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COMPACT-Magazin 02-2017

Jung, wild, patriotisch

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<strong>COMPACT</strong> Politik<br />

In der Hauptschule kommt der Junge mehr<br />

schlecht als recht mit – die Noten sind oftmals<br />

mangelhaft. Doch tief in ihm schlummert bereits der<br />

Schutzmann – vielleicht wegen der Sicherheit, die<br />

er nie hatte. Rainer Wendt wird Schülerlotse. Mit<br />

13 will er eine Schülerwehr mit Armbinden gründen,<br />

um die Ordnung auf dem Pausenhof durchzusetzen<br />

– das Vorhaben kostet ihn fast den Posten als Schülersprecher.<br />

Irgendwann nimmt das Schicksal seinen<br />

Lauf. Auf der Straße vor der Schule steigt ein Polizist<br />

von seinem großen BMW-Motorrad. Die Mädchen<br />

drehen sich um – nach dem Helden in Uniform,<br />

nicht nach Rainer Wendt. Der beschließt, zur Polizei<br />

zu gehen. Dafür lässt er sich sogar die langen Haare<br />

kürzen – 1973 ist das ein echtes Opfer.<br />

Es ist kein Weg ohne Zweifel. Dienst in Duisburg-Ruhrort<br />

– das heißt Hafen und Rotlicht. Wendt<br />

nennt es «Schimanskis Revier», nach dem ARD-Tatort,<br />

der die Gegend einst berühmt machte. Frauen<br />

blicken einem dort wohl selten hinterher. Stattdessen<br />

muss er einmal eine Erhängte abschneiden, deren<br />

Mageninhalt sich dabei auf seinen Kopf ergießt.<br />

Wendt holt das Abitur nach, will zeitweise Lehrer<br />

werden – und kann die Uniform dann doch nicht an<br />

den Nagel hängen. Es folgen 25 Jahre Schichtdienst<br />

bei der Schutzpolizei.<br />

Rainer Wendts Buch erlebte<br />

wenige Monate nach Erscheinen<br />

bereits die zweite Auflage. Foto:<br />

Münchner Verlagsgruppe GmbH<br />

So konsequent gehen deutsche Sicherheitsbehörden nicht<br />

immer gegen Nafris und Rapefugees vor. Foto: picture alliance<br />

/ Ina Fassbender/dpa<br />

müssen, um ihren Lebensunterhalt zusammenkratzen?<br />

Und wenn sie sehen, dass diese Gesellschaft<br />

für sie im Alter nur wenige Minuten am Tag Zeit hat.<br />

(…) Während gleichzeitig für jugendliche Schläger,<br />

Räuber und Diebe eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung<br />

gefordert wird.»<br />

Der Bulle und die Mädchen<br />

Ganz unten hat er einst begonnen. Mitten im<br />

Revier, wo man leicht abrutschen kann. Wo einem<br />

nichts geschenkt wird, aber schnell alles verloren<br />

geht. Bei der Geburt erstickt er fast an der Nabelschnur,<br />

die sich gleich zwei Mal um den Hals des<br />

Jungen gewickelt hatte. Die Mund-zu-Mund-Beatmung<br />

der Hebamme rettet ihm das Leben. Mit sieben<br />

Geschwistern wächst er bei der Mutter in Duisburg<br />

auf. Acht Personen auf 46 Quadratmetern… Der Vater,<br />

ein Niederländer, hatte die Familie erst beklaut,<br />

dann verlassen. Zeitweise wird er per Haftbefehl gesucht,<br />

nimmt sich später das Leben. Um die Sozialhilfe<br />

aufzubessern, fährt die Mutter nachts Zeitungen<br />

aus. Rainer hilft ihr – früh am Morgen, vor der<br />

Schule. Das Jugendamt hat die Familie im Blick. «Wir<br />

hatten nie Geld, es gab nie eine richtige Sicherheit.»<br />

Wendt kennt die Straßen – und die Gossen. Er ist<br />

einer der echten Ruhrpott-Bullen – den volltrunkenen<br />

Schimanski-Darsteller Götz George fährt er einmal<br />

nach Dreharbeiten ins Hotel. 1997 wird er Landesvorsitzender<br />

der DPolG in Nordrhein-Westfalen.<br />

Zehn Jahre später folgt der Sprung an die Gewerkschaftsspitze.<br />

Von seinem Büro in Berlin-Mitte blickt<br />

er auf die Friedrichstraße gleich neben dem Regierungsviertel.<br />

Wendt weiß, warum er gewählt wurde.<br />

«Lautsprecher zu sein, ist die Aufgabe eines Gewerkschaftsvorsitzenden.»<br />

Er genießt die Rolle des<br />

Enfant terrible, nach dessen Statements die Empörungsmaschinerie<br />

immer wieder anläuft, als wäre<br />

sie programmiert. «Die ganze Mitgliederbetreuung»<br />

ist «nicht mein Ding», sagt er 2015. Ein paar Monate<br />

zuvor bestätigte ihn die Basis ohne Gegenstimme<br />

im Amt.<br />

Im Bruderkrieg<br />

Seine DPolG steht lange im Schatten der übermächtigen<br />

Gewerkschaft der Polizei (GdP) im Deutschen<br />

Gewerkschaftsbund (DGB). Auf 175.000 Mitglieder<br />

verweist der große Konkurrent. 94.000 gibt<br />

die DPolG an. Dass Wendts Organisation das eigene<br />

Mitgliedermagazin jedoch mit nur 68.000 Exemplaren<br />

drucken lässt, sorgt immer wieder für Zweifel.<br />

Ihre Auseinandersetzungen zelebrieren GdP und<br />

DPolG wie einen Kampf in der Arena. 1987 hatte<br />

die GdP vergeblich versucht, die Umbenennung des<br />

damaligen Bundes Deutscher Polizeibeamter in Ge-<br />

Innerhalb seiner<br />

Gewerkschaft ist<br />

Wendt die unbestrittene<br />

Gallionsfigur.<br />

Götz George machte als Horst Schimanski<br />

Duisburg zwischen 1981<br />

und 1997 zu einem der bekannteste<br />

«Tatorte» Deutschlands.<br />

Foto: WDR/ARD/Stefan Falke<br />

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