird <strong>der</strong> Heidelberger Professor gerne<br />

als Talk- o<strong>der</strong> Nachrichtengast gesehen - weil er eben Tacheles<br />

redet, während Funktionäre o<strong>der</strong> auch Sportler, Ärzte <strong>und</strong><br />

dürfen aber nicht glauben, dass dann, wenn wir die Freiheit <strong>der</strong><br />

Sportorganisationen durch staatliche Reglementierung ersetzen<br />

würden, irgendetwas besser würde. Dadurch würde die Situation<br />

nur schlechter."<br />

Fort also mit dem Etatismus, <strong>der</strong> den linken Parteien einschließlich<br />

<strong>der</strong> Grünen zu eigen ist. Dennoch merkte <strong>der</strong> konservative<br />

Politiker an, dass im organisierten Sport - auch außerhalb <strong>des</strong><br />

dräuenden Dopingproblems - nicht alles zum Besten bestellt ist:<br />

"Wir haben die große Sorge, dass das ungeheuer Attraktive, das<br />

<strong>der</strong> Sport in all seinen Erscheinungsformen für unser Land, für<br />

die Bevölkerung <strong>und</strong> für die Gesellschaft bedeutet, durch Übermaß<br />

bzw. Übertreibung zerstört wird."<br />

Übermaß? Übertreibung? Was damit gemeint ist, griff DOSB-<br />

Präsident Dr. Thomas Bach neun Tage später auf <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>versammlung<br />

<strong>des</strong> DOSB in Hamburg auf: Die "Fixierung auf<br />

24<br />

Trainer nach wie vor in Erklärungsnöte geraten. Was für<br />

Machenschaften, denkt <strong>der</strong> Fan - <strong>und</strong> will nun alles wissen. 127<br />

Millionen Euro - das sind 18 Millionen mehr als 2006 - wird<br />

sich Deutschland im Olympiajahr den Spitzensport kosten<br />

lassen. Eine Million davon will <strong>der</strong> B<strong>und</strong> in die Stiftung <strong>der</strong><br />

Nationalen Antidoping-Agentur (NADA) einzahlen. Und <strong>der</strong><br />

Obulus <strong>der</strong> Sportverbände, die ja ganz beson<strong>der</strong>es Interesse an<br />

sauberen Athleten haben müssten? Der hält sich in Grenzen. Die<br />

Verbände jammern ohnehin über zu wenig Geld. Manche<br />

bringen sich durch Pokern um die Fernsehrechte in die finanzielle<br />

Bredouille. Überhaupt: Sind die Macher <strong>des</strong> mo<strong>der</strong>nen<br />

Unterhaltungssports wirklich am Antidopingkampf interessiert?<br />

Die Vergangenheit lehrt den geneigten Fan da Düsteres ...<br />

Aber das war doch nicht das Sport-Jahr 2007? Tristesse, Hoffnungslosigkeit.<br />

Dieser ständige Zweifel, <strong>der</strong> einen selbst dann<br />

beschleicht, wenn man beim Verein um die Ecke in <strong>der</strong> Kabine<br />

die leeren Energie-Drink-Büchsen entdeckt <strong>und</strong> fragende Augen<br />

auf den Mitspieler richtet: "Auch Du, mein Sohn Brutus?" Es gab<br />

trotz allem guten Sport. Man mag es kaum glauben: 26 Weltmeisterschaften<br />

<strong>und</strong> diverse an<strong>der</strong>e Titelkämpfe rauschten<br />

irgendwie, manchmal fast unbemerkt, am Sportinteressierten<br />

vorbei. Aber doch, <strong>der</strong> Fan erinnert sich an Höhepunkte. Acht<br />

Welttitelkämpfe fanden 2007 in Deutschland statt. Turner<br />

Fabian Hambüchen begeisterte bei seiner Heim-WM in Stuttgart<br />

nicht nur wegen seiner Titel, son<strong>der</strong>n wegen seines sympathischen<br />

Auftretens <strong>und</strong> machte die Rad-WM-Pleite für die<br />

Gastgeber-Stadt fast vergessen. Die Fußball-Frauen holten im<br />

fernen China zum zweiten Mal den WM-Pokal, während das<br />

Männer-Team - bis auf kleine Schönheitsfehler - souverän die<br />

EM-Qualifikation schaffte. Ru<strong>der</strong>er <strong>und</strong> Kanuten waren erfolgreich<br />

auf Kurs. Und die Handballer sorgten für eine Euphorie<br />

wie die Kicker im Vorjahr. Ein Event jagte das an<strong>der</strong>e, <strong>der</strong><br />

Rekorde" scheine in <strong>der</strong> Darstellung <strong>des</strong> Sports "ein zentrales<br />

Problem" zu sein, sagte er. Vorwegläufer <strong>und</strong> Schlepper, auch<br />

menschenverachtend "Hasen" genannt, sollte es von nun an<br />

nicht mehr geben. Und: "Es sollten für Rekorde keine Prämien<br />

mehr gezahlt werden, von wem auch immer. Dann könnten<br />

Siege o<strong>der</strong> Platzierungen Maßstab für För<strong>der</strong>ung <strong>und</strong> Bezahlung<br />

werden. Es sollte bei Wettkämpfen nicht <strong>der</strong> Weltrekord<br />

o<strong>der</strong> sogenannte Championship-Rekord als Maßstab in Programmheften,<br />

auf Anzeigetafeln o<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Ansage angegeben<br />

werden... Mit diesen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en Maßnahmen könnten wir<br />

ein Umdenken för<strong>der</strong>n."<br />

Das wären erste vorsichtige Reformschritte auf dem Weg zu<br />

einem ethisch unbedenklichen Spitzensport. Ein Umdenken<br />

verlangt aber noch viel mehr, das gilt gerade für den zentralen<br />

sportpolitischen Konfliktpunkt, wie man dem flächendeckenden<br />

Doping den Garaus machen kann. Warum die mehrfach vorge-

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