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Zeitschrift des Deutschen Olympischen Sportbundes und der ...

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Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> letzten Jahrzehnte berühren auch den in<br />

Vereinen <strong>und</strong> Verbänden organisierten Sport <strong>und</strong> konfrontieren<br />

ihn mit neuen Problemen <strong>und</strong> Herausfor<strong>der</strong>ungen. Sie betreffen<br />

nicht nur sein unmittelbares Umfeld, auch er selbst hat sich<br />

verän<strong>der</strong>t. Unsystematisch <strong>und</strong> in Stichworten: mehr Mitglie<strong>der</strong>,<br />

viele mit neuen Interessen <strong>und</strong> Erwartungen, neue Sportarten,<br />

insgesamt mehr Vereine <strong>und</strong> Verbände, neue Aufgaben; daneben<br />

zahlreiche konkurrierende Sportanbieter, z.B. Fitnessclubs,<br />

Ges<strong>und</strong>heitsstudios, Volkshochschulen, Kirchengemeinden,<br />

kommunale Einrichtungen; kommerziell ausgerichtete Organisatoren<br />

von sportlichen Massenveranstaltungen, "Sporthappenings"<br />

<strong>und</strong> aufgeblasenen "Sportevents"; schließlich <strong>und</strong> oft<br />

fernab vom organisierten Sport die "Subkulturen" <strong>und</strong> "Szenen"<br />

<strong>der</strong> Bodybuil<strong>der</strong>, Brandungssurfer, Snowboar<strong>der</strong>, Mountainbiker<br />

<strong>und</strong> Skater; dann auch noch das offensichtliche Auseinan<strong>der</strong>driften<br />

von Spitzensport <strong>und</strong> Breitensport, professionellem<br />

Sport <strong>und</strong> Amateursport; <strong>und</strong> nicht zuletzt die Ausweitung <strong>des</strong><br />

Ges<strong>und</strong>heitssports, <strong>der</strong> sich immer mehr außerhalb <strong>der</strong> Vereine<br />

ansiedelt.<br />

Auch die Beweggründe <strong>der</strong> Menschen, Sport zu treiben <strong>und</strong><br />

dazu in einen Verein einzutreten, haben sich gewandelt. Viele<br />

streben nicht mehr nach Leistung <strong>und</strong> Wettkampf, wollen keine<br />

Vereinsbindung, sehen auch nicht (mehr) ein, warum sie mit<br />

ihrem Vereinsbeitrag Kin<strong>der</strong>abteilungen, sportliche Jugendarbeit<br />

<strong>und</strong> den leistungssportlichen Nachwuchs mitfinanzieren sollen<br />

- traditionelle Aufgaben <strong>des</strong> Vereins, die seine Gemeinnützigkeit<br />

<strong>und</strong> seinen Charakter als Solidargemeinschaft sicherten; auch<br />

die Bereitschaft, Ehrenämter zu übernehmen, nimmt ab. Sport<br />

kann man heute problemlos außerhalb von Vereinen betreiben,<br />

vom Skilaufen <strong>und</strong> Walken bis zum Radfahren <strong>und</strong> Krafttraining,<br />

was natürlich auch Vereinsmitglie<strong>der</strong> tun. Sportlich kann<br />

man heute sein, ohne noch Mitglied im Verein zu sein, sogar<br />

ohne noch wirklich "Sport" zu treiben. Viele sind mit dem<br />

sportlichen Outfit zufrieden.<br />

Hinzu kommt, dass die mehr o<strong>der</strong> weniger zutreffenden<br />

Medienberichte über Dopingvergehen, Wettbetrug, Medikamentenmissbrauch,<br />

Leistungs-, Wettkampf- <strong>und</strong> Spielmanipulationen,<br />

hohe Spielergehälter <strong>und</strong> Gagen, Bestechlichkeit, rassistische<br />

Übergriffe, Schlägereien <strong>und</strong> Randale das öffentliche<br />

Ansehen <strong>und</strong> die Glaubwürdigkeit <strong>des</strong> organisierten Sports<br />

zutiefst beschädigen, selbst wenn die Ursachen für Fehlverhalten<br />

<strong>und</strong> Regelverstöße gar nicht bei ihm zu suchen sind. Vor<br />

allem ist im Hinblick auf diese Entwicklungen unklar geworden,<br />

was "Sport" eigentlich noch heißt, was sein "Sinn" ist, wie er für<br />

den organisierten Sport angesichts <strong>der</strong> Unübersichtlichkeit <strong>der</strong><br />

neuen "Sportwelt", die nicht mehr nur aus ihm (<strong>und</strong> dem<br />

Schulsport) besteht, unverwechselbar zu definieren ist. Sport<br />

heißt heute (lei<strong>der</strong>) vieles, <strong>und</strong> manches wird als Sport ausgegeben<br />

o<strong>der</strong> nennt sich Sport, was mit dem "wirklichen" Sport<br />

nichts zu tun hat. Da bedarf es klarer Aussagen <strong>und</strong> gegebenenfalls<br />

auch deutlicher Abgrenzungen.<br />

Konsequenzen?<br />

Die Formel von <strong>der</strong> "Einheit" <strong>des</strong> Sports wird heute von manchen<br />

eine Beschwörungsformel genannt; das ist nicht positiv<br />

gemeint. Tatsächlich gerät die bisherige "Einheit" <strong>des</strong> Sports<br />

unter Druck. Dies betrifft aber nicht so sehr seine organisatorische<br />

Einheit, son<strong>der</strong>n insbeson<strong>der</strong>e sein bislang alles in allem als<br />

einheitlich angesehenes Selbstverständnis. Kritiker zweifeln<br />

daran, dass Werte wie "Gemeinschaft", Fairness, gegenseitiger<br />

Respekt, Solidarität, Gr<strong>und</strong>satztreue, Glaubwürdigkeit <strong>und</strong><br />

Gemeinnützigkeit noch überall ernst genommen werden. Ist<br />

Sport (noch) ein zu pflegen<strong>des</strong> "Kulturgut"? Die Antwort auf<br />

die Frage, ob die Einheit <strong>des</strong> Sports, die ja zugleich für ein<br />

Bündel sportlicher Werte <strong>und</strong> Verhaltensregeln steht, gefährdet<br />

ist, könnte heute nach allem, was zu erkennen ist, lauten: Die<br />

organisatorische Einheit ist ganz sicher nicht ernstlich bedroht,<br />

sie ist relativ gefestigt, für sie sprechen viele Vorzüge, was nicht<br />

heißt, dass es nicht irgendwann Abspaltungen o<strong>der</strong> Ausglie<strong>der</strong>ungen<br />

geben kann. Eher spricht manches dafür, dass es "Idee"<br />

<strong>und</strong> Selbstverständnis <strong>des</strong> organisierten Sports sind, die in Frage<br />

gestellt werden, weil sein "Sinn" offensichtlich unklar geworden<br />

o<strong>der</strong> ein einheitliches "Sinnverständnis" nicht mehr erkennbar<br />

ist. Wenn man bereit ist, dies zu akzeptieren, dann wäre zu<br />

klären, wohin die Entwicklung <strong>des</strong> in Vereinen <strong>und</strong> Verbänden<br />

organisierten Sports geht <strong>und</strong> wohin sie gehen soll o<strong>der</strong> sollte.<br />

Welcher Leitidee müsste sie angesichts <strong>der</strong> tief greifenden<br />

gesellschaftlichen Verän<strong>der</strong>ungen, <strong>der</strong> Entstehung eines eigenen<br />

"Sports" neben dem in Vereinen <strong>und</strong> Verbänden organisierten<br />

Sport <strong>und</strong> seinen eigenen <strong>und</strong> keineswegs nur oberflächlichen<br />

Verän<strong>der</strong>ungen folgen? Dazu sind Grenzziehungen ebenso<br />

wichtig wie klare Aussagen zu den Wert- <strong>und</strong> Zielvorstellungen<br />

<strong>des</strong> organisierten Sports, zu seinen Gr<strong>und</strong>sätzen <strong>und</strong> zu manchen<br />

Fehlentwicklungen auch im in Vereinen <strong>und</strong> Verbänden<br />

organisierten Sport selbst.<br />

"Erinnern heißt bauen", schrieb Willi Daume, <strong>der</strong> langjährige<br />

Präsident <strong>und</strong> Ehrenpräsident von DSB <strong>und</strong> NOK, in dem vom<br />

<strong>Deutschen</strong> Sportb<strong>und</strong> herausgegebenen Buch über die Grün<strong>der</strong>jahre<br />

<strong>des</strong> Sports nach 1945. Von einer bloßen Erinnerungskultur<br />

hielt er nichts. Die, die heute in den Vereinen <strong>und</strong> Verbänden<br />

<strong>und</strong> im DOSB für den Sport ehrenamtlich <strong>und</strong> hauptamtlich<br />

Verantwortung tragen, sollten <strong>des</strong>halb dafür sorgen,<br />

dass bewährte Gr<strong>und</strong>sätze <strong>und</strong> Wertemuster in unserer schnelllebigen<br />

Zeit nicht verblassen o<strong>der</strong> vergessen o<strong>der</strong> nur bei<br />

beson<strong>der</strong>en Anlässen <strong>und</strong> dann gerade noch als Teil einer<br />

schönen, aber letztlich unverbindlichen Erinnerungskultur<br />

gepflegt werden. Gewiss muss man sie immer wie<strong>der</strong> überprüfen,<br />

klären <strong>und</strong> verdeutlichen, sie, wenn notwendig, an neue<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>und</strong> Bedingungen anpassen, gegebenenfalls<br />

auch verwerfen. Gerade aber "Einheit <strong>des</strong> Sports" <strong>und</strong> <strong>der</strong> "eine"<br />

Sport sollten dabei keine Leerformeln bleiben, son<strong>der</strong>n sie<br />

können, richtig verstanden, überzeugende Orientierungsgr<strong>und</strong>lagen<br />

für die künftige Sportentwicklung liefern.<br />

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