100 Jahre Jütro
Eine Firmen- und Familiengeschichte 1911 bis 2011
Eine Firmen- und Familiengeschichte
1911 bis 2011
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Die dritte Generation – Bernd-Richard und Angelika Meyer<br />
auf dem Firmenschild „VEB Jüterboger<br />
Konservenfabrik“. Ein weiterer juristisch<br />
und wirtschaftlich selbständiger volkseigener<br />
Betrieb war entstanden. Und ich<br />
war der Direktor.<br />
Ich bleibe!<br />
Hier war mein Platz. Es war und blieb<br />
doch meine Aufgabe, für unsere Firma<br />
und ihr Bestehen zu arbeiten. Wie hätte<br />
ich zuschauen sollen, wenn fremde<br />
Leute in Großvaters Fabrik wirkten und<br />
über kurz oder lang das Lebenswerk<br />
meiner Vorfahren und auch das meinige<br />
in Scherben ging? In meiner Umgebung<br />
sah ich zu viele Beispiele dafür. Fabrikbesitzer<br />
in der Generation meines Vaters zogen<br />
sich verbittert zurück und versäumten<br />
es gleichzeitig, ihren Nachkommen<br />
Mut zu machen, die Firma nicht im Stich<br />
zu lassen. Ich selbst gehörte zu der Generation,<br />
die sich an die Spielregeln des<br />
Systems hatte gewöhnen müssen und<br />
auch können. Wie wollte ich mit meinen<br />
30 <strong>Jahre</strong>n die gestandenen Unternehmer<br />
umstimmen? Die meisten von ihnen lehnten<br />
das gesamte System des Sozialismus<br />
vehement ab. Wie hätten sie sich einbringen<br />
sollen? Auch meine Mutter hat die<br />
Verstaatlichung des Betriebes selbstverständlich<br />
schwer getroffen. „Ich gehe hier<br />
raus. Ich gehe ‚nach hinten‘ in die Fabrik,<br />
arbeiten“.<br />
Für mich blieb die Firma in den nächsten<br />
18 <strong>Jahre</strong>n dennoch meine eigene. Es<br />
gelang mir nicht, sie mir aus dem Herzen<br />
zu reißen und es nötigte mich auch keiner<br />
dazu. Mein gesammeltes Wissen, alle<br />
meine Kenntnisse habe ich für eine stabile<br />
Entwicklung der <strong>Jütro</strong> eingesetzt. Dafür<br />
musste ich mich anpassen. Es gelang<br />
mir, ein gutes menschliches Verhältnis zu<br />
den Entscheidungsträgern beim Rat des<br />
Kreises und anderen Stellen aufzubauen.<br />
Eine andere Möglichkeit gab es gar nicht.<br />
Ich hatte Familie und Verantwortung. Ich<br />
hatte eine gesicherte materielle Existenz<br />
und dachte nicht daran, sie aufzugeben.<br />
Man konnte sich anpassen, ohne ein<br />
Kratzer zu sein. Ich habe das versucht.<br />
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