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MOTORRAD 01/2016

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T E S T + T E C H N I<br />

Fahrbericht Triumph Street Twin<br />

K<br />

AHNEN-<br />

FORSCHER<br />

1959 gab es die erste Bonneville von Triumph zu kaufen.<br />

An deren luftgekühltem Motorkonzept änderte sich<br />

über all die Jahre nichts. Nun hält die Moderne Einzug,<br />

Wasserkühlung und Elektronik kommen an Bord.<br />

Von Jens Möller-Töllner; Fotos: Triumph<br />

Das Jahr 1956, die Luft in der<br />

Salzwüste von Utah flimmert,<br />

eine 650er-Triumph rast vorbei,<br />

erreicht 345 km/h. Ein Rekord.<br />

Da schlummerte also mächtig Power im<br />

luft gekühlten England-Twin. Zum Serienstart<br />

der nach den Erfolgen in Bonneville<br />

benannten Bikes blieben davon 1959 noch<br />

fast 50 Pferdestärken übrig. Und jetzt?<br />

In der zur 2<strong>01</strong>6er-Bonneville-Familie von<br />

Triumph zählenden neuen Street Twin werkelt<br />

ein 900er-Zweizylinder mit 270 Grad<br />

Hubzapfenversatz, Wasserkühlung, Ride-by-<br />

Wire und vielem mehr. Nur bei der Leistung<br />

hält sich der Aufschlag zur Urahnin zurück.<br />

55 PS vermeldet Triumph. Dabei hat doch<br />

schon die bis zum letzten Jahr aktuelle, auf<br />

kühlenden Fahrtwind vertrauende „Bonnie“<br />

mit ihrem 865 cm³ großen Gleichläufer 68<br />

Pferde mobilisiert. Und auch bei Triumphs<br />

Scrambler, die ihre Kolben bis dato schon<br />

mit 270 Grad Versatz zwischen oberem und<br />

unterem Totpunkt hin- und herschickte,<br />

standen 59 Pferde in der Box. Also Rückschritt<br />

als Fortschritt?<br />

Nicht so voreilig. Denn Triumph hat<br />

sich etwas dabei gedacht. Drehmoment<br />

nämlich. Und hier übertrifft die Street Twin<br />

laut Triumph ihre Vorgänger bis hin zur<br />

seligen Urahnin deutlich. Auf dem Papier<br />

soll der 900er-Motor 80 Nm bei niedrigen<br />

3200 Um drehungen mobilisieren. Scrambler<br />

und Bonneville liegen da mit 68 bis 69 Newtonmetern<br />

drunter, Mitte des letzten Jahrhunderts<br />

waren’s bei der ersten Variante gar<br />

nur 51 Nm. Daher genug der Vorrede, die<br />

kurvigen Straßen rund um Valencia warten.<br />

Vernehmlich sonor blubbert die Street<br />

Twin im Stand aus ihrer Edelstahlauspuff-<br />

Anlage. Die sieht nach schicker Zwei-inzwei-Lösung<br />

aus, verbirgt hinter den Krümmerblenden<br />

jedoch die beide Seiten<br />

verbindende Abgasreinigungsfabrik gemäß<br />

Euro 4-Norm. In nur 750 Millimetern<br />

Höhe empfängt die nun dicker gepolsterte<br />

Sitzbank den Fahrer. Gut für Kurzbeinige.<br />

Aber auch lange Piloten kommen damit<br />

zurecht, weil Knie und Füße nirgends<br />

anstoßen, das Sitzpolster trotz leichter<br />

Kante viel Platz zum Hin- und Herrutschen<br />

lässt. Mit nur einem Finger<br />

klappt die Kupplungsbetätigung, die<br />

sogar eine Slipper-Funktion besitzt.<br />

Trotzdem: Beim Anfahren braucht<br />

der Twin etwas mehr Gas, weil die<br />

Kupp lung leicht rupft, die Dosierbarkeit<br />

erschwert. Bei den folgenden<br />

Sprüngen im Getriebe klappt aber<br />

alles reibungslos. Schon bei den ständigen<br />

Zwischensprints von Ampel zu<br />

Ampel macht der Motor Laune. Er wirkt<br />

lebendiger und viel charakterstärker als<br />

der sehr gleichförmig agierende, luftgekühlte<br />

Bonnie-Antrieb und dreht bis in<br />

mittlere Drehzahlen lebhafter hoch als<br />

der Scrambler-Motor.<br />

Die Stadt liegt hinter uns. Fürs Kurvenräubern<br />

haben die Triumph-Guides eine<br />

formidable Runde in Valencias Hinterland<br />

zusammengestellt. Biegung reiht sich an<br />

Biegung. Und die Street Twin wischt wie<br />

selbstverständlich durchs Winkelwerk.<br />

Ein Grund hierfür ist die neue Balance des<br />

Fahrwerks, auf welche die Triumph-Entwickler<br />

viel Wert gelegt haben. Das fängt bei<br />

der Sitzposition an. Verglichen mit der luftgekühlten<br />

Bonneville befinden sich die<br />

Rasten weiter hinten, der Lenker weiter vorne<br />

und etwas tiefer. Das sorgt für eine aktivere<br />

Integration des Piloten ins Fahrzeug –<br />

ohne unbequem zu sein. Zudem wuchs der<br />

Federweg hinten<br />

um 20 auf 120 Millimeter.<br />

Die Street Twin gibt sich<br />

agil, ohne nervös zu sein, trifft die<br />

gewünschten Linien genau. Nur beim<br />

Rausbeschleunigen kann es hinten leicht<br />

anfangen zu pumpen. Nachdem die Federbeine<br />

am Heck um zwei Stufen weiter vorgespannt<br />

wurden, herrschte Ruhe. Die blieb<br />

auch bei Bodenwellen und Nachlässigkeiten<br />

im Straßenbau erhalten. Fein filtert das<br />

ansonsten nicht einstellbare Fahrwerk grobe<br />

Stöße heraus, glänzt mit Komfort und<br />

einem guten Maß an Dämpfung.<br />

Die Geschwindigkeit im Kurvenscheitel<br />

nimmt zu, die Street Twin macht das<br />

mit. Erst spät setzen die Fußrasten auf. Beim<br />

schrägen Treiben spielt auch die Brems-<br />

24 TEST+TECHNIK 1/2<strong>01</strong>6

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