Zeitschrift des Deutschen Olympischen Sportbundes und der ...

Ist die Einheit des Sports
gefährdet? Von Ommo Grupe
Der Satz von dem "einen" Sport stammt von Peco Bauwens,
dem langjährigen Präsidenten des Deutschen
Fußball-Bundes. Vollständiger und nachzulesen im
Protokoll der "offiziellen" Gründungsversammlung des Landessportbundes
Nordrhein-Westfalen 1947 lautet er: Wir "haben
auch gestritten", "hart", aber "fair", wir sind jedoch zu der "Überzeugung
gekommen, dass es nur einen deutschen Sport gibt".
Hinter dieser Überzeugung, die Bauwens mit vielen anderen
teilte, steckte allerdings mehr als nur der Wunsch nach der
organisatorischen "Einheit" des Sports; diese war in den Nachkriegsjahren
zweifellos besonders wichtig. Es ging aber auch um
die Umsetzung einer "Vereinsphilosophie", in deren Zentrum der
Verein stehen sollte, der über das für ihn charakteristische
"Gemeinschaftsgefühl" - heute würden wir vielleicht "Solidarität"
sagen - Menschen mit gleichen sportlichen Interessen und
Grundüberzeugungen zusammenführen und ihnen Gemeinsamkeit
und Zusammenhörigkeit bieten konnte. Die organisatorische
Einheit lieferte dafür den Rahmen.
Bei den Bemühungen, inmitten der Trümmer, der Orientierungslosigkeit,
den gesellschaftlichen Verwerfungen und Krisen, die
der Zweite Weltkrieg und die Nazi-Diktatur hinterlassen hatten,
die organisatorische und ideelle Einheit des Sports herzustellen,
haben auch die Erfahrungen mit den tief gehenden Konflikten
zwischen Turnen und Sport, den Arbeiterturnern und bürgerlichen
Sportlern, die den Sport in der Weimarer Zeit kennzeichneten,
sowie die Erinnerung an die zwangsweise Auflösung der
Verbände und Vereine und ihre politische Instrumentalisierung
gleich zu Beginn der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft
eine wichtige Rolle gespielt. Heute verlaufen die Trenn- und
Konfliktlinien im Sport zwar ganz anders; gleichwohl ist es
nützlich, wenn man nach der "Einheit des Sports" fragt, sich
daran zu erinnern.
Was bedeutete und was bedeutet "Einheit des Sports"?
Die Formen, in denen der Sport organisiert ist oder sich selbst
organisiert - also die Vereine und Verbände - sind kein Selbst-
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zweck. Sie haben ihren Sinn und ihre Bedeutung darin, dass sie
es den sportinteressierten Menschen ermöglichen, in einer
bestimmten Weise, nach bestimmten Sinnmustern und in einer
von ihnen gewählten Gemeinschaft Sport zu treiben. Die Organisationsform,
die der deutsche Sport in den Jahren nach dem
Zweiten Weltkrieg gefunden und die der DOSB übernommen
hat, wird diesem Ziel in fast optimaler Weise gerecht, nämlich
"Einheit" des Sports und zugleich "Vielfalt" seiner Praxis. Diese
Einheit bedeutete aber eben nicht nur organisatorische Einheit,
sondern auch die Einigung auf ein alles in allem gemeinsames
Verständnis von Sinn und "Idee" des Sports. Am Ende eines
mühseligen und oft kontroversen Diskussionsprozesses stand
der gelungene und gemeinsam getragene Ausgleich zwischen
fachverbandlichen Gliederungsprinzipien auf der einen Seite
und überfachlichen und eher bündischen Vorstellungen, die die
Landessportbünde und zum Teil auch das Turnen verkörperten,
auf der anderen. Max Danz, Oscar Drees, Walter Kolb, Prälat
Ludwig Wolker und manche andere haben große Verdienste
daran, dass diese "Einheit" zustande kam; auch Willi Daume, der
erste Vorsitzende des DSB, hat sie mit vorbereitet und später als
langjähriger DSB- und NOK-Präsident zu festigen versucht.
Aber diese Art des Zusammenschlusses und des föderalistischen
Gleichgewichts im Sport bedeutete auch, dass das damalige
"Dach" Deutscher Sportbund nicht allzu stark werden durfte.
Einen "schlaffen Riesen" hat man den DSB deshalb später
genannt. Dass er "schlaff" sein sollte, war aber nicht zufällig,
sondern geplant. Der DSB sollte nicht durch institutionelle
Macht auf seine Verbände und Vereine wirken können, sondern
wenn, dann durch Überzeugungskraft, Argumente und beispielhafte
Modelle. Darin lagen seitdem seine Schwächen und Stärken
zugleich. Dies gilt nach der "Verschmelzung" von DSB und
NOK auch für den DOSB. Das ist aber kein Konstruktionsfehler
oder muss dies nicht sein; es bringt vielmehr deutliche Vorteile.
Konkret bedeutete - damals - die neue Einheit die "Versöhnung"
von Turnen und Sport mit ihren bis dahin unterschiedlichen
und konkurrierenden Sinn- und Organisationsformen.
Turnen und Sport hatten sich länger als ein halbes Jahrhundert