COMPACT-Magazin 02-2017
Jung, wild, patriotisch
Jung, wild, patriotisch
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<strong>COMPACT</strong> Kolumnen<br />
Bartels Schmäh _ Meine Russen<br />
_ Peter Bartels ist seit 50<br />
Jahren Journalist und war 17<br />
Jahre bei «Bild». 1974 wurde<br />
er Unterhaltungschef in der<br />
Hamburger Zentralredaktion. Von<br />
1989 bis 1991 war er zusammen<br />
mit Hans-Hermann Tiedje Chefredakteur<br />
von «Bild» – als das<br />
Blatt noch fünf Millionen Auflage<br />
hatte. Im Frühjahr ist sein Buch<br />
«Bild – Ex-Chefredakteur enthüllt<br />
die Wahrheit über den Niedergang<br />
einer einst großen Zeitung»<br />
erschienen.<br />
Diese Cover-Sammlung ist nur eine<br />
Auswahl. Foto: Montage <strong>COMPACT</strong><br />
Gegen Russland zu sein, ist leicht. Die meisten<br />
von denen, die es heute sind, waren früher gegen<br />
die Sowjets. Ich auch. Damals. Ich war sogar ein Kalter<br />
Krieger. Obwohl mein Freund und Informant KGB-<br />
Oberst war. Was er zwar immer vehement bestritt,<br />
was mir aber am A**** vorbeiging – seine Informationen<br />
waren einfach zu gut. Schlagzeilen halt…<br />
Ja, ich hasste die Sowjets. Nein, nicht die Russen.<br />
Nicht Tolstoi, Puschkin, Dostojewski, Pasternak.<br />
Schon gar nicht Solschenizyn. Ebenden hielten<br />
meine «KGB-Schlagzeilen» in Bild mit am Leben,<br />
als er damals im Gulag schmorte. Wahrscheinlich<br />
schufen sie sogar die Voraussetzung für seine spätere<br />
Freilassung. Seine Frau Jelena Bonner mochte<br />
ich übrigens nicht. Die war mir schon damals zu viel<br />
«Runder Tisch», zu viel «Sozialismus mit menschlichem<br />
Antlitz»; von wegen: Nicht Marx hatte Murx<br />
gemacht, Stalin war’s. Und Chruschtschow, Breschnew…<br />
Dialektisch alles richtig, klar…<br />
Ähnlich behaupten auch die, die heute gegen<br />
Russland sind, eigentlich «nur» gegen Putin-Russland<br />
zu sein. Dialektisch! Dass inzwischen 86 Prozent<br />
aller Russen für Putin sind, ist ihnen wurscht. Weil<br />
die ja angeblich nur von einer «Desinformation» in<br />
die andere gelogen wurden… Und das wahre Russland<br />
sei nun mal ein rotes und/oder grünes Russland.<br />
Vom «Runden Tisch» regiert…<br />
Beweis für Merkel und ihre Schranzen ist allein<br />
schon, dass Putin mal KGB-Chef in der DDR war…<br />
Dabei hat er via Kant, Goethe, Schiller und Herder<br />
wahrscheinlich mehr von Deutschland erfahren, als<br />
die stramme Honecker-Genossin Merkel selbst jemals<br />
ahnen wird. Aber das ist ja auch – schon wieder!<br />
– Desinformation…<br />
Und so legte sich einer wie Markus Wehner,<br />
studierter Politologe mit Beifach Slawistik, neulich<br />
schnappatmend für die früher konservative FAZ in<br />
die linke Kurve: «Für den Kreml war 2016 ein Superjahr.<br />
(…) Die Tragödie von Aleppo ist die Krönung eines<br />
Siegeszugs (…). In Amerika ist, mit mehr oder<br />
weniger Hilfe russischer Geheimdienste, ein Präsident<br />
gewählt worden, der sich Moskau anzudienen<br />
scheint (…).» Sie merken schon, Wehner weiß<br />
nix: Putin hat Trump gewählt, «mehr oder weniger».<br />
Trump «scheint» sich ihm anzudienen.<br />
Man wird doch noch mal «mutmaßen», «meinen»,<br />
«annehmen» dürfen, oder?! Fakten? Postfaktisch<br />
reicht! Aber dann wird der Herr «faktisch»: «Im<br />
Wahlkampf in Amerika hat Russland gezeigt, wozu<br />
es in der Lage ist, (…) eine Provokation und Machtdemonstration<br />
zugleich.» Was fünf Zeilen vorher<br />
noch Konjunktiv war, wird plötzlich auf wundersame<br />
Weise zum Indikativ. Motto: So wollen wir es, also<br />
isses so! Und natürlich packt der FAZ-Mann gleich<br />
die ultimativen Keulen der Mainstream-Wahrhaftigkeit<br />
aus: «Propaganda», »Desinformation», «wahre,<br />
verdrehte und erfundene Nachrichten»…<br />
Nein, damit meint der Herr nicht sich selbst,<br />
die FAZ, Spiegel, Bild, ARD, ZDF, Deutschlandfunk<br />
oder so, damit meint er Putin. Die Russen! Schlussendlich<br />
bringt Wehner den «lupenreinen» Beweis<br />
«wahrer» Pressefreiheit: «Es gibt ein Land, das Putin<br />
beim Erreichen seiner Ziele mehr als alle anderen<br />
im Wege steht: Deutschland.»<br />
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Und weiter: «Gab es eine ”Freundschaft” mit<br />
Deutschland unter dem Kanzler Gerhard Schröder<br />
(…), so begegnet der Kreml mittlerweile der Bundesrepublik<br />
mit großem Misstrauen. Es gilt besonders<br />
Angela Merkel, die sich dem russischen Führer<br />
entgegenstellt.» Natürlich: Putin ist der neue «Führer»,<br />
darunter macht es Wehner nicht. Man merkt:<br />
Saßen früher die größten Feinde Russlands in Washington,<br />
so findet man sie heute in Berlin. Dabei<br />
ist eines klar: Die Mehrheit der Deutschen, jedenfalls<br />
jener, «die schon länger hier leben», ist eindeutig<br />
für Russland, für Putin, für Trump. Angst haben<br />
sie trotzdem – vor Merkel und Mainstream-Schranzen<br />
wie Wehner.