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MOTORRAD 01/2016

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Wüste Gobi im Winter<br />

Am Vormittag folgen wir den Dünen<br />

von Khongor Els bis zu ihrem westlichen<br />

Ende. Hier sind sie mit 300 Meter am höchsten.<br />

Ein nördlich der Dünen lagernder<br />

Kamelzüchter erzählt uns, dass er noch nie<br />

so viel Schnee auf den Dünen gesehen<br />

hätte. Uns hält nichts mehr, wir müssen sie<br />

besteigen. Eine Stunde später stehen wir<br />

auf der höchsten Düne von Khongor Els,<br />

vom extrem steilen Aufstieg erschöpft und<br />

durchgeschwitzt. Ein eisiger Wind schlägt<br />

uns auf dem Dünenkamm entgegen, aber<br />

der Blick entschädigt für alles. Die schneeweißen<br />

Dünen bilden scharfe Grate, die<br />

Flanken glitzern in der tief stehenden Sonne,<br />

in der Ferne thronen die Berge von<br />

Zöölön Uul. Ich entdecke in den Dünen<br />

eine Herde Pferde, die im Schnee grasen.<br />

Ein friedliches, schönes Bild, das uns für<br />

wenige Minuten die Kälte vergessen lässt.<br />

Es folgen weitere, schwere Kilometer auf<br />

dem Motorrad. Wieder ziehe ich beheizte<br />

Unterwäsche an, darüber mehrere Schichten<br />

Funktionskleidung, dann die Lederjacke<br />

mit ihren Protektoren, darüber noch<br />

eine dicke Daunenjacke. Wir schleppen die<br />

Maschine mit einem der russischen Furgon-Geländebusse<br />

an, meine Freunde Jörg<br />

und Ralf sowie das mongolische Team feuern<br />

mich an, doch inzwischen beherrsche<br />

ich das Motorradfahren im Schnee besser.<br />

Wir kommen gut voran. Die Landschaft<br />

ist typisch für die Gobi, wir fahren meist<br />

über weite Ebenen, die von niedrigen<br />

Gebirgszügen flankiert werden. Es weht ein<br />

eisiger Wind, der die heute gemessenen,<br />

moderaten minus 30 Grad deutlich kälter<br />

erscheinen lässt. Der Gedanke, die nächste<br />

Nacht im Zelt verbringen zu müssen, ist<br />

alles andere als behaglich. Zum Glück<br />

erreichen wir am späten Nachmittag ein<br />

Winterlager von Nomaden. Tulga, unser<br />

Übersetzer, fragt das Familienoberhaupt,<br />

ob wir neben den beiden Jurten die Zelte<br />

aufschlagen und die Abendstunden in<br />

einer beheizten Jurte verbringen dürfen.<br />

Es ist immer wieder ein unglaubliches<br />

Erlebnis, sich mit den Menschen in dieser<br />

Einsamkeit auszutauschen.<br />

Wie befürchtet springt das Motorrad<br />

am nächsten Morgen nicht an. Sämtliche<br />

Anschleppversuche enden damit, dass ich<br />

wegen des im Schnee blockierenden Hinterrads<br />

stürze. Jetzt schlägt die Stunde von<br />

Gerle und Tsseren, unseren beiden Fahrern.<br />

Sie holen eine Plane und ihre leistungsstarken<br />

Flammenwerfer aus den Autos.<br />

Dann decken sie das Motorrad komplett<br />

zu. Anschließend wird die Luft unter der<br />

Plane erhitzt, bis der am Motorrad haftende<br />

Schnee literweise herabläuft. Nach einer<br />

halben Stunde entfernen die beiden die<br />

Plane und bitten mich, das Motorrad zu<br />

starten. Die GS springt sofort an.<br />

OHNE TIERE IST KEIN ÜBER-<br />

LEBEN IN DER GNADEN-<br />

LOSEN GOBI MÖGLICH<br />

www.motorradonline.de LEBEN 83

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