MOTORRAD 01/2016
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Einzylinder-Supermotos<br />
Die Augen von Adrien Chareyre<br />
leuchten, als hätte er den Mount<br />
Everest bestiegen. „Sehr güt“,<br />
zieht der Franzose mit spitzbü<br />
bischem Gesichtsausdruck alle Register<br />
seiner rudimentären Deutschkenntnisse. In<br />
der Tat, es war sein erster Ritt auf den Col de<br />
l’Espigoulier. Den nur 700 Meter hohen Pass<br />
nordöstlich von Marseille, Hotspot des winterlichen<br />
Testprogramms von <strong>MOTORRAD</strong>,<br />
kannte der 30-Jährige bislang nicht. Wohl<br />
auch, weil sich der Mann aus Alès in den vergangenen<br />
13 Jahren hauptsächlich auf den<br />
Supermoto-Strecken dieser Welt aufhielt.<br />
Vier WM-Titel hat er in dieser Zeit geholt,<br />
war Werkspilot bei Husqvarna und Aprilia,<br />
ist seit Oktober Rennsport-Pensionär – und<br />
nun Stargast beim Supermoto-Vergleichstest<br />
von <strong>MOTORRAD</strong>. Ist es Pflichtbewusstsein<br />
oder purer Entzug? Noch keine fünf<br />
Minuten hat die Husqvarna nach der Erstbesteigung<br />
des Passes auf dem Seitenständer<br />
gelehnt, schwingt sich Monsieur Chareyre<br />
schon wieder in den Sattel. Also güt.<br />
Wir folgen. Hey, hier steht keine Startampel!<br />
Gedanken der Mäßigung scheinen an<br />
Adriens geistiger Firewall abzuprallen. Erst<br />
ein zu Tal schaukelndes Auto rückt das Feld<br />
der Motorräder wieder zusammen. Überschaubar<br />
ist es, das kleine Häufchen der aktuellen<br />
straßenzulassungsfähigen Einzylinder-Supermotos.<br />
Die vier füllen gerade mal<br />
den Radius einer der vielen engen Kehren<br />
auf der Passabfahrt. Von den japanischen<br />
Herstellern spielt nur noch Yamaha bei den<br />
Offroad-Derivaten mit. Doch die XT 660 X<br />
(7670 Euro plus 1110 Euro für die Akrapovic-Anlage<br />
in der Testmaschine) stammt<br />
konzeptionell aus dem Jahr 2004, wurde<br />
seitdem nur mit einer Aluschwinge modernisiert.<br />
Vielleicht liegt die Zurückhaltung<br />
aber auch nur an der KTM. Denn wo sich<br />
Nischen öffnen, füllen die Österreicher das<br />
Vakuum mit passgenau zurechtgeschnittenen<br />
Modellen. Und haben damit Erfolg.<br />
Bestverkaufte KTM, der sensationelle elfte<br />
Platz in der Zulassungsstatistik 2<strong>01</strong>5 – die<br />
690 SMC R avancierte in diesem Jahr zum<br />
Phänomen des deutschen Motorradmarkts.<br />
Und das ohne eine technische Änderung.<br />
Die gab es mit ABS und Ride-by-Wire das<br />
letzte Mal im Jahr 2<strong>01</strong>4. Oder, wenn man so<br />
will, in Form der erst vor Kurzem vorgestellten<br />
Husqvarna. Technisch basiert die 7<strong>01</strong><br />
Supermoto nämlich auf ihrer konzerninternen<br />
Schwester, unterscheidet sich von ihr<br />
nur durch die weiter über die Flanken reichende<br />
Sitzbank, einen von zwölf auf 13<br />
Liter vergrößerten Tank, gummigelagerte<br />
Lenkerböcke sowie modifizierte Mappings<br />
und Abstimmung der Federelemente.<br />
Und im Preis. Mit 9545 Euro liegt die Husky<br />
350 Euro über dem Tarif der mit 9195 Euro<br />
eben falls nicht ganz billigen KTM. Genau in<br />
diese Bresche schlägt die SWM. SWM? Ein<br />
kurzer Blick zurück bringt Aufklärung. Im<br />
Februar 2<strong>01</strong>3 verkaufte BMW als glückloser<br />
Eigner von Husqvarna die defizitäre Unternehmenstochter<br />
an KTM. Die Österreicher<br />
schlossen das Werk, verwenden den traditionsbehafteten<br />
Namen seither für die auf<br />
KTM-Technik basierende Modellpalette.<br />
Die Restbestände der noch in Italien produ<br />
zier ten Husqvarna-Maschinen wurden<br />
ab verkauft. Doch nun feiern sie Wiederaufer<br />
ste hung. Mit Geld von Shineray, einem<br />
30 TEST+TECHNIK<br />
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