COMPACT-Magazin 02-2017
Jung, wild, patriotisch
Jung, wild, patriotisch
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<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
Mörder und<br />
Verantwortliche<br />
Marion und Marine<br />
Marion gilt als die radikalste in der Le-Pen-Familie,<br />
aber diese Zuschreibung vergröbert ihr Profil.<br />
Immerhin stimmt, dass sie im Unterschied zu ihrer<br />
Tante, der aktuellen Präsidentschaftskandidatin, den<br />
Bruch mit Parteigründer Jean-Marie immer abgelehnt<br />
hat – alles andere wäre auch schwer verständlich,<br />
da sie in dessen Haushalt großgezogen wurde.<br />
Aber seine umstrittensten Äußerungen – etwa seine<br />
Bezeichnung der Gaskammern als «Fußnote» der<br />
Geschichte – lehnt sie klar ab.<br />
Die Einheit des Front National wird von einer fast<br />
schon militärischen Hierarchie und Disziplin gesichert,<br />
und Marion versteht sich als «gute kleine Soldatin»<br />
der Parteivorsitzenden beim Kampf um den<br />
Élysée-Palast. Trotzdem hat sie es geschafft, eigene<br />
Akzente zu setzen. So hält sie Tuchfühlung zur<br />
Identitären Bewegung und verteidigt offensiv deren<br />
ideologischen Zentralbegriff vom Großen Austausch<br />
der Bevölkerung. Ihre Tante ging auf Distanz:<br />
«Das Konzept vom Großen Austausch unterstellt einen<br />
fertigen Plan. Diese Verschwörungstheorie teile<br />
ich nicht.»<br />
Auch Marions Teilnahme an den Massendemonstrationen<br />
gegen die Homoehe («Manif pour tous»)<br />
und ihre Forderung, den Abtreibungsberatungszentren<br />
die staatliche Unterstützung zu streichen, missfiel<br />
Marine. Während die Nichte Kontakte in das<br />
christlich-monarchistische Spektrum pflegt, stellt<br />
die Tante den Republikanismus in der Tradition von<br />
1789 ins Zentrum. Folgerichtig sieht die Tea-Party-<br />
Politikerin Sarah Palin in Marion die Jeanne d’Arc<br />
unserer Tage – die mythische Volksheldin soll von<br />
Gott persönlich den Auftrag zur Verteidigung Frankreichs<br />
gegen die Engländer im Hundertjährigen<br />
Die Le-Pen-Frauen mischen Frankreichs Politik auf. Foto: picture<br />
alliance / AP Images<br />
Krieg bekommen haben. Umgekehrt zieht Marine<br />
als Marianne in die Schlacht – die Symbolfigur der<br />
französischen Nation seit den Revolutionstagen, von<br />
Eugène Delacroix als barbusige Barrikadenkämpferin<br />
mit Trikolore verewigt.<br />
Der Widerspruch der beiden Le Pens wird vor allem<br />
in der Wirtschaftspolitik deutlich. Für den Nachwuchsstar<br />
tritt diese hinter der Verteidigung traditioneller<br />
Werte zurück. Selbst der Euro-Austritt hat<br />
für sie keine hohe Priorität, er löse nicht «das Alpha<br />
und Omega unserer Probleme». Die Parteivorsitzende<br />
hingegen will mit ökonomischen Forderungen<br />
punkten, die aus früheren Programmen der Kommunistischen<br />
Partei stammen könnten. Damit will<br />
sie im aktuellen Wahlkampf vor allem ihrem republikanischen<br />
Rivalen François Fillon das Wasser abgraben:<br />
Dieser gibt sich mit gaullistischen Tönen als<br />
Verteidiger der Grande Nation und hat dem «islamistischen<br />
Totalitarismus» den Kampf angesagt, aber<br />
stößt durch seine ultraliberale Wirtschaftspolitik die<br />
Arbeiter ab, die nun Marine Le Pen zu sich herüberziehen<br />
will. Aber entfremdet sie sich damit nicht<br />
dem Mittelstand und den konservativen Franzosen<br />
in der Provinz? Diese Klientel wird eher durch ihre<br />
Nichte angesprochen.<br />
Gefragt, ob sie eines Tages selbst Präsidentin<br />
werden will, antwortete Marion Le Pen: «Natürlich,<br />
natürlich, aber ich habe keine Karrierestrategie.<br />
(…) Ich habe mich nicht entschieden, Minister<br />
oder Präsident sein zu wollen. Ich gehe dahin, wo<br />
das Volk mich braucht.» Zuerst das Volk, dann die<br />
Partei, dann die eigene Person – so etwas hört man<br />
heutzutage selten von einem Politiker.<br />
Aus der Ansprache von Marion<br />
Maréchal-Le Pen nach dem Terroranschlag<br />
von Nizza am 14.<br />
Juli 2016: «Wer ist dafür verantwortlich?<br />
In erster Linie natürlich<br />
die Terroristen. Ausländer<br />
wie in Nizza – oder Franzosen<br />
auf dem Papier. Wiederholungstäter.<br />
Ein Kind der<br />
laxen Gerichtsentscheide. Ein<br />
Kind des Familiennachzugs und<br />
des Geburtsortsprinzips [das<br />
jedem in Frankreich Geborenen<br />
sofort die Staatsbürgerschaft<br />
zuspricht]. Ein Kind des<br />
Eigenhasses, den die französische<br />
Elite seit Jahrzehnten in<br />
die Köpfe der Franzosen eingepflanzt<br />
hat.<br />
Aber auch die sind verantwortlich,<br />
die alles unternommen<br />
haben, um die nationalen Grenzen<br />
zum Verschwinden zu bringen.<br />
Somit kommen Hunderttausende<br />
illegaler Einwanderer<br />
ohne große Mühe über die Grenzen<br />
und missbrauchen unsere<br />
Großzügigkeit. In diesem Strom<br />
können sich die Terroristen problemlos<br />
verstecken.<br />
Aber auch die sind verantwortlich,<br />
die jedes Jahr Migranten<br />
in der Größenordnung der Stadt<br />
Bordeaux [500.000 Einwohner]<br />
nach Frankreich hineinlassen.<br />
Mit dieser verrückten Politik hat<br />
die sozialistische Regierung von<br />
Manuel Valls die Assimilierung<br />
der Migranten verhindert. Wenn<br />
es noch möglich ist, ein Individuum<br />
zu assimilieren, so ist es<br />
doch nicht möglich, dasselbe mit<br />
ganzen Völkern samt ihrer fremden<br />
Kultur und Religion zu tun.<br />
Aber auch die sind verantwortlich,<br />
die nach wie vor der multikulturellen<br />
Gesellschaft huldigen.<br />
Dieser Traum ist aber<br />
längst zu einem Albtraum verkommen.»<br />
(Quelle: YouTube-<br />
Kanal von Marion Maréchal-<br />
Le Pen; Übersetzung: A. Benjamine<br />
Moser)<br />
Trauer um die Opfer von Nizza.<br />
Foto: PAULMAXWELL, CC BY-SA<br />
4.0, Wikimedia Commons<br />
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