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100 Jahre Jütro

Eine Firmen- und Familiengeschichte 1911 bis 2011

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1911 bis 2011

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Die zweite Generation – Meine Eltern Fritz und Hildegard Meyer<br />

Ein dramatischer Frühling<br />

Wenige <strong>Jahre</strong> nach dem Krieg hatte<br />

der Staat versucht, mittels willkürlicher<br />

Buchprüfungen für die <strong>Jahre</strong> seit 1945<br />

Unternehmer zu verunsichern und unter<br />

Haftandrohung zur Aufgabe des Betriebes<br />

und zur Ausreise zu bewegen.<br />

Die Vorwürfe waren in der Regel haltlos<br />

und oft hanebüchen. Fabrikplünderungen,<br />

Kriegsschäden, Verluste an Verpackungsmaterial<br />

und Rohstoffen, wie sie in<br />

den Kriegs- und Nachkriegszeiten an der<br />

Tagesordnung waren, durften nicht geltend<br />

gemacht werden. Buch- und Steuerprüfungen<br />

mussten daher zwangsläufig<br />

Differenzen ergeben. Der Betrugsvorwurf<br />

stand im Raum, und ehe man sich versah,<br />

befand man sich in Haft. Dieses<br />

Vorgehen hatte Methode und zielte auf<br />

die Liquidierung privatwirtschaftlicher<br />

Unternehmen und bäuerlicher Betriebe.<br />

Meine Großmutter, zu dieser Zeit alleinige<br />

Eigentümerin der Firma, entzog sich<br />

als eine der letzten im April 1953 diesen<br />

Nachstellungen durch Flucht nach Westberlin.<br />

In einer Nacht- und Nebelaktion<br />

wurde sie von Freunden nach Potsdam<br />

gebracht. In Jüterbog den Zug zu besteigen,<br />

wäre zu gefährlich gewesen. Am<br />

nächsten Morgen begannen die Hausdurchsuchungen<br />

nicht nur in der Wohnung<br />

der Großmutter und im Firmenbüro,<br />

sondern auch bei unserer Familie. Und<br />

dann verhaftete man meine Mutter. Für<br />

meine Schwestern und mich bereitete<br />

man die Aufnahme in einem Kinderheim<br />

vor, und vermutlich haben wir es nur dem<br />

mutigen und unermüdlichen Einsatz unseres<br />

Onkels Dr. Stiebler zu verdanken,<br />

dass uns dieses Schicksal erspart blieb.<br />

Es gelang ihm, unsere Mutter aus dem<br />

Gefängnis herauszuholen.<br />

Unser Heizer Hermann Lehmann, der<br />

Vorsitzende der Betriebsgewerkschaftsleitung,<br />

war zwischenzeitlich zum Leiter<br />

der Konservenfabrik bestimmt worden,<br />

und bei ihm war die Fabrik in verantwortungsvollen<br />

Händen. Dass wir allerdings<br />

weder die Räume noch den Fabrikhof betreten<br />

durften, hat uns verunsichert und<br />

bedrückt. Zwei Tage nach der Flucht der<br />

Großmutter erfolgten die Räumung ihrer<br />

Wohnung und die Beschlagnahmung der<br />

Einrichtung.<br />

Prokurist Herbert<br />

Fremdling (Mitte)<br />

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