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COMPACT-Magazin 02-2017

Jung, wild, patriotisch

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<strong>COMPACT</strong> Politik<br />

Die Öhm-Doktrin<br />

FAKE NEWS<br />

Tagesschau-Hobbit Jan Hofer<br />

verlas am 29. November 2016<br />

die Fake News, wonach Russland<br />

hinter einem Angriff auf die<br />

Deutsche Telekom stecke. «Mit<br />

Blick auf die Bundestagswahl<br />

im kommenden Jahr warnte der<br />

Chef des Bundesnachrichtendienstes<br />

Bruno Kahl vor Hackerangriffen<br />

und Kampagnen zur<br />

Desinformation, die aus Russland<br />

gesteuert würden.» Es<br />

folgte eine Stellungnahme der<br />

Bundeskanzlerin: «Ich sage einfach,<br />

öhm, solche Cyberangriffe,<br />

auch solche, wie das in der, öhm,<br />

Doktrin ja auch, öhm, Russlands<br />

heißt, hybride, öhm, Auseinandersetzungen,<br />

gehören heute<br />

zum Alltag, und wir müssen lernen,<br />

damit umzugehen.»<br />

Knapp 109 Millionen Euro gibt die<br />

ARD nach eigenen Angaben für ihre<br />

Nachrichtensparte aus.<br />

Foto: ARD<br />

Nein, es ist nicht das neue US-<br />

Kabinett. Foto: picture alliance /<br />

Globe-ZUMA<br />

eine Titelgeschichte der eigens von seinen Leuten<br />

gefütterten New York Times, um seine Behauptungen<br />

über das irakische Atomprogramm zu untermauern.<br />

Fernsehveteran Bob Simon erklärte dazu Jahre<br />

später: «Erst lässt man eine Story durch, und dann<br />

zitiert man diese Story. Ich meine, das ist eine bemerkenswerte<br />

Sache.»<br />

Mit den aktuellen CIA-Beweisen gegen Russland<br />

verhält es sich anscheinend genauso. Am 16. Dezember<br />

zitierte Reuters den republikanischen Kongressabgeordneten<br />

Ron Johnson mit den Worten:<br />

«Es ist enttäuschend, dass die CIA Informationen<br />

über diese Angelegenheit der Washington Post<br />

und NBC bereitstellt, aber nicht den Kongressmitgliedern.»<br />

Tatsächlich standen die Geheimdienstler<br />

dem Repräsentantenhaus erst rund einen Monat<br />

später Rede und Antwort. «Wie kann es sein, dass<br />

die Nachrichten diese Informationen haben, bevor<br />

wir eingewiesen wurden?», fragte der Republikaner<br />

Devin Nunes, eines von acht Kongressmitgliedern<br />

mit ständigem Anrecht auf geheimdienstliche<br />

Informationen.<br />

Sex, Lügen – und keine Videos<br />

«Wäre Obama wirklich an einer unbefangenen<br />

Aufarbeitung interessiert», argumentierte das Portal<br />

für Außenpolitik The National Interest am 6. Januar,<br />

«dann würde er warten und der nachfolgenden<br />

Administration einen umfassenden und objektiven<br />

Bericht überreichen. Stattdessen sind er und seine<br />

Helfer fleißig dabei, Trump zu blamieren.»<br />

Die Demütigungsstrategie erreichte ihren Tiefpunkt,<br />

als das Onlinemedium Buzzfeed am 11. Januar<br />

ein unbestätigtes Geheimdienstdossier veröffentlichte,<br />

das auf widerlichste Art die schlimmsten Vorwürfe<br />

zu untermauern schien: Trump sei erpressbar,<br />

weil Moskau unter anderem Material besitze, das<br />

den Immobilienmilliardär bei Sexeskapaden zeige.<br />

Das Dossier war ursprünglich von einem Vorwahlkampfkonkurrenten<br />

Trumps in Auftrag gegeben worden<br />

und landete am 9. Dezember auf dem Tisch des<br />

FBI-Direktors James Comey. Niemand geringerer als<br />

der Putin- und Trumphasser John McCain – ein Senator<br />

der Republikaner! – hatte es übergeben. Comey<br />

war es gewesen, der elf Tage vor der Wahl die<br />

Ermittlungen gegen Hillary Clinton in der E-Mail-<br />

Affäre wieder aufgerollt hatte – ein herber Rückschlag<br />

für die Ex-Außenministerin. Hat der einflussreiche<br />

McCain etwa Comey Begnadigung angeboten,<br />

wenn er im Gegenzug das Schmuddel-Dossier<br />

an die Medien durchsticht?<br />

»Erst lässt man eine Story durch,<br />

und dann zitiert man sie. Bemerkenswert.»<br />

Bob Simon, CBS<br />

Trump bezeichnete das Pamphlet als «Fake<br />

News». Offenbar um Druck aus dem Kessel zu nehmen,<br />

räumte er aber am Tag der Buzzfeed-Veröffentlichung<br />

in seiner ersten Pressekonferenz seit sechs<br />

Monaten locker-flockig zu den angeblichen Hackerangriffen<br />

ein: «Ich glaube, es waren die Russen.» Ob<br />

ernstgemeint oder nicht, Trump hatte den Zeitpunkt<br />

für diesen Satz gut gewählt: Die Kampagne gegen<br />

ihn war mit den Sex-Stories endgültig zum Schmierentheater<br />

verkommen. Und gleich ergriff er auch die<br />

Chance, erneut auf einige der hochbrisanten Inhalte<br />

der von Wikileaks enthüllten E-Mails hinzuweisen.<br />

38<br />

Vertreter der US-Lügenpresse bekamen an diesem<br />

Tag übrigens einen Vorgeschmack auf Trumps<br />

erste Amtszeit: Fragesteller mussten gefälligst aufstehen.<br />

Journalisten, die Teil der Verleumdungskampagne<br />

sind, wurden von ihm gnadenlos ignoriert.<br />

Man spürt schon jetzt, dass ein frischer Wind in<br />

Washington weht. Die jahrzehntealte antirussische<br />

Propaganda bröckelt – und zwar ausgerechnet bei<br />

den Republikanern. Seit Trumps Durchmarsch betrachten<br />

deutlich weniger seiner Anhänger als vorher<br />

Russland als Feind, meldete das britische Meinungsforschungsinstitut<br />

YouGov Mitte Dezember.<br />

Im staatlichen Radio stammelte Obama: «Ein großer<br />

Teil der republikanischen Partei, die sich während<br />

der Ära Reagan und den folgenden Jahrzehnten<br />

damit brüstete, ein Bollwerk gegen russischen Einfluss<br />

gewesen zu sein, akzeptiert [Putin] jetzt plötzlich.»<br />

Es wurde höchste Zeit, dass er die Koffer packt<br />

und die Bahn freimacht.

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