COMPACT-Magazin 02-2017
Jung, wild, patriotisch
Jung, wild, patriotisch
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<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
man selber, das ist eigentlich das Ziel, weiter an<br />
Macht gewinnt.» Der ZDF-Mann, geradezu berauscht<br />
von seinen exklusiven Erkenntnissen, setzt noch einen<br />
drauf: «Deswegen kann man glatt sagen, dass,<br />
wenn rechte Parteien quer durch Europa Erfolge erringen,<br />
dass dann die größten Wahlpartys in den letzten<br />
Jahren – ich formuliere das mal salopp – nicht<br />
hier in Westeuropa gewesen sind, sondern in [der<br />
IS-Hauptstadt] Rakka in Syrien.»<br />
Der Psychiater Borwin Bandelow, der ebenfalls<br />
in der Lanz-Runde saß, sah als Triebkraft der Attentäter<br />
nicht ein Zuviel an Islam, sondern ein Zuwenig<br />
an Endorphinen: «Sie versuchen eben, diese Endorphine<br />
anzustacheln, indem sie entweder Frauen<br />
vergewaltigen oder kriminelle Handlungen begehen<br />
oder sich mit einer Bombe in die Luft sprengen.» Gebührenfinanziertes<br />
Narkotikum-Fernsehen, ganz im<br />
Sinne der Kanzlerin.<br />
Morgen, morgen – nur nicht heute<br />
26<br />
Schuld war der Pole… Diese Meldung<br />
nennt man im Jargon der<br />
Lügenpresse wohl postfaktisch.<br />
Foto: picture alliance / Bernd von<br />
Jutrczenka/dpa (oben); Twitter/ZDF<br />
heute (unten)<br />
Die Privaten hatten<br />
schnell ihre besten<br />
Reporter vor Ort.<br />
Im Gegensatz zum<br />
ZDF.<br />
Reihe solcher Verbrechen, ist für Theveßen offenbar<br />
von untergeordneter Bedeutung. Was den ZDF-<br />
Mann tatsächlich umtreibt und ihm immens wichtig<br />
ist, erfuhr man in der Sendung Markus Lanz. Vehement<br />
bagatellisierte er dort den Einfluss des Islam<br />
auf die Täter. Die Terroranschläge in Berlin, Paris,<br />
Brüssel oder Nizza – der stellvertretende Chefredakteur<br />
des ZDF will dafür auf keinen Fall den Islam<br />
in Haftung nehmen, allenfalls dessen salafistische<br />
Auslegung: «Wenn wir uns die Täterprofile angucken,<br />
aus den letzten Jahren (…), dann sind es in erster Linie<br />
junge Leute, die die meiste Zeit ihres Lebens mit<br />
Religion nichts am Hut hatten. Aber auch gar nichts.»<br />
In Theveßens Gedankenwelt hätte womöglich auch<br />
ein Flugzeugabsturz nichts mit der Fliegerei zu tun…<br />
Bei Markus Lanz zaubert er einen Plan aus dem<br />
Hut, der angeblich von Osama bin Laden stammt<br />
und den die Chefstrategen des IS – so Theveßen –<br />
nur noch aktualisieren und umsetzen mussten. Der<br />
Kaffeesatzleser, der wie sein Haussender lautstark<br />
vor vermeintlichen Fake-News warnt, taucht plötzlich<br />
selbst in die Untiefen des Internets und fördert<br />
Erstaunliches zu Tage: «Da findet man sogenannte<br />
E-Books, in denen sehr genau dargelegt wird, wie es<br />
dann aussehen soll. Dass durch Polarisierung – so<br />
steht es da drin – die Rechtsextremisten, die Neonazis<br />
in europäischen Ländern Wahlen gewinnen,<br />
die Macht übernehmen und dadurch die Spaltung<br />
der Gesellschaft massiv vorangetrieben wird. Und<br />
Fragt man Kollegen im ZDF, dann lassen sie keine<br />
Zweifel aufkommen: Elmar Theveßen allein sei<br />
schuld daran, dass der Sender zu Anfang 2016 fast<br />
vier Tage brauchte, um über die Silvesterübergriffe<br />
und den Sexmob von Köln zu berichten. Tatsache<br />
ist: Erst nach heftigen Protesten entschuldigte sich<br />
der stellvertretende Chefredakteur damals bei seinen<br />
Zuschauern: «Die Nachrichtenlage war klar genug.<br />
Es war ein Versäumnis.» Die von Theveßen vorgebrachte<br />
Begründung war absolut lächerlich. Man<br />
habe den Beitrag verschieben wollen, «um Zeit für<br />
ergänzende Interviews zu gewinnen.» Tatsächlich<br />
dürfte es wohl eher die nordafrikanische und arabische<br />
Herkunft der Täter gewesen sein – und mithin<br />
deren muslimische Identität –, die zur medialen<br />
Zurückhaltung geführt hatte.<br />
Wenn Theveßen sich und den Sender nicht selbst<br />
blamiert, übernehmen das gerne die Kollegen. Die<br />
Heute-Redaktion scheint ein Problem zu haben: Sie<br />
verwechselt das Nachrichtengeschäft mit der Arbeit<br />
am 100-jährigen Kalender. Anders lässt sich nicht<br />
erklären, wie schwerfällig die Truppe auf aktuelle<br />
Ereignisse reagiert:<br />
Der Islamist Anis Amri war am 19. Dezember<br />
exakt um 20:<strong>02</strong> Uhr in den Weihnachtsmarkt am<br />
Breitscheidplatz gerast. Wenige Minuten später unterbrachen<br />
n-tv und N24 ihre Programme und lieferten<br />
erste dramatische Bilder vom Ort des Terroranschlags.<br />
Die Privaten hatten schnell ihre besten<br />
Reporter vor Ort – im Gegensatz zum ZDF. Bis zum<br />
Beginn des Heute-Journals um 21:45 Uhr spulte der<br />
Sender erst noch pflichtgemäß sein normales Programm<br />
herunter. Gotthard hieß der Spielfilm, er behandelte<br />
ein Bergdrama vor 150 Jahren – während<br />
in Berlin die Retter verzweifelt um das Leben Dut-